Einbindung in die integrierte Versorgung

Folgeverordnung und mehr: Neue Kompetenzen für Frankreichs Apotheker

Remagen - 30.07.2019, 14:15 Uhr

Apotheken sollen bei der anstehenden Reform des Gesundheitswesens in Frankreich eine wichtige Rolle spielen. (Foto: jb / DAZ.online)

Apotheken sollen bei der anstehenden Reform des Gesundheitswesens in Frankreich eine wichtige Rolle spielen. (Foto: jb / DAZ.online)


Für die französischen Apotheker stehen in nächster Zeit einige Veränderungen an. Mit neuen Gesetzen, die Präsident Macrons Programm „Ma Santé“ in die Tat umsetzen sollen, bekommen sie mehr Kompetenzen, auch bei der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel.

Im französischen Amtsblatt wurde gestern das „Gesetz zur Organisation und Umgestaltung des Gesundheitssystems“ (Loi relative à l'organisation et à la transformation du système de santé) bekanntgemacht. Es ist Teil der Umsetzung des Plans „Ma santé 2022“, den Präsident Emmanuel Macron im September 2018 vorgestellt hatte. Das Programm soll die Gesundheitsversorgung insgesamt stringenter machen und in den Regionen einen gleichmäßigen Zugang zur Versorgung gewährleisten. Für eine bessere Vernetzung des ambulanten, des stationären und des sozialmedizinischen Sektors setzt die Politik auf den Ausbau integrierter Versorgungsformen, sei es in Form so genannter „territorialer Gemeinschaften der Gesundheitsberufe“ (communautés professionnelles territoriales de santé (CPTS) oder in Form von „Strukturen der koordinierten Versorgung“ (structures d’exercice coordonné), das heißt de facto Gesundheitshäusern oder Gesundheitszentren . Heute gibt es bereits 200 CPTS. Bis zum Jahr 2022 sollen weitere rund 1000 sowie etwa 2000 Strukturen der koordinierten Versorgung hinzukommen

Umsetzung in zwei Etappen

Die Implementierung von „Ma Santé 2022“ beinhaltet mehrere Etappen. Das erste Maßnahmenpaket wurde mit dem Gesetz zur Finanzierung der sozialen Sicherheit für 2019 (Loi de financement de la sécurité sociale (LFSS) pour 2019) von September 2018 festgeschrieben. Die zweite Etappe ist das jetzt bekannt gemachte „Loi des santé“. Den Entwurf hatte die zuständige Ministerin für Solidarität und Gesundheit Agnès Buzyn dem Ministerrat erst  am 13. Februar 2019 vorgestellt. In einem beschleunigten Verfahren wurde das Gesetz in nur sechs Monaten über die parlamentarischen Hürden gebracht. Apotheker sollen bei den Reformen eine wichtige Rolle spielen. Die wichtigsten Neuerungen für den Apothekerberuf und die Praxis in der öffentlichen Apotheke sind folgende:

Kein Numerus clausus mehr und Pflichtfortbildung für Apotheker

Der Zugang zu verschiedenen Studiengängen für die Gesundheitsberufe inklusive dem Pharmaziestudium wird modifiziert. Der Numerus clausus, der den Zugang zum zweiten Jahr des Grundstudiums bestimmt, wird abgeschafft. Statt dessen werden andere Zugangswege eröffnet. Die Anzahl der Pharmazie-Studierenden wird unter Berücksichtigung der Ausbildungskapazitäten und des Bedarfs im Gesundheitssystems zwischen den Universitäten und den regionalen Gesundheitsagenturen abgestimmt. Diese Reform wird mit Beginn des akademischen Jahres 2020 in Kraft treten. Es wird zudem eine Pflichtfortbildung für die Apotheker eingeführt.

Erweiterung der Apothekendefinition

Die Definition der Apotheke wird revidiert, um der Weiterentwicklungen des Offizinapothekers, etwa auf dem Gebiet der pharmazeutischen Betreuung, Impfungen, usw. Rechnung zu tragen. Ein neue Artikel erweitert auch die Definition der pharmazeutischen Beratungstätigkeiten und das Segment der apothekenüblichen Produkte.

Neue Kompetenzen im Rahmen der integrierten Versorgung

Die Apotheker sollen in die genannten territorialen Gemeinschaften der Gesundheitsberufe (CPTS) und in die Strukturen der koordinierten Versorgung eingebunden werden und dabei neue Kompetenzen erhalten.

  • Es wird die Funktion des so genannten „Korrespondenz-Apothekers“ etabliert (pharmacien correspondant). Dieser kann auf Antrag oder mit Zustimmung des behandelnden Arztes als Partner in ein Versorgungsteam (structure d´exercice coordiné) einbezogen werden, In dieser Funktion soll er Rezepte für die Dauerbehandlung chronischer Erkrankungen erneuern oder Dosierungen der Medikation anpassen dürfen.
  • Außerdem sollen Apotheker im Rahmen einer Struktur der koordinierten Versorgung auf der Basis von Protokollen verschreibungspflichtige Arzneimittel für bestimmte dringende Gesundheitsstörungen, wie etwa Blasentzündungen, rezeptieren dürfen.  Die Franzosen lehnen sich dabei an das Schweizer System „netcare“ an. 

Substitution bei Lieferengpässen und Ausweitung der Impfungen

Bei einem Lieferengpass eines Arzneimittels von großem therapeutischem Interesse (MITM), sollen die Apotheker das fehlende Medikament basierend auf Empfehlungen der Arzneimittelbehörde ANSM durch ein anderes ersetzen dürfen.

Die Grippeimpfung durch Apotheker soll von den bisherigen vier Pilotregionen auf die gesamte Impfkampagne 2019/2020 ausgeweitet werden. Außerdem sollen die Apotheker in Zukunft nach Maßgabe einer Liste des Gesundheitsministeriums in Abstimmung mit der Hohen Gesundheitsbehörde (HAS) weitere rezeptpflichtige Impfungen verschreiben dürfen.   

Novum Teleberatung

Das neue „Loi de santé“ passt darüber hinaus den bestehenden Rechtsrahmen an, um den Einsatz der Telemedizin und der Telekommunikation zu gewährleisten. Hierzu wird der Begriff der „Televersorgung“ (télésoin) eingeführt. Damit ist die Fernbetreuung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien gemeint, bei der Apotheker mitwirken können. Zu denken wäre dabei an die Überwachung der Medikation oder die Compliance-Förderung, etc

Die Apotheken sollen für den Service von den Kassen im ersten Jahr eine einmalige Anschaffungsgebühr für das technische Equipment von 1225 Euro und in den Folgejahren jeweils 350 Euro bekommen. Außerdem erhalten sie ein Honorar für die Organisation der Teleberatung. Dieses kann je nach Anzahl der Beratungen pro Jahr bis zu 400 Euro betragen (auf der Basis von fünfzig geschätzten Beratungen).

Kammer hat das Gesetz als treibende Kraft mitbegleitet

In einer Mitteilung betont die französische Apothekerkammer, dass sie das Gesetzgebungsverfahren für das Loi de Santé als „treibende Kraft“ mitbegleitet habe. Der konstruktive Dialog mit den  Parlamentariern habe den Text wesentlich bereichert, heißt es darin. „Wir freuen uns über den Inhalt des Textes“, sagt die Kammerpräsidentin Carine-Wolf-Thal. „Er bringt echte Fortschritte für die Patienten hinsichtlich des Zugangs zur Versorgung, aber auch für die Apotheker, deren Rolle als erste Anlaufstelle in der Primärversorgung damit anerkannt wird.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Moi aussi

von Kerstin Kemmritz am 30.07.2019 um 16:52 Uhr

Na ja, wenn wir unsere noch vorhandene Energie dafür einsetzen, so etwas hier auch zu schaffen, müssen wir nicht auswandern. Guten Wein kann man auch hier trinken. In diesem Sinne: Engagieren wir uns auch hier endlich für Pharmazie in Verantwortung!
A Notre sante!

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mm

von Christiane Patzelt am 30.07.2019 um 14:18 Uhr

je pense à déménager en france...

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