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Forschung an neuen Antibiotika
Antibiotikum Lugdunin: resistent gegen Resistenzen?
Forscher der Universität und der Universitätsklinik Tübingen haben untersucht, warum es gegen das natürliche Antibiotikum Lugdunin keine beobachtbaren Resistenzen gibt. Dabei stießen sie auf gleich mehrere Wege, wie der Wirkstoff besonders den potenziell gefährlichen Erreger Staphylococcus aureus im Schach halten kann.
„In vielen Laborversuchen haben wir nie gesehen, dass es auch nur einmal zu Resistenz gegen Lugdunin gekommen ist“, sagt Dr. Andreas Peschel, Professor am interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung an der Universität Tübingen.
Vor rund drei Jahren wurde das natürliche Antibiotikum an der Uni Tübingen entdeckt. Produziert wird es vom in der Hautflora – insbesondere der Nase – vorkommenden Bakterium Staphylococcus lugdunensis. Dabei zeigt es insbesondere Wirkung gegen den ebenfalls auf der Haut siedelnden Staphylococcus aureus, der in Form von MRSA, Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus, traurige Berühmtheit als schwerwiegendes Pathogen erlangt hat.
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S. lugdunensis und S. aureus konkurrieren dabei im gleichen Lebensraum, Lugdunin ist dabei das Mittel des einen Bakteriums, das andere auf Abstand zu halten. Aus evolutionsbiologischer Sicht wäre allerdings zu erwarten, dass es seitens S. aureus Resistenzbildung gegen das komplexe Polypeptid-Antibiotikum gäbe. „Warum Lugdunin bis heute hochwirksam ist, war bislang völlig rätselhaft“, sagt Dr. Birgit Schittek, Professorin an der Universitäts-Hautklinik Tübingen.
Lugdunin wirkt auf verschiedenen Ebenen
Gemeinsam mit Peschel und einer interdisziplinären Forschungsgruppe hat sie eine Erklärung dafür gefunden, die die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht haben. Denn das Antibiotikum wirkt nicht nur auf eine Weise.
Den primären Wirkmechanismus hatte ein Team um Dr. Nadine Schilling vom Institut für Organische Chemie der Universität Tübingen und Stephanie Grond, Professorin für Organische Chemie und Naturstoffforschung dort, zum Teil aufgeklärt. Die Arbeit erschien in diesem Jahr in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie. Demnach vermag Lugdunin, das zu Klasse der Fibupeptide gehört, die Transmembranspannung von Zellen aufzuheben, in dem es Wasserstoffionen durchlässt und so einen Ladungsausgleich erzeugt. Das führt zu einer Störung des Energiehaushalts des Bakteriums, welches stirbt.
Antibiotika aus dem menschlichen Mikrobiom
Das Wort „Fibupeptid“ leitet sich vom lateinischen „Fibula“, die Spange, ab. Eine Thiazolidin-Gruppe (zur Erinnerung: bestehend aus drei Kohlenstoffatomen, einem Stickstoff- und einem Schwefelatom, die einen Fünfring bilden) stellt innerhalb des Peptid-Rings des Moleküls eine Struktur dar, die an eine Schmuckspange erinnern soll.
Im Team mit Peschel und Schittek konnten die Forscher nun zeigen, dass es noch zwei weitere Wege gibt, wie Lugdunin konkurrierende Bakterien schädigt. „Zum einen wirkt es im Verein mit antimikrobiellen Peptiden, die unsere menschlichen Zellen bilden“, sagt Peschel. Dadurch erhöhe sich die Wirksamkeit. „Zum anderen bindet es an ein humanes Rezeptorprotein namens TLR2“, sagt er. Der Toll-like-Rezeptor 2 wird auf Zellen des Immunsystems exprimiert und ist ein entwicklungsgeschichtlich alter Bestandteil des natürlichen Immunsystems. Er reagiert ansonsten insbesondere auf Zellwandbestandteile verschiedener Bakterien wie dem Lepra- oder dem Tuberkulose-Erreger.
Bindung an Immunrezeptor stimuliert Immunzellen
Durch die Bindung von Lugdunin an TLR-2 würden Immunzellen stimuliert und die Immunantwort so aktiviert, dass S. aureus keine Chance habe, sich anzusiedeln, sagt Peschel. In den weitgehend voneinander unabhängigen Angriffsebenen könne man ablesen, dass natürliche Antibiotika wie Lugdunin chemisch hergestellten, die nur ein Angriffsziel in der Bakterienzelle haben, überlegen seien. Das sei auch die Erklärung, warum es praktisch keine Resistenzbildung gegen Lugdunin gebe.
Peschel sieht in der Substanzklasse der Fibupeptide großes Potenzial. „Es hatte ja keiner gedacht, dass man im menschlichen Mikrobiom so wirksame Antibiotika wie Lugdunin entdecken würde“, sagt er. Aktuell untersucht er, ob sich unter den zahlreichen Peptiden und anderen Substanzklassen der den Menschen besiedelnden Mikroorganismen nicht noch andere potente Antibiotika-Kandidaten finden.
Staphylococcus lugdunensis als Anti-Pathogen?
Einiges an Forschungsarbeit sei auch hinsichtlich Lugdunin noch zu erledigen. So sei etwa noch nicht verstanden, warum Lugdunin S. lugdunensis nicht auch direkt oder durch Stimulation der Immunzellen des Wirts indirekt schädige.
Alternativ zu auch bereits synthetisch herstellbarem Lugdunin als Antibiotikum kann sich Peschel auch vorstellen, den Erzeuger selbst, das Bakterium S. lugdunensis, als Anti-Pathogen gezielt einzusetzen und präventiv gegen S. aureus-Infektionen anzusiedeln. Dazu will er im Rahmen des seit Anfang des Jahres laufenden „Tübinger Exzellenzclusters“ mit dem Titel „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen“ forschen.
In jedem Fall sieht er die Substanzklasse auf einem guten Weg, neue potente Antibiotika für zukünftige Therapien anzubieten. In Tübingen wird in verschiedenen Instituten an der Variation des Lugdunins gearbeitet, um dessen Wirksamkeit zu erhöhen.
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