Warnung der Französischen Arzneimittelbehörde

Besser kein Ibuprofen bei Windpocken?

Waren - 03.07.2019, 16:30 Uhr

Darf man Kindern mit Windpocken Ibuprofen geben? Die Empfehlungen unterscheiden sich je nach Land und Fachgesellschaft. (c / Foto: loflo / stock.adobe.com)

Darf man Kindern mit Windpocken Ibuprofen geben? Die Empfehlungen unterscheiden sich je nach Land und Fachgesellschaft. (c / Foto: loflo / stock.adobe.com)


Können sich Infektionen unter nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) erheblich verschlimmern? Das legt eine aktuelle Pharmakovigilanzanalyse aus Frankreich nahe. Ganz neu ist diese Sorge nicht: Deutsche Fachinformationen enthalten bereits den Hinweis, dass Ibuprofen das Risiko für schwere Haut- und Weichteilinfektionen erhöhen kann, vor allem während einer Infektion mit Varizellen. Grund genug, die Wahl von vornherein auf Paracetamol zu beschränken?

Die französische Arzneimittelbehörde ANSM (Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé) kritisiert, dass Ibuprofen nach wie vor bei Windpocken zum Einsatz kommt, obwohl das Risiko für schwere bakterielle Hautkomplikationen, ins­besondere von nekrotisierender Fasziitis seit Langem bekannt ist. Ihr Urteil fällt daher eindeutig aus: Paracetamol sollte bei Schmerzen und Fieber immer der Vorzug gegeben werden, insbesondere im Zusammenhang mit häufigen Infek­tionen wie Angina, Rhinopharyngitis, Otitis, Husten, Lungenentzündung, Hautläsion oder Windpocken.

Ähnliche Empfehlungen gibt es auch aus Großbritannien und auch von der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Dagegen lässt die American Academy of Dermatology die Wahl zwischen Paracetamol und Ibuprofen offen.

Kein kausaler Zusammenhang 

Gemäß einer prospektiven populationsbasierten Untersuchung aus Kanada erhöht eine Varizellen-Infektion das Risiko für eine invasive Infektion mit Streptokokken der Gruppe A, dem häufigsten Erreger der nekrotisierenden Fasziitis, um das 58-Fache und stellt damit den wichtigsten Risikofaktor beim Kind dar. Ob Ibuprofen die Gefahr weiter in die Höhe treibt, wurde bisher nicht eindeutig bewiesen. Denkbar wäre eine weitere Schwächung des ohnehin angeschlagenen Immunsystems. Die Studienautoren um Laupland konnten jedoch keinen kausalen Zusammenhang feststellen: 95 Prozent der betroffenen Kinder hatten gar kein Ibuprofen erhalten.

Wie wird es in Deutschland gehandhabt

In Deutschland reagiert man deshalb zurückhaltend auf die Warnungen aus Frankreich. Eine Varizellen-Infektion stellt nach wie vor keine Kontraindikation von Ibuprofen dar. Nach Meinung von Prof. Dr. Fred Zepp, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugend­medizin an der Universitätsmedizin Mainz, wäre diese Maßnahme auch nicht angebracht . An deutschen Kliniken gibt man zwar grundsätzlich nach wie vor Ibuprofen den Vorzug – warum, das erläutert Prof. Dr. Fred Zepp im DAZ-Interview. Dank der Schutzimpfung kämen Windpocken nur noch selten vor. In der Klinik sehe er nur noch selten Fälle mit komplizierten Verläufen bei ungeimpften Kindern, wie er erklärt. Dann müsse man unter Abwägung von Nutzen und Risiken prüfen, ob die Gabe eines Antiphlogistikums überhaupt erforderlich ist. Aufgrund des Hinweises in der Fachinformation würde er in diesem Fall (Varizellen) dann bevorzugt Para­cetamol einsetzen.

Warum wird Ibuprofen in Deutschland bevorzugt? 

Ein Interview mit dem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. Fred Zepp

„Grundsätzlich spricht nichts gegen Ibuprofen“

Auf keinen Fall ASS

Einigkeit herrscht bei den internationalen Experten in Bezug auf Salicylate: Wegen der Gefahr des Reye-Syndroms, einer akuten Enzephalopathie, die vor allem im Kindesalter auftreten und tödlich verlaufen kann, ist Acetylsalicylsäure (ASS) bei Infektionen mit Varizellen kontraindiziert.

Der beste Schutz vor Komplikationen unter Windpocken bietet die aktive Immunisierung. Seit August 2004 wird sie von der Ständigen Impfkommission (STIKO) für alle Kinder und Jugendlichen empfohlen.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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