TK-Zahlen

Immer weniger junge Frauen verhüten mit der „Pille“

Stuttgart - 16.08.2019, 12:45 Uhr

Der Anteil der Frauen zwischen 16 und 19 Jahren, die mit der Antibabypille verhüten, geht immer weiter zurück. ( r / Foto:  khwaneigq / stock.adobe.com)                              

Der Anteil der Frauen zwischen 16 und 19 Jahren, die mit der Antibabypille verhüten, geht immer weiter zurück. ( r / Foto:  khwaneigq / stock.adobe.com)                              


Immer weniger junge Frauen nehmen offenbar die „Pille“. Das geht aus Zahlen hervor, die die Techniker Krankenkasse anlässlich des am Sonntag stattfindenden Tages der Antibabypille vorgelegt hat. Außerdem zeigt die Auswertung, dass Frauen zwischen 16 und 19 Jahren etwas häufiger Pillen der dritten und vierten Generation verordnet bekommen als Pillen der ersten und zweiten Generation, die eigentlich für Erstanwenderinnen aufgrund des geringeren Thromboserisikos empfohlen werden.

Die Techniker Krankenkasse (TK) hat Routinedaten zu Verordnungen der Antibabypille ausgewertet. Demnach geht der Anteil der Frauen zwischen 16 und 19 Jahren, die mit der Antibabypille verhüten, immer weiter zurück. Da bis vor kurzem bis zum 20. Geburtstag Kontrazeptiva von der Kasse erstattet wurden (mittlerweile bis zum vollendeten 22. Lebensjahr), liegen für diese Altersgruppe genaue Zahlen vor. So bekamen 48 Prozent der TK-versicherten Frauen zwischen 16 und 19 Jahren im vergangenen Jahr orale Kontrazeptiva verordnet. In den Jahren 2013 und 2014 waren es noch 60 Prozent. Am stärksten zurückgegangen sind die Pillenverordnungen laut der Auswertung bei den 19-Jährigen. So bekamen 2013 noch 74 Prozent mindestens ein Kontrazeptivumrezept, 2018 waren es nur noch 59,5 Prozent. Mögliche Gründe für den Rückgang benennt die TK nicht.

Die Daten zeigen aber auch, dass die TK-versicherten jungen Frauen häufiger Pillen der neueren Generation nehmen – 48 Prozent bekamen demnach ein Präparat der dritten oder vierten Generation verschrieben. 46 Prozent nahmen ein Kontrazeptivum der ersten oder zweiten Generation. Seit 2014 gibt es, resultierend aus einer europäischen Risikobewertung, die Empfehlung, dass Ärzte insbesondere für Erstanwenderinnen bevorzugt Pillen mit einem geringeren Risiko für die Bildung von Thrombosen und Embolien verschreiben sollen. Als risikoarm gelten Präparate mit Levonorgestrel, Norethisteron und Norgestimat, also die der ersten und zweiten Generation.

Drospirenon in der Kritik

Allerdings gab es innerhalb der Pillen der dritten und vierten Generation den TK-Daten zufolge einen starken Rückgang bei den drospirenonhaltigen Präparaten. „Wir sehen, dass über alle Altersgruppen bis 19 Jahre nur noch weniger als 2 Prozent der Anwenderinnen eine Pille mit Drospirenon verordnet bekommen, 2010 waren es noch 18 Prozent. Das ist aus unserer Sicht eine positive Entwicklung“, erklärt Tim Steimle, Apotheker und Fachbereichsleiter Arzneimittel bei der TK. Einen ähnlichen Trend zeigten bereits 2018 GKV-Verordnungsdaten, die das Wissenschaftliche Institut der AOK ausgewertet hat.

Drospirenon stand wegen eines erhöhten Thromboserisikos besonders in der öffentlichen Kritik, vor allem wegen einer seit Jahren andauernden juristischen Auseinandersetzung um möglicherweise schädigende Wirkungen der „Yasminelle®“, die Drospirenon als Gestagenkomponente enthält – eine junge Frau, die im Juli 2009 eine beidseitige Lungenembolie sowie einen Kreislaufzusammenbruch mit Herzstillstand erlitten hatte und die Pille dafür verantwortlich macht, klagt seit 2011 gegen Bayer. Bayer hat das Präparat früher vertrieben. 

TK kritisierte bereits 2015 Verordnung von „Lifestyle-Pillen“

Bei anderen Gestagenen der dritten und vierten Generation war die Kritik vielleicht weniger öffentlich und medienwirksam, aber durchaus vorhanden. Bereits 2015 hatte die TK kritisiert, dass die Pillen der neueren Generation mit einem gewissen Lifestyle in Verbindung gebracht und vermeintliche Effekte für Haut und Haare in den Vordergrund gerückt wurden. „Auch wenn die Kampagnen mittlerweile angepasst sind, zeigen die neuen Zahlen, dass das Thema noch lange nicht vom Tisch ist. Weil neu nicht immer auch besser heißt, sollte die gesellschaftliche Diskussion weitergehen“, sagt TK-Chef Dr. Jens Baas. Und Tim Steimle ergänzt: „Die Pille verhütet sicher vor einer ungewollten Schwangerschaft, ist aber auch ein Medikament mit Nebenwirkungen und kein Lifestyle-Präparat. Deshalb ist uns wichtig, dass junge Frauen gemeinsam mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin Risiken besprechen und abwägen."

Mehr zum Thema

Ende 2018 gab es einen Rote-Hand-Brief zu Dienogest

Während Drospirenon, aber auch Desogestrel und Gestoden schon lange mit einem höheren Risiko für Embolien und Thrombosen in Verbindung gebracht werden, konnte bei neueren Gestagenen wie Dienogest (zum Beispiel in Valette® und Maxim®) das Langzeitrisiko erst Ende 2018 abschließend bewertet werden. Bis dahin galt es als unklar. Hersteller Jenapharm teilte dann im Dezember per Rote-Hand-Brief mit, dass nun neue Erkenntnisse vorliegen. Eine Metaanalyse, die vier Beobachtungsstudien umfasste, kam zu dem Ergebnis, dass Pillen mit Dienogest und Ethinylestradiol mit einem leicht erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) im Vergleich zu Präparaten mit Levonorgestrel als Gestagenkomponente in Zusammenhang gebracht werden. Dieses „leicht erhöhte“ Risiko wurde auch beziffert, nämlich mit 1,6-fach. Ob sich das in den Verordnungszahlen 2019 widerspiegelt, bleibt abzuwarten.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.