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Podiumsdiskussion
BAH will einfacheres OTC-Switch-Verfahren - was hätte der Patient davon?
Transparenter und unbürokratischer für Pharmaunternehmen – so sollen OTC-Switches aus Sicht des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) ablaufen. Wenn sich der Pharmaverband durchsetzt, könnten Rx-Arzneimittel in Zukunft schneller rezeptfrei werden. Was bedeutet das BAH-Szenario für den Patienten? Darum ging es unter anderem in der Podiumsdiskussion am gestrigen Dienstag auf der 3. BAH-Switch-Konferenz.
Aus Sicht des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) sollten OTC-Switches für Pharmahersteller attraktiver werden. Am gestrigen Dienstag stellte der Pharmaverband ein alternatives Switch-Szenario vor, das die Kanzlei Sträter Rechtsanwälte in dessen Auftrag entwickelt hatte. Demzufolge soll allein das BfArM über die Entlassung eines Arzneimittels aus der Verschreibungspflicht entscheiden.
Vorteile für die Pharmaindustrie
Dadurch könnte sich der Prozess verkürzen, an dem derzeit das BMG im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und bei Tierarzneimitteln in Abstimmung mit dem Landwirtschaftsministerium sowie der Bundesrat beteiligt sind. Außerdem sollen die Switches produkt- und nicht wirkstoffbezogen erfolgen und ein dreijähriger Wettbewerbsschutz auf relevante Studiendaten bestehen. Dadurch entstünden für Hersteller mehr wirtschaftliche Anreize, was vermutlich einen Anstieg von OTC-Switches bedeuten könnte.
Doch was ist eigentlich mit dem Patienten? Welche Vor- und welche Nachteile das BAH-Szenario für die Patienten bedeuten könnte, war eines der zentralen Themen auf der Podiumsdiskussion am gestrigen Dienstag auf der 3. BAH-Switch-Konferenz, die von DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer moderiert wurde. An dem Panel nahmen teil: BfArM-Präsident Professor Karl Broich, BMG-Referatsleiterin Dr. Anne Dwenger, Michaela Oppold (Leiterin der Zulassungsabteilung bei GSK), Rechtsanwalt Markus Ambrosius (Sträter Rechtsanwälte) und Dr. Elmar Kroth (BAH-Geschäftsführer Wissenschaft).
Rolle des Apothekers gestärkt
Gäbe es mehr apothekenpflichtige Arzneimittel, würde dies mehr Freiheit für die Patienten bedeuten, so Kroth. Denn sie könnten ihre Therapie vermehrt mitgestalten und müssten nicht wegen leichteren Erkrankungen beim Arzt warten. Außerdem sei mit einer Stärkung des Selbstmedikationsbereiches gleichzeitig eine Stärkung der Rolle des Apothekers verbunden.
Auch Broich findet es positiv, wenn die Selbstmedikation die Gesundheitskompetenz des mündigen Patienten stärkt, der jederzeit auf die Beratungsleistung der Vor-Ort-Apotheke zurückgreifen kann. Allerdings stehe ein OTC-Arzneimittel nach dem Switch auch direkt im Versandhandel zur Verfügung, wandte Rohrer ein. Dwenger entgegnete, dass Versender nach Auffassung des BMG zur Beratung verpflichtet seien. Allerdings beraten sie deutlich weniger als die Vor-Ort-Apotheken, findet Broich. Doch dieses Grundsatzproblem bestehe unabhängig von OTC-Switches, so der Behördenchef.
Verwirren produktbezogene Switches die Patienten?
Ob Switches produkt- oder wirkstoffbezogen sein sollten, darüber waren die Teilnehmer unterschiedlicher Meinung. Aus Herstellersicht böte der Produktbezug große Vorteile, weil nicht automatisch der Wettbewerb vom eigenen Engagement profitiere, so Oppold.
Dwenger und Broich dagegen favorisierten den bisherigen Stoffbezug. Da sich potenzielle Patientenrisiken auf den Arzneistoff bezögen, sei es folgerichtig über die Verkaufsabgrenzung auf Wirkstoffebene zu entscheiden, so die BMG-Referatsleiterin. Für Patienten ist es beim Stoffbezug derzeit einfacher, den Überblick darüber zu bewahren, was rezeptpflichtig ist und was nicht, als bei einem möglichen Produktbezug, findet Broich.
Kroth wandte ein, dass die Arzneimittelverschreibungsverordnung durch die verschiedenen Dosierungen und Packungsgrößen schon jetzt unübersichtlich sei. So sei beim Naratriptan die Packungsgröße mit zwei Tabletten derzeit OTC, die Packung mit sechs Stück dagegen rezeptpflichtig. Er hoffe dabei auf die fortschreitende Digitalisierung, die Apotheker und Patient dabei helfen soll, den Überblick zu bewahren.
Verkaufsabgrenzung: eine rein wissenschaftliche Entscheidung?
Ein weiteres kontrovers diskutiertes Thema war, ob Ministerien und Bundesrat weiterhin in den Entscheidungsprozess eingebunden bleiben sollten, oder ob der Switch ausschließlich in BfArM-Hand liegen sollte, wie es der BAH fordert.
Dwenger verteidigte den bisherigen Ablauf. Aus ihrer Sicht ist die Verkaufsabgrenzung von Arzneimitteln nicht nur eine wissenschaftliche Frage, weshalb die Einbindung der Ministerien und des Bundesrates wichtig sei. So verdeutliche das Beispiel der Notfallkontrazeptiva, dass auch gesundheits- und gesellschaftspolitische Aspekte eine Rolle spielten. Aus den BMWi-Stellungnahmen gehe hervor, dass sich Verbände Gehör verschafft hätten. Durch den Bundesrat flössen die Länderinteressen ein. „Das ist wie ein Korrektiv“, fasste die BMG-Referatsleiterin zusammen.
Viele Akteuere - viele Verzögerungen
Ambrosius, dessen Kanzlei bei der Konzepterstellung für den BAH federführend war, sieht das erwartungsgemäß anders. Die Entscheidung über die Verkaufsabgrenzung sei eine wissenschaftliche und keine politische Frage. Dies sei auch im Sinne des Patienten. Dass Switches überhaupt noch mit einem Rechtssetzungsverfahren verbunden seien, sei historisch bedingt und solle angepasst werden.
Kroth und Oppold wiesen darauf hin, dass durch die Einbindung der verschiedenen politischen Instanzen der Switchprozess unkalkulierbar und intransparent sei. Ob und weshalb ein Ministerium einen Antrag ablehne, erführen Unternehmen in der Regel nicht. Beim Bundesrat komme es häufig zu mehrmonatigen Verzögerungen, weil sich Tagesordnungspunkte auf die nächste Sitzung verschöben.
Der BAH-Vorstoß liegt derzeit beim Bundesgesundheitsministerium (BMG). Man werde den Vorschlag inhaltlich prüfen und befinde sich in der Abstimmung, so Dwenger.
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