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Arzneimittelversorung im PKV-Basistarif
PKV darf von Patienten keine Defektlisten verlangen
Vor einiger Zeit sorgte ein Urteil für Aufsehen, das die „Retaxation“ eines Apothekers durch eine private Krankenversicherung bestätigt hat: Weil in seiner Apotheke einem im Basistarif versicherten Patienten nicht das günstigste Generikum ausgehändigt wurde, blieb er auf den – erklecklichen – Mehrkosten für das Original sitzen. Er hatte das teure Arzneimittel selbst mit der Versicherung abgerechnet. Aber wie ergeht es eigentlich basis-versicherten Patienten, die selbst zahlen und dann weniger Geld erstattet bekommen? Und was ist, wenn sie sich deshalb an die Apotheke wenden?
Wer im PKV-Basistarif versichert ist, ist kein Besserverdiener. In der Regel rutschen diese Versicherten aufgrund unschöner Umstände in diesen Tarif – etwa, weil sie wegen eine schweren Erkrankung nicht mehr arbeiten können und auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Ihre ärztlichen Verordnungen erfolgen dennoch auf einem Privatrezept. Für den Apotheker, der die Lebensumstände dieses Patienten nicht genauer kennt, ist nicht ersichtlich, wie genau diese private Krankenversicherung aussieht – und muss dies auch nicht erfragen. In der Regel dürfte er davon ausgehen, dass er abgeben kann, was verordnet ist, ohne sich auf die Suche nach den allergünstigsten Varianten des Arzneimittels zu machen.
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Achtung Privatrezept
Apotheker bleibt auf Mehrkosten für Glivec sitzen
Dass er damit nicht immer auf der sicheren Seite ist, zeigte im vergangenen Jahr ein – mittlerweile rechtskräftiges – Urteil des Landgerichts Bremen. Die Mitarbeiterin eines Apothekers hatte einen bekannten Kunden mit Glivec versorgt – und das auch nachdem Generika hierfür auf den Markt gekommen waren. Dieser Kunde hatte mit der Apotheke eine Abrede getroffen, wonach diese die Kosten für das kostspielige Medikament selbst mit der Versicherung abrechnet. Doch als der Apotheker dies tat, erhielt er plötzlich 6000 Euro weniger von der Versicherung. Diese verwies nämlich auf die günstigen Generika, von denen er den Leistungsbestimmungen zufolge eines hätte abgeben müssen. Die Apotheke versuchte daraufhin, das Geld von dem Patienten zu erlangen und zog hierfür auch vor Gericht. Doch erfolglos: Da der Apotheker wusste, dass nur eine Versicherung im Basistarif bestand – und damit habe für ihn eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht bestanden, die er allerdings verletzt habe. Daher könne der Patient mit einem Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe gegen die Forderung des Apothekers aufrechnen.
Man kann sich fragen, wie es im Basistarif versicherten Patienten ergeht, die selbst für ihre Arzneimittel in Vorleistung gehen und dann von ihrer Versicherung nur einen Teil erstattet bekommen – weil die Apotheke nicht eines der drei günstigsten Präparate abgegeben hat. Schon die Auslage der Arzneimittelkosten ist für sie schnell ein Problem – bei hochpreisigen Arzneimitteln können die Einbußen erheblich sein. Doch es kann lohnen, sich zu wehren. Das zeigt der Fall eines chronisch erkrankten Berliners, der über eine geraume Zeit hinweg mit seiner privaten Krankenversicherung um Erstattungen für Arzneimittel stritt. Die Versicherung forderte von ihm die Vorlage von Defektlisten der ihn beliefernden Apotheken an. Damit sollte er belegen, dass es diesen unmöglich war, eines der drei preisgünstigsten Medikamente abzugeben. Doch das ist ein kaum praktikables Ansinnen und der Kläger ging in die Offensive.
Beweislast liegt bei der Krankenversicherung
Bereits 2012 erwirkte der Patient beim Amtsgericht Mitte ein Urteil gegen seine Versicherung: Mit diesem wurde festgestellt, dass er nicht verpflichtet war, seiner Versicherung zum Zwecke der hundertprozentigen Erstattung der ärztlich verordneten Präparate Isentress, Prezista und Celsentri Bescheinigungen der abgebenden Apotheke vorzulegen, dass es zum Bezugszeitpunkt keine günstigeren wirkstoffgleichen Arzneimittel gab. In der Urteilsbegründung hieß es damals, die Versicherung müsse die medizinisch notwendigen Maßnahmen erstatten. Es sei nicht Sache des Patienten, darzulegen, dass es sich bei den verordneten Arzneimitteln um die preisgünstigsten handelt – vielmehr müsse die Versicherung darlegen, dass es zum Bezugszeitpunkt günstigere gab, will sie den Preis nicht voll erstatten. Es sei dem Patienten auch „nicht zuzumuten, bei den Apotheken jeweils als Bittsteller aufzutreten und die geforderte Bescheinigung zu verlangen“. Das Urteil schloss seinerzeit mit dem Satz: „Mag die Beklagte sich an die jeweilige Apotheke wenden“.
Das Problem bestand jedoch auch in der Folgezeit. Immer wieder wollte die Versicherung die Arzneimittel nicht voll erstatten. Es gab weitere Vorschläge, wie die Defekte nachgewiesen werden könnten, aber keine befriedigende Lösung für das Problem. Am Ende forderte die Versicherung doch immer wieder besagte Defektlisten. Und so klagte der Patient im vergangenen Jahr erneut gegen seine Versicherung – er wollte nun endgültig Rechtssicherheit. Und erneut entschied das Amtsgericht Mitte zu seinen Gunsten, diesmal auch genereller und mit einer klaren Aussage in Richtung Versicherung. Konkret befand es:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte, sofern sie Kosten für dem Kläger verschriebene Medikamente nicht in voller Höhe erstatten will, verpflichtet ist, dem Kläger durch Vorlage von tagesaktuellen Defektlisten nachzuweisen, dass die vom Kläger genutzte Apotheke dem Kläger 1. keines der drei preisgünstigsten Arzneimittel verkauft hat und, sofern dies der Fall ist, 2. mindestens eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel durch diese Apotheke zeitgerecht an den Kläger lieferbar gewesen wäre“.
In den Gründen führt das Gericht aus, dass der Kläger weder verpflichtet sei, bei Bezug ärztlich verordneter Medikamente jeweils eine Bescheinigung der Apotheke beizufügen, dass es keine preisgünstigeren Präparate gibt, noch eine Defektliste beizufügen. Vielmehr sei die Versicherung aufgrund des bestehenden Versicherungsvertrags verpflichtet, die medizinisch notwendigen Maßnahmen der Heilbehandlung vollständig zu erstatten – „es sei denn, sie legt dar, dass die agierende Apotheke zum Zeitpunkt des Bezugs preisgünstigere Medikamente mit derselben Wirkstoffzusammensetzung hätte erwerben können“. Das Gericht bleibt also dabei: Nicht dem Patienten obliegt die Darlegungs- und Beweislast, sondern der Versicherung. Und im vorliegenden Fall ist sie dieser nicht nachgekommen.
Tatsächlich dürfte es für private Krankenversicherungen nicht einfach sein, diesen Nachweis zu führen. Einen direkten Zugang auf Defektlisten haben sie nicht.
Eine Apotheke, die mit einem Fall wie dem beschriebenen konfrontiert ist, kann Patienten nun dem Berliner Urteil zufolge auf die Beweislastregelung hinweisen.
1 Kommentar
PKV-Basistarif....
von Dietmar Roth, Rottenburg am 24.06.2019 um 15:08 Uhr
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