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Sie kommt, die Apothekenreform. Spahn fährt auf volles Risiko: Die Gleichpreisigkeit für Rx kommt ins Sozialgesetzbuch und gibt’s nur für GKV-Versicherte. Ob und wie lange das funktioniert, ist offen. Und ob das Gesetz die Apotheken tatsächlich stärkt oder ob wir in ein paar Jahren freie Rx-Preise für alle haben – alles ist möglich. Was es auf jeden Fall auch gibt: ein paar fortschrittliche Ansätze für Dienstleistungen und den Botendienst – und eine bescheidene Honorarerhöhung für den Notdienst und die BtM-Doku. Kommt da Freude auf?
15. Juli 2019
Lieferengpässe wohin man schaut. Jeder Apotheker hat täglich weit über 100 Fehlpositionen, sagt Thomas Preis vom Apothekerverband Nordrhein. Mein liebes Tagebuch, sogar bei stinknormalen Arzneimittel wie Ibuprofen oder Betablockern kommt es zu Engpässen. Da sollten wir uns daran erinnern, dass wir zur Vorratshaltung von Arzneimittel verpflichtet sind: Wir müssen in unseren Apotheken die Menge vorrätig halten, „die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche entspricht“. Solche Angaben sind zwar dehnbar, aber immerhin. Auch Großhändler müssen solche Mengen vorrätig halten und Krankenhausapotheken sogar Art und Menge, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für zwei Wochen entspricht. Die Pharmaindustrie dagegen ist nur dazu verpflichtet, unverzüglich zu informieren, wenn es zu Lieferengpässen kommt. Der neue Ärztepräsident Klaus Reinhardt fordert nun eine nationale Arzneimittelreserve. Fraglich, mein liebes Tagebuch, ob das die Lösung ist, da viel zu aufwendig und umständlich. Da sollte man schon eher die Hersteller in die Pflicht nehmen. Die Kassen müssen mittlerweile bei Rabattverträgen eine Klausel aufnehmen, dass eine „unterbrechungsfrei und bedarfsgerechte“ Lieferfähigkeit zu berücksichtigen ist. Immerhin, ob dies reicht? Mein liebes Tagebuch, was mich wundert: Der Ärztepräsident meldet sich bei diesem Thema zu Wort, der Apothekerpräsident sagt nichts dazu. Offiziell kommt von Apothekerseite relativ wenig zu diesem Thema, dabei könnte man das doch öffentlichkeitswirksam ausspielen.
Also, wenn eine Apotheke GKV-Versicherte beliefern will, muss sie sich zwingend an den Rahmenvertrag halten, die festgesetzten Preisspannen und Preise einhalten und darf Versicherten keine Boni und Rabatte gewähren – in diesem Sinne wurde der Entwurf zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken, der dem Kabinett in dieser Woche zum Beschluss vorgelegt wird, nachgebessert. Mein liebes Tagebuch, man kann nicht sagen, dass sich das Haus Spahn nicht bemüht hat, die Gleichpreisigkeit zu erhalten und den Entwurf so rechtssicher wie möglich zu machen. Was die Begründung zum Gesetzentwurf betont: Wie die EU-Mitgliedstaaten ihre Krankenversicherung ausgestalten, liegt allein in deren Hand. Hoffen wir, dass das hält, mein liebes Tagebuch. Klar, die PKV-Patienten sind von dieser Regelung nicht betroffen, da wird man sehen, wie sich das entwickelt und was daraus folgt. Noch offen ist, was in der vom Bundesgesundheitsministerium geplanten Sammelverordnung stehen wird, mit der unsere bescheidene Honoraraufstockung geregelt werden soll (mehr Honorar für den Nachtdienst und für die BtM-Doku) und die weiteren Neuregelungen zur Apothekenbetriebsordnung (Botendienst, Temperaturkontrolle und Abgabeautomaten).
16. Juli 2019
Wort gehalten. Das Bundesgesundheitsministerium hat auch, neben dem Entwurf eines Apotheken-Stärkungsgesetzes, einen Verordnungsentwurf zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung vorgelegt und das Bundeswirtschaftsministerium einen Verordnungsentwurf zur Änderung der Arzneimittelpreisverordnung. Sinn dieser von der Apothekenreform ausgekoppelten Verordnungen liegt in formalen Gründen: Die Verordnungen müssen nicht vom Bundestag beschlossen werden. Mit der Änderung der Verordnungen sollen wir mehr Honorar bekommen für den Nachtdienst (Erhöhung des Packungszuschlags um 5 Cent von 16 auf 21 Cent), was dann pro Nachtdienst rund 350 Euro ausmacht. Außerdem wird die BtM-Dokugebühr erhöht (von 2,91 auf 4,26 Euro) und für die geplanten pharmazeutischen Dienstleistungen sollen wir 150 Mio. Euro pro Jahr bekommen – nicht gerade üppig, aber ein bescheidener Anfang. Mein liebes Tagebuch, wie das mit den Dienstleistungen im einzelnen laufen wird, ist noch offen, da dürfen wir noch gespannt sein, wie viel Euro es genau für welche Leistung geben wird. Und ja, der Medikationsplan soll auch noch honoriert werden, allerdings steht davon noch nichts im neuen Verordnungsentwurf. Änderungen stehen auch bei der Apothekenbetriebsordnung an: Der Botendienst soll nicht wie bisher nur im Einzelfall möglich sein, sondern grundsätzlich auf Kundenwunsch. Und die Beratung darf auch im Wege der Telekommunikation erfolgen, also per Telefon oder Videochat. Endlich mein liebes Tagebuch, alles andere wäre auch aus der Zeit gefallen. Was außerdem kommen soll: Aut-idem für PKV-Versicherte, Beihilfeempfänger und Selbstzahler, wenn der Arzt es nicht ausgeschlossen hat. Was nicht mit den Verordnungen geregelt wird, sondern noch im Apothekenstärkungsgesetz selbst steht, ist die Regelung zu automatisierten Ausgabestationen für Arzneimittel, die es nicht geben soll. Abholfächer einer stationären Apotheke dagegen sollen weiterhin erlaubt bleiben. Das gefällt zwar der ABDA nicht, ist aber trotzdem gut, mein liebes Tagebuch. Bleibt zu hoffen, dass das BMG weiterhin bei seiner Auffassung bleibt, dass Abholfächer sinnvoll sind.
Das „Handelsblatt“ sieht das Apotheken-Stärkungsgesetz mit Blick auf die Beibehaltung der Gleichpreisigkeit skeptisch. Das Blatt meint sogar, dass Deutschland mit dem Apothekengesetz eine erneute europarechtliche Blamage droht ähnlich wie mit der PKW-Maut. Laut „Handelsblatt“ haben sich das Justiz- und das Wirtschaftsministerium darauf geeinigt, das Vorhaben mit der EU-Kommission abzustimmen. Sollte das stimmen, mein liebes Tagebuch, dann würde dies bedeuten, dass das Apotheken-Stärkungsgesetz nach dem Kabinettsbeschluss und vor der parlamentarischen Beratung an die EU-Kommission geschickt wird, um es rechtlich bewerten zu lassen. Und sollte dann die Kommission Bedenken haben, dass die Regelungen zur Gleichpreisigkeit im Sozialgesetzbuch rechtlich nicht machbar sind, dann wären wir die Gelackmeierten. Aber soweit sind wir nicht und wer weiß, ob das alles so stimmt, was das „Handelsblatt“ da erfahren haben will. Denn eigentlich hat das Spahn-Haus doch die Regelung zur Gleichpreisigkeit mit Absicht im SGB V geregelt, damit ein EU-Notifizierungsverfahren nicht notwendig wird. Wir werden sehen.
Viel Schönes und Gutes, aber auch ein bisschen was Gefährliches steht da in der Begründung zum jüngsten Entwurf des Apotheken-Stärkungsgesetzes, meint DAZ-Wirtschaftsexperte Müller-Bohn. Das Schöne und Gute: ein überzeugendes Plädoyer, warum es wichtig ist, den einheitlichen Apothekenabgabepreis im GKV-System beizubehalten. Und für PKV-Versicherte und Selbstzahler: Da wird die Preisbindung offenbar als weniger notwendig eingestuft, meint Müller-Bohn. Und dabei bieten die Selbstzahler-Rezepte den Apotheken doch die höchste Spanne – ein Argument, das in der Begründung zum Gesetzentwurf fehlt. Was Müller-Bohn auch zu Recht moniert: Laut neuestem Gesetzentwurf sollen automatisierte Ausgabestationen auch „den besonderen Bedingungen des Versandhandels Rechnung tragen“. Da heißt, diese Ausgabestationen müssen nicht innerhalb der Betriebsräume der Versandapotheke liegen und nicht vom Personal der Versandapotheke bestückt werden – eine Bastelanleitung für einen Automaten vom Typ Hüffenhardt 2.0. Mein liebes Tagebuch, eine Ausgabestation außerhalb der Betriebsräume geht gar nicht, da haben die Gesetzesformulierer wohl etwas durcheinander gebracht. Eigentlich will das Gesetz doch die Vor-Ort-Apotheke stärken, Automaten von Versandapotheken würde das aber grottenmäßig unterlaufen. Da muss dringend nachgebessert werden.
Der ABDA-Präsident meldet sich per Video-Statement zur Kabinettsvorlage der Apothekenreform zu Wort. Kurz zusammengefasst: Im Prinzip sind viele Teile der Reform zu begrüßen, meint Friedemann Schmidt. Man sehe, dass das BMG die Regelungen zur GKV-Gleichpreisigkeit in einem möglichen EuGH-Verfahren verteidigen wolle. Und es gebe „hoch interessanten Ansätze“, die darüber hinaus im Gesetz enthalten seien. Und was ist zu kritisieren? Da gibt sich der Präsident bedeckt. Klar, es gebe sinnvolle Veränderungen und Verbesserungen, aber welche genau das sind, verrät er nicht. Die ABDA werde das Verfahren konstruktiv begleiten, lässt er uns wissen. Na, mein liebes Tagebuch, dann sind wir beruhigt, da kann ja nicht mehr viel passieren.
17. Juli 2019
Hat unser Bundesgesundheitsminister Jens Spahn das nicht wunderschön gesagt: „Die Apotheken sind auch ein Stück Heimat. Das weiß ich als jemand, der aus einem kleinen Dorf kommt.“ Ja, mein liebes Tagebuch, das rührt einen doch das Herz! Wenn ein Bundesgesundheitsminister so eine Videobotschaft auf Facebook postet, dann muss er es doch ernst meinen mit seinem Einsatz pro Apotheke vor Ort. Wenn man das hört, dann kann man ihm doch gar nicht mehr böse dafür sein, dass er das Rx-Versandverbot nicht mehr verfolgte. Und letztlich kann er gar nichts dafür, dass Europa die Warenverkehrsfreiheit und den vollen Wettbewerb über alles stellt. Und so hat er für uns Apothekers versucht, das Beste für uns herauszuholen, indem er die Gleichpreisigkeit ins Sozialgesetzbuch schreiben lässt. Dann schaun wir mal, ob’s hält.
Jens Spahn hat die erste Hürde für seine Apothekenreform geschafft: Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken sowie den zugehörigen Entwurf für eine Änderungsverordnung beschlossen. Im Mittelpunkt von Spahns Gesetzentwurfs steht zweifellos sein Plan, ein Boni-Verbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel vom Arzneimittelgesetz ins Sozialgesetzbuch zu übertragen. Der Gesetzentwurf geht nun ins parlamentarische Verfahren. Mein liebes Tagebuch, schaut man sich die Vielzahl an geplanten Änderungen an, dann kann man bei diesem Gesetz tatsächlich von einer Reform des Apothekenwesens sprechen. Mal abgesehen von dem Versuch, die Gleichpreisigkeit zu erhalten, finden sich in diesem Gesetzentwurf zum Teil neue Regelungen für die Apotheken, die zukunftsweisend sein können, beispielsweise honorierte pharmazeutische Dienstleistungen, Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen, Wiederholungsverordnungen und die neuen Regelungen zum Botendienst und für automatisierte Abgabestationen. Ok, mein liebes Tagebuch, an der einen oder anderen Stelle wird hoffentlich noch im weiteren Gesetzgebungsverfahren nachgebessert werden, z. B. bei den zu weitreichenden Regelungen für Abgabestationen von Versandapotheken, aber im Großen und Ganzen sieht’s doch recht fortschrittlich aus. Und mehr Honorar für den Nachtdienst und die BtM-Doku gibt’s obendrauf – immerhin, auch wenn unser große Apothekerwunsch einer dynamisierten Anpassung des Apothekerhonorars auch diese Mal nicht in Erfüllung geht. Nun bleibt die Hoffnung, dass der Entwurf im parlamentarischen Verfahren nicht zerfleddert wird.
Das hatte sich DocMorris so zurecht gebastelt: Der EU-Versender wollte mit einer Schadenersatzklage von der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) fast 15 Mio. Euro einstreichen. Der Hintergrund: Die AKNR war 2016 vor Gericht dagegen vorgegangen, dass DocMorris gegen die Rx-Preisbindung verstieß – mit Erfolg. Das Gericht entschied, dass sich auch ausländische Versender an Preisbindung halten müssen, die Kammer ließ die Entscheidungen vollstrecken. Das passte DocMorris nicht und warf der Kammer vor, diese Vollstreckungen seien unangemessen und ungerechtfertigt. Dadurch sei ein Schaden für DocMorris entstanden, den der Versender auf rund 15 Mio. Euro bezifferte. Doch das Landgericht Düsseldorf hat heute die Schadenersatzklage des Versenders gegen die AKNR abgewiesen. Erleichterung bei der Kammer. Mein liebes Tagebuch, Freude, dass das Gericht seine Entscheidungen auf eine Verletzung des Heilmittelwerbegesetzes (§ 7) stützte: Es gibt Zuwendungsverbote im Bereich von Arzneimitteln, die trotz EuGH-Urteil ihre Gültigkeit haben.
Wie fest Spahn entschlossen ist, sein Rx-Boni-Verbot für alle in- und ausländischen Apotheken über eine Regelung im Sozialgesetzbuch zu verbieten, hat er selbst auf einer Pressekonferenz kundgetan. Was er auch sagte: Die hohen Boni-Angebote der ausländischen Versender hält er für unfair den Apothekern aus Deutschland gegenüber, weil diese „nicht können und nicht dürfen“. Deswegen wolle die Bundesregierung Gleichpreisigkeit herstellen. Mein liebes Tagebuch, fein, dass der Minister das auch so sieht und einsieht. Und was die Frage betrifft, ob sein Vorhaben auch vor der EU-Kommission Bestand haben wird, sagte Spahn: Wir suchen nach einer Lösung, die hält und werden daher zeitnah das Gespräch mit der Kommission suchen.“ Mein liebes Tagebuch, die Hoffnung bleibt.
Noch eine Schlappe für DocMorris: Auch in einem weiteren noch ausstehenden Berufungsverfahren ließen sich die Richter nicht vom DocMorris-Arzneimittelautomaten à la Hüffenhardt überzeugen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied: Es bleibt beim Verbot. DocMorris hat keine Apotheke in Hüffenhardt betrieben und darf dies als Kapitalgesellschaft auch gar nicht und der Arzneiabgabeautomat ist nicht von der Versandhandelserlaubnis gedeckt. Punkt. Aus. Ende.
18. Juli 2019
Der Chef des Deutschen Apothekerverbands Fritz Becker ist froh: „Es hat noch kein Bundesgesundheitsminister so intensiv mit uns kommuniziert!“, freut er sich über Jens Spahn. Und darüber, dass Spahn nicht, wie mehrfach gemunkelt wurde, Verteidigungsminister wurde. Mein liebes Tagebuch, eigentlich hatten wir auch schon früher immer geglaubt, die ABDA steht in engem Austausch mit den Gesundheitsminister(innen). Wenn das, was mit Spahn zugange war und ist, so besonders herausgestellt wird, dann war’s früher wohl nicht allzuweit her mit den Kontakten und Gesprächen. Na gut, schauen wir in die Zukunft. Becker sieht die Apothekenreform realistisch: Das Pferd Rx-Versandverbot sei tot geritten gewesen, erklärte er auf der Mitgliederversammlung seines Verbands, deshalb musste die Gleichpreisigkeit auf anderen Wegen angegangen werden. Was aber nicht zu 100 Prozent erreicht worden sei, da die Gleichpreisigkeit nicht mehr für Privatversicherte gelten werde. Und das große Fragezeichen: Hat die geplante Regelungen vor dem EuGH Bestand? Unterm Strich sieht Becker das geplante Gesetz positiv. Niedlich: Für Becker sind die geplanten pharmazeutischen Dienstleistungen „ein kleines Pflänzchen, das wir nicht kaputt machen dürfen!“. Mein liebes Tagebuch, warten wir’s ab, wie der Dünger ausfällt. Die dafür eingeplanten 150 Mio. Euro sind doch wirklich ein Witz. Ob daraus sogar ein zweites, ausbaufähiges Honorierungsstandbein entsteht, wie Becker hofft, wird man sehen. Und dann machte Becker noch Werbung für den neuen Rahmenvertrag. Mein liebes Tagebuch, klar, es ist nicht alles schlecht am Rahmenvertrag, aber wenn ich mich bei Kolleginnen und Kollegen umhöre, welche bürokratischen Pirouetten man wegen des Preisankers drehen muss bis hin zum „beliebten“ Anruf beim Arzt, dann kann da nur wenig Freude aufkommen. Und der Ausweg, den Arzt auf die Möglichkeit der Wirkstoffverordnung hinzuweisen, hört sich wohl in der Theorie nett an, aber die Praxis sieht da in Anbetracht der Arztsoftware wieder gaaaanz anders aus.
Gute Arbeit hat der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) in Sachen Retax-Prüfung geleistet. Die Kassen wollten von den Apotheken rund 1,5 Mio. Euro an Retaxationen einbehalten, der LAV holte nach Überprüfung der Kassenforderungen rund 50 Prozent davon für seine Mitgliedsapotheken zurück. Mein liebes Tagebuch, gut gemacht. Aber diese Vorgänge führen wieder vor Augen: Es gibt eine Menge an Retaxationen, die unbegründet sind. Und sie zeigen, welch ein Ärgernis die Retaxationen sind und welche Unmengen an personellen und auch finanziellen Ressourcen dafür aufgewendet werden.
Das Landgericht Düsseldorf hat die millionenschwere Schadenersatzklage des EU-Versenders DocMorris gegen die Apothekerkammer Nordrhein abgewiesen. Die Anwälte der Kammer, Dr. Morton Douglas und Dr. Anne Bongers-Gehlert, machen darauf aufmerksam, dass diese Entscheidung weitreichende Bedeutung hat. Douglas erklärt: „Das europäische Recht steht weder einem Rx-Versandverbot noch einem Boni-Verbot entgegen – denn dies sind Entscheidungen, die von den Nationalstaaten zu treffen sind.“ Das Gericht habe mit deutlicher Klarheit hervorgehoben, dass die Gewährung von Boni unabhängig von der Entscheidung des EuGH rechtswidrig ist. Mein liebes Tagebuch, es geht hier nämlich auch um das Heilmittelwerbegesetz, gegen das die ausländischen Versandapotheken verstoßen, wenn sie Boni geben. Da fragt man sich doch, warum diese Verstöße nicht verfolgt werden. Wo klemmt es da?
19. Juli 2019
Spahn will mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz Modellvorhaben durchführen, bei denen Apotheker Grippeschutzimpfungen verabreichen dürfen. Was in vielen Ländern schon mit großem Erfolg praktiziert wird, will unser Bundesgesundheitsminister auch hierzulande erproben. Eine gute Idee, warum sollte man das nicht auch bei uns ausprobieren. Doch den Ärzten lässt das keine Ruhe, sie machen Front dagegen. Jüngste Kritik kommt vom neugewählten Präsidenten der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Als Argument schiebt er die fürs Impfen fehlende Ausbildung der Apotheker vor, „deshalb muss dieser Geist zurück in die Flasche“, poltert er. Ach ja, mein liebes Tagebuch, wenn er wenigstes seine wahren Ängste kundtun würde. Aber sich auf die Ausbildung zu berufen, ist zu billig. Was sagt Reinhardt dazu, dass Apotheker in der Schweiz, in Frankreich, in England und einigen anderen Ländern Zusatzausbildungen gemacht habe und die Grippeschutzimpfung setzen?
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) muss die geplante Verankerung des Rx-Boni-Verbots im Sozialgesetzbuch auf EU-Ebene abstimmen. Ein nicht ganz leichtes Unterfangen, da kommt’s auf die Begründungen für das Verbot an. Sonst landet das Vorhaben nämlich vor dem Europäischen Gerichtshof. Das BMG baut daher vor und weist explizit darauf hin, dass das geplante Apothekenreform-Gesetz kein komplettes Rx-Boni-Verbot für die EU-Versender enthält, denn PKV-Patienten und Selbstzahler dürfen sehr wohl noch mit Boni beglückt werden. Das BMG weist daraufhin, dass man auf diese Weise eine Vereinbarkeit mit Europarecht erreicht habe. Wir werden sehen.
Während der ABDA-Präsident das geplante Apotheken-Stärkungsgesetz „konstruktiv“ begleiten will, sehen das nicht alle ABDA-Mitgliedsorganisationen so positiv. Für Klaus Michels, Chef des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, ist das Gesetz nicht rechtssicher genug, er hat die Sorge, dass die Preisbindung gänzlich kippen könnte. Auch die Hessische Kammerpräsidentin Ursula Funke sieht dies ähnlich. Mein liebes Tagebuch, an dieser Kritik ist was dran. In der Tat ist es offen, was daraus wird, wenn die Preisbindung nur für GKV-Versicherte gilt, aber nicht für die PKV-Versicherten. Keiner kann in die Zukunft schauen und die juristischen und ökonomischen Usancen voraussehen, die eine partielle Preisbindung mit sich bringen. Soll man daher dem Gesetzesvorhaben mehr Widerstand entgegenbringen? Aber was würde dann aus den anderen zahlreichen positiven Reformansätzen, die durchaus im Gesetzentwurf stecken? Mein liebes Tagebuch, welche Entscheidung die richtige ist, wird man erst in ein paar Jahren wissen…
21 Kommentare
Leserbrief an unsere Tageszeitung
von Christine Jöntgen am 22.07.2019 um 8:22 Uhr
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AW: Rezo ... Amthor, Ziemiak, AKK ...
von Christian Timme am 22.07.2019 um 11:39 Uhr
Schmidt und Becker
von Conny am 21.07.2019 um 22:09 Uhr
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Immer billiger
von Reinhard Rodiger am 21.07.2019 um 15:08 Uhr
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AW: Immer billiger oder Wie wir der Schraube abwärts folgen
von Bernd Jas am 21.07.2019 um 22:07 Uhr
Herrlich
von Karl Friedrich Müller am 21.07.2019 um 14:30 Uhr
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Apotheker*innen ...
von Reinhard Herzog am 21.07.2019 um 13:12 Uhr
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AW: Apotheker*innen "ohne Ausnahme"
von Christian Giese am 21.07.2019 um 14:04 Uhr
Stundenlohn Notdienst
von Kassensklave am 21.07.2019 um 12:52 Uhr
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Aktuelles
von Dr.Diefenbach am 21.07.2019 um 11:30 Uhr
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AW: Aktuelles und neue Schikanen
von Bernd Jas am 21.07.2019 um 22:30 Uhr
Petition von Herrn Bühler
von Uwe Hüsgen am 21.07.2019 um 10:26 Uhr
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AW: Petition von Herrn Bühler
von Peter Ditzel am 21.07.2019 um 10:56 Uhr
AW: Petition von Herrn Bühler
von Peter Ditzel am 21.07.2019 um 11:00 Uhr
AW: Petition von Herrn Bühler ... Ich bin neu hier ...
von Christian Timme am 21.07.2019 um 17:57 Uhr
Es gibt immer eine Alternative: Plan C…!
von Gunnar Müller, Detmold am 21.07.2019 um 8:58 Uhr
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Weiterarbeiten!
von Ulrich Ströh am 21.07.2019 um 8:57 Uhr
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"Trostloses" für die Sommerpause ...
von Christian Timme am 21.07.2019 um 8:33 Uhr
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Sie haben es wieder getan
von Karl Friedrich Müller am 21.07.2019 um 8:17 Uhr
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AW: Sie haben es wieder getan
von Gabi Umminger am 22.07.2019 um 11:36 Uhr
AW: Sie haben es wieder getan
von Heiko Barz am 22.07.2019 um 13:10 Uhr
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