2018: 684 Meldungen

Warum explodiert die Zahl der Lieferengpässe in Norwegen?

Remagen - 11.06.2019, 12:45 Uhr

Norwegens Apotheker haben derzeit mit massiven Lieferengpässen zu kämpfen. Woran liegt das? Und wie aussagekräftig sind die Zahlen zu den Engpässen? (c / Foto: imago images / Lindenthaler)

Norwegens Apotheker haben derzeit mit massiven Lieferengpässen zu kämpfen. Woran liegt das? Und wie aussagekräftig sind die Zahlen zu den Engpässen? (c / Foto: imago images / Lindenthaler)


Schon im vergangenen Jahr hatte es in Norwegen laut Lieferengpass-Liste der Arzneimittelbehörde einen Rekordmangel an Arzneimitteln gegeben. Dieser wird wohl in diesem Jahr erneut getoppt. Aber bildet eine solche Liste wirklich die Situation in der Praxis ab? Der norwegische Apothekerverband hat jetzt einmal genauer hingeschaut.

In Norwegen wurden im letzten Jahr 20-mal so viele Lieferengpässe registriert wie vor zehn Jahren. Gegenüber 2017 (358) hat sich die Zahl in 2018 mit 684 mehr als verdoppelt. Für 2019 wurden in knapp fünf Monaten schon 655 Fälle registriert, so dass in diesem Jahr ein neuer Rekord zu erwarten ist. Sie verliere langsam den Überblick, meint Anne Markestad, die Leiterin des Nationalen Zentrums für Arzneimittelmangel und Arzneimittelprävention. 

Wie die norwegischen Apotheker mit Ausfällen umgehen

Apothekerin Hanne Andresen gibt auf der Webseite des norwegischen Apothekerverbandes „Apotekforeningen“ einen Einblick, wie sie in der Praxis mit Lieferausfällen umgeht. Andresen leitet eine Kettenapotheke in dem Dorf Maura mit rund 4.000 Einwohnern, nicht weit vom Osloer Flughafen entfernt. Sie kennt ihre Kundengruppe, die vorwiegend aus Stammkunden besteht, gut. Zwei- bis dreimal wöchentlich checkt sie die Mängelliste des Großhändlers, um gegebenenfalls nach Alternativen zu suchen. Andresen findet die Arbeit zur Behebung von Mängeln zeitaufwändig, aber auch aufregend. 

„Eine Art Wettbewerb“

„Es ist eine Art Wettbewerb mit mir selbst“, sagt die Apothekerin. „Wir können nicht einfach stillsitzen und die automatischen Bestellsysteme die Arbeit erledigen lassen. Wir müssen neben der reinen Logistik auch professionelle Bewertungen vornehmen.“ Jedes Mal, wenn sie einen Kunden an eine andere Apotheke verweisen muss, empfindet sie das als kleine Niederlage. Teilweise seien die Kunden weit gereist, um Medikamente zu erhalten, die in ihrer Apotheke vorrätig seien. Sie hätten auch Anfragen von Menschen in Nordnorwegen, die Arzneimittel geschickt haben möchten, weil sie diese vor Ort nicht bekommen können. Immerhin sei es möglich, von der Arzneimittelbehörde schnell eine Genehmigung zu erhalten, um in einer Mangelsituation ausländische Präparate zu verkaufen. Diese dürften allerdings nicht liegenbleiben, die Genehmigungen gälten nur vorübergehend. Deswegen sei es ein Spagat, jeweils die richtige Menge eines Arzneimittels zu besorgen.

Was sagt die Liste der Arzneimittelbehörde?

Die Norwegische Arzneimittelbehörde führt eine Liste von Lieferengpässen, die durch die Meldungen von pharmazeutischen Unternehmen gespeist wird. Aus Apothekersicht ist diese zwar ein nützliches Tool, um mit Mängeln in der Praxis umzugehen, aber sie gibt trotzdem keinen Aufschluss darüber, wo es tatsächlich schwerwiegende Probleme mit einem Mangel gibt. Der norwegische Apothekerverband hat deswegen die Lieferengpassliste der Arzneimittelbehörde zum 20. Februar 2019 einmal genauer analysiert.

Die Liste enthielt 113 Wirkstoffe und insgesamt 200 verschiedene Präparate (Artikelnummern), die in Norwegen im Januar 2019 möglicherweise fehlten. Nach den Recherchen des Verbandes hatte es für einige in den letzten Jahren gar keinen Absatz oder nur geringe Umsätze gegeben, so dass die Auswirkungen als gering erachtet wurden. Für andere gab es Alternativen. 123 Produktnummern wurden im Januar 2019 tatsächlich verkauft, obwohl sie auf der Mängelliste standen, jedoch wurde für diese gegenüber Januar 2018 ein Umsatzrückgang von 23 Prozent verzeichnet. Die Apotheker halten die Liste deswegen nur bedingt geeignet dafür, um festzustellen, ob ein Lieferengpass die Patienten tatsächlich berührt. 

Analyse-Tool gefordert

Wie aber können die bedeutsamen Fälle herausgefiltert werden. „Wir stehen im Dialog mit den Behörden darüber“, berichtet Oddbjørn Tysnes von „Apotekforeningen“. „Wir fordern ein Analyse-Tool, mit dem man die Meldungen vernünftig sortieren kann, um Mängeln mit eventuell dramatischen Folgen besser begegnen zu können. Dies wird in der Zukunft wichtig sein, denn alles deutet darauf hin, dass das Problem mit den Arzneimittelverknappungen noch zunehmen wird.“

Vergleiche mit anderen Ländern hinken

Im Rahmen der Analyse der Lieferengpass-Meldungen in Norwegen hat der Apothekerverband übrigens auch die norwegische Liste mit der im Nachbarland Schweden verglichen, mit folgendem Ergebnis: 104 der 195 Wirkstoffe, die bei diesem Vergleich auf der Liste Norwegens standen, fanden sich auch auf der schwedischen Liste. Damit gab es 91 Wirkstoffe, die laut Listen in Norwegen fehlen, nicht aber in Schweden. Von den 365 Wirkstoffen, die in Schweden auf der Defizitliste standen, standen 102 auch in der norwegischen. Das heißt, 263 Wirkstoffe, die nach den Listen in Schweden fehlen, waren in Norwegen lieferbar. Die naheliegende Schlussfolgerung aus diesen Zahlen sei, dass in Schweden ein größerer Mangel an Medikamenten bestehe als in Norwegen. Dies sei aber nicht unbedingt richtig, weil die Listen als „Warnungen“ zu verstehen seien und keine echten Mängel anzeigten, meint der Verband. Außerdem definierten die Schweden den Mangel auch anders als die Norweger. Die Erkenntnis daraus: Vergleiche mit anderen Ländern, die alleine über die Länge von Listen gehen, hinken.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

AM-Engpässe

von Barbi am 14.06.2019 um 0:20 Uhr

alles Im
Überfluss: Lebensmittel, luxusautos und Klamotten.....
Unterhaltungselektronik, und und und.
Parfümen, Kosmetika im Überfluss
Was fehlt ? Einfache Medikamente gegen schmerzen, gegen Bluthochdruck, Impfstoffe, notfallmedikamente...
Wie ist das möglich?
Apotheke hat gesetzlich vorgrleschriebene Aufgaben!
Soll man es den Pharmafirmen auch nicht vorschreiben ubd mit straffen die diese gerne für fusionen bezahlen belegen wenn einfaches Schmerzmittel oder Antibiotika oder Blutdrucksenker länger als eine Woche nicht lieferbar ist?
Wenn es länger als einen Monat nicht lieferbar der Firma Betriebserlaubnis entziehen?
Die Managmentebend soll nach dem Studium und Promotion mindestens 5 Jahre in öffentlichen Apotheke zu mind. 50% arbeiten müssen um sich für diesen Posten bewerben zu dürfen. So wie Handwerker der nicht sofort meister wird! Dann werden die hochdotierten Damen und Herren kapieren was Sie einrichten wenn sie nur Dividenden ubd eigene übertriebene Gehälter im Kopf haben und dafür Produktion. nach China verlagern!

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