ABDA, CDU, SPD, Grüne, BVDVA etc.

Apothekenreform durchs Kabinett – Wie sind die Reaktionen?

Berlin - 17.07.2019, 17:45 Uhr

Das Apotheken-Stärkungsgesetz ist durchs Bundeskabinett, soll nun in Brüssel abgestimmt und dann ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Aber wie sind die Reaktionen zum Kabinettsbeschluss? (c / Foto: imago images / E. Contini)

Das Apotheken-Stärkungsgesetz ist durchs Bundeskabinett, soll nun in Brüssel abgestimmt und dann ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Aber wie sind die Reaktionen zum Kabinettsbeschluss? (c / Foto: imago images / E. Contini)


Skepsis bei SPD, FDP, Grünen und Linken groß

Und die Politik? Die Unionsfraktion war bis zuletzt uneinig, was den Kurs in der Apothekenpolitik betrifft. Insbesondere in der CSU ist der Wunsch nach einem Rx-Versandverbot weiterhin groß. Wirtschaftsliberalere Christdemokraten könnten sich eine Öffnung der Rx-Preisbindung hingegen durchaus vorstellen. In einer Pressemitteilung äußerte sich Georg Nüßlein, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union, so:


Das Gesetz zur Stärkung der Apotheken, das heute im Kabinett behandelt wurde, stellt sicher, dass gesetzlich Versicherte für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel den gleichen Preis zahlen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie ihr Arzneimittel in der Apotheke vor Ort erwerben oder in der Online-Apotheke. Kern des Gesetzes ist für mich, dass wir Versorgungssicherheit herstellen und gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen: sowohl für die Apotheken in der Stadt und auf dem Land als auch für die Versandapotheken aus dem EU-Ausland. Letzeren wird verboten, deutschen Kunden Rabatte anzubieten.“

Georg Nüßlein (CSU)


Aus der SPD gibt es bislang nur eine Stimme, die von Dirk Heidenblut, der in seiner Fraktion für Digital-Themen im Gesundheitsbereich zuständig ist. Heidenblut sagte zu dem Gesetz:


Die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch die Apotheken muss überall sichergestellt sein. Sie ist das Rückgrat unserer Gesundheitsversorgung. Niemand ist so unkompliziert zu erreichen wie die Apothekerin oder der Apotheker um die Ecke. Durch verschiedene Vergütungsanpassungen in einer Gesamthöhe von mehr als 200 Millionen Euro werden gezielt die Apotheken gefördert, die überall im Land tagtäglich ihrer wichtigen und unerlässlichen Arbeit nachgehen. Wir reden allerorten, nicht nur im Gesundheitswesen, über die Digitalisierung. Auch der Arzneimittelversandhandel wächst stetig. Ich bin mir nicht sicher, ob die vom Ministerium vorgeschlagene Regelung zur Gleichpreisigkeit rechtlich tatsächlich haltbar ist. Das Justizministerium hat dies meiner Meinung nach zurecht kritisiert. An dem Punkt werden wir im parlamentarischen Gesetzgebungsprozess möglicherweise noch mal nachbessern müssen.“

Dirk Heidenblut (SPD)


Und auch die Grünen und die FDP denken nicht, dass das Apotheken-Stärkungsgesetz unverändert aus dem parlamentarischen Verfahren herauskommt. So wie das „Handelsblatt“ zuvor, erinnert auch die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche an die PKW-Maut – ein deutsches Gesetzesvorhaben, das auf EU-Ebene „kassiert“ wurde. Schulz-Asche wörtlich:


Was Spahn hier macht, erinnert stark an das Maut-Debakel, das für die Steuerzahler wohl wegen seiner Unrechtmäßigkeit mit einem Millionenschaden enden wird. (…) Dass Spahn jetzt das Rabattverbot wieder einzuführen versucht, indem er es einfach in ein anderes Gesetz schreibt, ist zum Scheitern verurteilt. Die europäischen Grundfreiheiten gelten schließlich erstmal in allen Lebenslagen. Eine Einschränkung, so der EuGH, wäre nur mit der andernfalls gefährdeten Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu rechtfertigen. Solch eine Gefährdung geht von dem seit 2004 bestehenden und bei gerade einmal 1 Prozent des Gesamtumsatzes an verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ausmachenden Versandhandel jedoch nachweislich nicht aus. Ohnehin krankt die Apothekenversorgung an ganz anderer Stelle. Verschiedene Gutachten belegen, dass die Apothekenlandschaft gespalten ist. Denn während rund die Hälfte der Apotheken gut bis sehr gut verdient, ist die andere Hälfte, etwa 7.600, bereits heute in ihrer Existenz gefährdet. Ganze 2.600 Apotheken in Deutschland hätten aus wirtschaftlicher Sicht eigentlich schon längst schließen müssen, so ein Gutachten vom Wirtschaftsministerium, welches der Gesundheitsminister jedoch hartnäckig ignoriert. Anstatt also eine Konkurrenzsituation mit dem ausländischen Versandhandel herbeizureden, sollte viel eher das vorhandene Honorar für die Apotheken gerechter verteilt werden. Das wäre eine tatsächliche Hilfe für die Sicherung der flächendeckenden Apothekenversorgung. Wir haben hierzu bereits einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht, der vorsieht, die Höhe der packungsabhängigen Vergütung von Apotheken an deren Umsatz zu knüpfen, sodass besonders gut verdienende Apotheken etwas weniger Gelder erhalten, mit denen dann die Versorgung in ländlichen und Randregionen gesichert werden kann. Im Übrigen würden mit unserem Vorschlag vor allem die großen ausländischen Versandapotheken Einnahmeeinbußen hinnehmen müssen, was den Spielraum ihrer Rabattvergabe deutlich eingrenzen dürfte.“

Kordula Schulz-Asche (Grüne)




Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Zum Scheitern verurteilt

von Dirk Krüger am 18.07.2019 um 8:51 Uhr

Diejenigen, die das Verschieben des Boniverbots in das SGB V als Versuch, EU-Recht zu umgehen, bezeichnen, haben Recht. Und daher wird das Gesetz nicht kommen. Bereits in dem absehbaren EU-Notifizierungsverfahren wird Schluss sein. Und Spahn wusste das von Anfang an ganz genau. Er kann sich hinstellen und sagen, er hätte alles versucht - hat aber in Wirklichkeit, das, was er eigentlich wollte, erreicht: Max Müller und Co. in die Karten gespielt.
Und die ABDA hat es nicht gemerkt und sich am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Die Tür für das Rx-Versandverbot stand zeitweise offen - die ABDA ist nicht hindurch gegangen, sondern hat sich einlullen lassen von Blendgranaten wie Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen, Erhöhung der BTM-Gebühr und Notdienstpauschale. Die Rx-Preisbindung ist seit gestern Geschichte. Machen wir uns nichts vor: der Systemwechsel ist da.

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Preiskampf ist kein Stilmittel

von Reinhard Rodiger am 17.07.2019 um 21:05 Uhr

Vorweg: Die Einführung des online-Handels und der Wegfall einer angemessenen Honorierung schwerer Fälle (= teurerer Produkte) hat mir die Existenz zerstört.

Entscheidend ist die Erkenntnis, dass nicht der online-Handel an sich, sondern der durch ihn induzierte Preiskampf die Rentabilität massiv verringerte.Die Verbraucher haben sich am Preis orientiert und mich zur Beratung missbraucht.
Ich habe nicht den Eindruck, dass diese Folge politisch verstanden wird.Nochmal: es ist die Methode, nicht der online-Handel an sich.
Jetzt wird genau dasselbe wieder angestrebt: Die Dumpingpraxis wird nicht wirksam ausser Kraft gesetzt.Es ist doch deutlich genug, dass gesetzliche Vorgaben bislang ignoriert wurden. Es wird sogar geltend gemacht,dass deren Einhaltung zu Verlusten führt.Das ist ein Beweis für die Schadwirkung dieses Holland-Versand-Geschäftsmodells.. Es geht darum, dass ein solcher Preiskampf nur bei Zufluss externer Mittel so geführt werden kann.Dagegen kann niemand bestehen, der einen aufwendigeren Auftrag erfüllen muss.

Das hat nichts mit einem Versandverbot zu tun, sondern mit der Notwendigkeit wirksamer Kontrolle der Praktiken.Ist dies nicht möglich- was schon bewiesen ist- bleibt nur Verbot oder eine Anhebung der Honorierung ohne Versandbeteiligung. Besonders unerklärlich ist, wie Leistungsfähigkeit bei Verzicht auf sämtliche Anpassungen an die laufenden Entwicklungen erhalten werden soll.

„Die Arzneimittelversorgung von Versicherten ist kein Ort für einen Wettbewerb um Preise. " sagt Friedemann Schmidt.
Doch genau das findet statt und ist politisch gewollt.Da "...schlicht nicht mehr vorstellbar ist, den Online-Handel zu verbieten" bleibt nur die Anhebung der Basisfinanzierung für die Vor-Ort-Apotheken.Nur das wird erst recht weder gewollt noch vertreten.
Der Online-Handel wird sein Geschäftsmodell nicht ändern wollen, wegen Finanzverpflichtungen auch nicht können und aus Erfahrung auch nicht ändern müssen.Die Füsse zählen..Das sollte berücksichtigt werden.

Dieses Gesetz öffnet sonst die Tür für die Verdrängung all derer, die nicht mit gleichen Mitteln arbeiten können oder wollen.Gegen Geldzufluss ohne Transparenz hilft keine Qualität.Das betrifft auch viele andere Branchen.

Kurz gesagt: ich kann nicht verstehen, warum diese Dynamik völlig unberücksichtigt bleibt.Preiskampf wird nicht vermieden, sondern gefördert. Das ist kein gutes Stilmittel.







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AW: Preiskampf ist kein Stilmittel

von Anita Peter am 18.07.2019 um 6:26 Uhr

Bei RX findet kein Preiskampf statt. Die KK bezahlen an Versender und Vor Ort Apotheken das gleiche. Es geht rein um a) das Verschenken von Geld ( Zuzahlugsbefreite ) bzw. b) die Übernahme der Zuzahlung. Beides nur möglich weil Aktionäre und Saudis Geld in die Versender pumpen.

Wenn das die EU wirklich so in der Gesundheitsversorgung will, und die Bundesregierung sich nicht endlich klar dagegen stemmt, sollten wir endlich die Lieferveträge kündigen und sollten ein neues Vergütungskonzept aushandeln.

Ebenso ist endlich mal klar zu stellen, dass es sich bei RX um keine normale Ware handelt und somit die Warenverkehrsfreiheit nicht zutrifft. Die RX Menge lässt sich durch billigere Preise und / oder Werbung nicht steigern. Der Arzt verschreibt deshalb nicht mehr. Es handelt sich also um keine NORMALE Ware. Was in den Versand wandert ist für die Vor Ort Apotheke verloren und das Sterben geht munter weiter.

AW: Preiskampf ist kein Stilmittel

von Reinhard Rodiger am 18.07.2019 um 8:13 Uhr

Dem Kunden ist doch egal, was die Kasse zahlt.Für ihn zählt, was er zahlt.Also wird der "Kauf" billiger.Wenn der eine das anbieten kann,der andere nicht, dann ist das Preiskampf.Sicher die Menge ist dadurch nicht steigerbar, aber sie wird lenkbar.Das wird als Wettbewerb missverstanden.Das Resultat ist Verdrängung.Das beinhaltet Versorgungsgefährdung und damit potentiellen Verbraucherschaden.Es geht nur in zweiter Linie um uns.Es geht um das Verständnis der Methode.So führen ja auch erzwungene Preissenkungen durch KK zu Lieferengpässen.Ebenso ein Marktdominanzergebnis wie Lenkung der Warenströme durch Kapitaleinsatz.

AW: Preiskampf ist kein Stilmittel

von Karl Friedrich Müller am 18.07.2019 um 8:37 Uhr

Ja, Herr Rodiger.
Es ist zum Heulen, dass das niemand kapieren will. Es ist so offensichtlich, dass mann kein "Experte" sein muss, um das zu verstehen.
Aber die "echten Experten", oder besser, diejenigen, die sich dafür halten, sind von jeder Vernunft befreit. So auch die ABDA.

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