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Fälschungsschutz
Sechs Monate Securpham – eine Zwischenbilanz
Seit einem halben Jahr sind die europaweiten Regelungen zum Fälschungsschutz für Arzneimittel wirksam. Auch in Deutschland muss seit dem 9. Februar 2019 grundsätzlich jede verschreibungspflichtige Arzneimittelpackung, die mit den von der Delegierten Verordnung vorgeschriebenen Sicherheitsmerkmalen ausgestattet ist, von der abgebenden Apotheke verifiziert und ausgebucht werden. Nachdem zu Beginn noch kaum serialisierte Arzneimittelpackungen auf dem Markt waren, setzen sie sich mittlerweile zunehmend durch. Zeit für eine Zwischenbilanz.
Seit dem 9. Februar 2019 gilt die Delegierte Verordnung der Europäischen Kommission über Sicherheitsmerkmale. In Deutschland hatten sich bis zum Stichtag fast alle Systemnutzer – also auch die Apotheken – ihren Zugang zu Securpharm verschafft. In anderen europäischen Ländern sah das anders aus. Und obwohl es im Juni und Juli bereits großflächige Aussetzer gab, ist man sowohl im Bundesgesundheitsministerium (BMG) als auch bei der Stakeholderorganisation Securpharm zufrieden mit dem ersten halben Jahr. Hier wie dort hieß es auf Nachfrage, das System laufe seit seinem Start „weitestgehend stabil“ – die Antwort kam allerdings vor dem jüngsten Vorfall am gestrigen Donnerstag.
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Verbindungsprobleme
Securpharm-Server wieder nicht erreichbar
Anfänglich war das neue Fälschungsschutzsystem allerdings noch kaum gefordert, schlicht weil fast ausschließlich Bestandsware im Markt war. Doch die Anzahl serialisierter Packungen steigt kontinuierlich. Mitte Juli waren laut Securpharm knapp 600 Millionen individuelle Erkennungsmerkmale ins System hochgeladen. „Der Anteil an hochgeladenen Packungsdaten wächst damit schneller als erwartet“, erklärt eine Securpharm-Sprecherin. Das zeige, dass pharmazeutische Unternehmen die neuen Packungen zügig mit den Sicherheitsmerkmalen ausstatten – allerdings bedeute es nicht, dass diese Packungen auch schon im Handel angekommen sind. Doch auch im Handel sei eine steigende Anzahl von Scans zur Überprüfung und Abgabe serialisierter Packungen zu verzeichnen – Mitte Juli waren es pro Woche über 17,5 Millionen Scans, so die Sprecherin.
Die häufigsten Fehlerursachen und was noch zu erledigen ist
Securpharm räumt allerdings auch ein, dass es immer mal wieder zu Auffälligkeiten kommt. Schließlich müssten europaweit Systeme mit teils sehr unterschiedlichem Vorbereitungsgrad zusammengeschaltet werden. Beispiele für die häufigsten Fehlerursachen sind Probleme beim Datenaustausch nationaler Systeme über den EU-Hub oder beim Hochladen der Daten (fehlende oder fehlerhafte Daten). Zudem Softwarefehler in Dritt-Systemen bei der Erkennung der Codierung (zum Beispiel Verwechseln der Reihenfolge der Felder im Data Matrix Code), Benutzungsfehler des Systems beim Hochladen der Daten sowie Konflikte durch Packungen mit indischem Data Matrix Code. Auch die Scanner-Konfiguration kann Probleme bereiten. Securpharm analysiere die Fehler schnellstmöglich, ermittele die Ursachen und veranlasse die Fehlerbehebung, erklärt die Sprecherin. „Wir beobachten die Reaktionen unseres Systems sehr genau und kontinuierlich, um frühzeitig reagieren zu können“ – dabei sei man aber auch abhängig vom EU-Hub.
Behörden-Info läuft noch nicht automatisch
Was noch nicht läuft, ist ein automatisierter Lauf des Behörden-Portals KMS (Konfliktmanagendes System). Hier werden innerhalb des Securpharm-Systems die Daten für die Behörden zur Aufklärung von Fälschungsverdachtsfällen zusammengestellt. Es handelt sich um ein Protokoll, das sämtliche Aktionen (zum Beispiel eine Verifikation) enthält, die mit dem individuellen Erkennungsmerkmal einer Packung durchgeführt wurden. Zudem lässt sich ihm entnehmen, welcher Systemnutzer (zum Beispiel Apotheke oder Großhandlung) diese Aktion durchgeführt hat. Dieser Prüfpfad wird allerdings nur erstellt, wenn eine Warnmeldung als Fälschungsverdachtsfall eingestuft wurde – im Normalfall bleiben die Apotheken anonym. Zuvor werden technische Fehler oder Handhabungsfehler ausgeschlossen. „Wir arbeiten daran, die Lieferung des Prüfpfades an die Aufsichtsbehörden zu automatisieren“, heißt es bei Securpharm. „Zurzeit stellen wir diese Daten auf Anfrage der Aufsichtsbehörden und bezogen auf den einzelnen Fall in einem manuellen Prozess zusammen“.
Offenbar ist dies kein ganz leichtes Unterfangen. Bei der Sitzung des ABDA-Gesamtvorstandes am 22. Mai in Berlin hieß es, der Start des KMS verzögere sich „um weitere vier bis sechs Wochen“. Die Verzögerung mag auch ihre Vorteile haben. Denn bei der Sitzung wurde auch erklärt, die Einführung des KMS könne zur Folge haben, dass die Aufsichtsbehörden aktiver in der Nachverfolgung von Fälschungsverdachtsfällen werden. Die Securpharm-GUI der NGDA, ein Portal, das den Apotheken ermöglicht, den Status ihrer aufgetretenen Fälle nachzuvollziehen, soll übrigens zeitgleich mit dem KMS in Betrieb genommen werden.
Und die Praxis? ABDA weiß nichts von bewussten Verstößen
Doch wie sieht die Securpharm-Praxis in den Apotheken aus? Am gestrigen Donnerstag ging es drunter und drüber – das wurde unter anderem in den Kommentaren von Apothekern in Facebook-Gruppen deutlich. „Nichts klappt“, „chaotische Zustände“ – und niemand helfe, war dort zu lesen. Aber auch: „Wenn der Server klemmt – nicht mein Problem!“ oder der Tipp: „Einfach wegdrücken!“. Auch vor diesem Ausfall gaben sich viele Apotheker gelassen: Entweder der neue Data-Matrix-Code lässt sich scannen, dann ist alles in Ordnung – oder aber er funktioniert nicht, dann kehrt man eben zum altbekannten Strichcode zurück. Dazu passt, was im Ergebnisprotokoll der ABDA-Gesamtvorstandssitzung im vergangenen Mai festgestellt wurde: Trotz mehrfacher Aufrufe gebe es „täglich eine erhebliche Zahl an Apotheken“, die „keine einzige Securpharm-Verifizierung durchführt“. Zur Optimierung des Systems und Minimierung von Fehlern sei es daher „dringend erforderlich, auch die letzten Apotheken zur Nutzung des Systems zu überzeugen“. Auf eine aktuelle Nachfrage bei der ABDA, wie man die Apotheker überzeuge, den „richtigen“ 2-D-Code zu nutzen, erklärte ein Sprecher: „Die ABDA und ihre Mitgliedsorganisationen haben in vielfacher Weise über die neuen Vorgaben der Delegierten Verordnung informiert. Uns ist kein Fall bekannt, in dem jemand bewusst gegen die gesetzlichen Vorgaben verstößt“.
Weiterhin große Herausforderungen für Krankenhäuser
Auch in den Kliniken und ihren Apotheken macht sich Securpharm zunehmend bemerkbar: „Es gibt noch viel Bestandsware, aber der Teil der codierten Arzneimittel nimmt stetig zu“, so ein Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Mit der Zunahme wüchsen die Probleme in den Krankenhäusern – ihre besondere Herausforderung ist bekanntlich, dass sie palettenweise mit Ware beliefert werden. Es gibt zwar verschiedene Möglichkeiten für die erleichterte Umsetzung in den Kliniken. Aber noch habe sich keine Variante etabliert, heißt es bei der DKG. Ein Teil der Hersteller bietet warenbegleitende Datenlieferungen an – doch die Kliniken hätten noch lieber aggregierte Daten, sie seien „der für alle einfachere Weg“. Dazu bedürfe es aber einer Änderung der europäischen Verordnung. Darum bemühe sich die DKG aktiv, so der Sprecher.
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Securpharm als Engpass-Trigger?
Die DKG sieht in Securpharm auch eine Ursache für die ohnehin erheblichen Lieferengpässe in Kliniken: Viele Hersteller hätten Probleme, Packungen zu liefen, die den Securpharm-Anforderungen genügen. Die ABDA sieht dagegen keinen Zusammenhang zwischen Securpharm und den Lieferengpässen der letzten Monate. Zwar räumte etwa der Hersteller der Antibabypille Zoely selbst ein, dass die neuen Vorgaben zum Fälschungsschutz für Lieferprobleme mitverantwortlich waren. Bei der ABDA hieß es jedoch auf Nachfrage: „Uns ist kein Fall bekannt, wo die Vorgaben der delegierten Verordnung zu einem Lieferengpass geführt haben“.
Es zeigt sich also: Das erste halbe Jahr hatte durchaus seine Tücken – auch wenn offiziell immer wieder darauf verwiesen wird, dass das System weitgehend stabil und reibungslos läuft. Bislang mussten die Beteiligten auch noch nicht fürchten, belangt zu werden, wenn eine Ausbuchung möglicherweise nicht so funktioniert wie sie soll. Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sollen allerdings Bußgeld-Tatbestände im Arzneimittelgesetz etabliert werden – und die sind schärfer als die jetzt schon in der Apothekenbetriebsordnung vorgesehenen. Ab wann die Aufsicht wirklich aktiv wird, muss sich zeigen. Noch ist weder der ABDA noch der DKG ein Fall bekannt, in dem die Nutzung des Securpharm-Systems Bestandteil einer behördlichen Überprüfung war. Die ABDA weist allerdings auch darauf hin, dass dies Ländersache sei und sich Informationen hierzu nur regional erheben lassen.
6 Kommentare
Hofberichterstattung in D
von ratatosk am 11.08.2019 um 13:22 Uhr
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Holger, Bernd und Friedrich
von Dr Schweikert-Wehner am 09.08.2019 um 21:34 Uhr
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bringt nix.
von Karl Friedrich Müller am 09.08.2019 um 10:23 Uhr
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Gut gedacht- Ziel verfehlt
von Dr. Berthold Pohl am 09.08.2019 um 8:46 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Nix da
von Holger am 09.08.2019 um 13:57 Uhr
AW: Gut gedacht- Ziel verfehlt
von Dr. Schweikert-Wehner am 09.08.2019 um 21:17 Uhr
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