DAZ.online-Themenwoche

Krankenkassen fordern E-Rezept-Pflicht für Ärzte und Patienten

Berlin - 22.08.2019, 17:40 Uhr

Der GKV-Spitzenverband wünscht sich einen harten Umbruch zwischen Papierrezept und E-Rezept, sagt aber auch, dass Wettbewerb im Verordnungsweg nichts zu suchen hat. (c / Foto: Sket)

Der GKV-Spitzenverband wünscht sich einen harten Umbruch zwischen Papierrezept und E-Rezept, sagt aber auch, dass Wettbewerb im Verordnungsweg nichts zu suchen hat. (c / Foto: Sket)


Durch die Einführung des E-Rezeptes wird sich auch für die Krankenkassen einiges ändern: Die Verordnungen werden weniger fehleranfällig, Retaxationen dürften abnehmen. Außerdem wird die Abrechnung mit Apothekern komplett digitalisiert. DAZ.online hat beim GKV-Spitzenverband nachgefragt, was den Kassen bei der Einführung des E-Rezeptes wichtig ist. Im Gegensatz zu Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) setzen die Kassen auf einen harten Systembruch: Irgendwann müsse es eine Pflicht für Ärzte und Patienten geben, E-Rezepte zu nutzen. Der AOK-Bundesverband wünscht sich zudem, dass Versandhändler nicht benachteiligt werden.

An der Einführung des E-Rezeptes arbeiten nicht nur die Apotheker. Auch die Krankenkassen sind gleich an mehreren Stellen involviert. An erster Stelle spielen die Kassen eine wichtige Rolle in der Gematik, wo alle Leistungserbringer, die Kassen und das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam die Prozesse der Digitalisierung festlegen. Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) wurde die Gematik kürzlich beauftragt, alle für das E-Rezept nötigen Spezifikationen und Versorgungswege bis Ende Juni 2020 festzulegen.

Aber schon jetzt sind einige Krankenkassen im Bereich der digitalen Verordnungen aktiv: Die TK hat sich in Hamburg ein eigenes E-Rezept-Netz aufgebaut, in dem bislang eine Apotheke und eine Arztpraxis E-Rezepte nutzen. Und in Baden-Württemberg tüfteln Apotheker, Ärzte und Krankenkassen derzeit gemeinsam am GERDA-Projekt. Schon länger laufen dort Verhandlungen zwischen den Apothekern und den Kassen, in denen beispielsweise die Abrechnung der E-Rezepte geklärt wird.

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Grund genug, auch beim GKV-Spitzenverband (GKV-SV) nachzufragen, welche Prämissen die Kassen bei der Einführung des E-Rezeptes haben. Eine Sprecherin stellt zunächst klar, dass der Kassenverband digitale Verordnungen grundsätzlich begrüßt. Denn:


Durch die Digitalisierung der Arzneimittel-Verordnungen werden die heute noch bestehenden Medienbrüche (Papierrezept – elektronische Verarbeitung) verhindert. Hierdurch kann die Datenqualität über den gesamten Prozess von der Verordnung, über die Abgabe bis hin zur Abrechnung hinweg verbessert werden. Zum einen werden unklare Verordnungen und hierdurch bedingte Klärungen mit dem verordnenden Arzt reduziert. Zum anderen können auch Fehlerquellen in den nachfolgenden Prozessschritten vermieden werden. Patienten profitieren davon durch eine höhere Versorgungsqualität und mehr Sicherheit.“

Sprecherin des GKV-Spitzenverbandes


An einer Stelle läuft die Meinung des GKV-SV allerdings mit der Politik auseinander. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte bislang immer angegeben, dass er zunächst keine Pflicht einführen will, E-Rezepte zu nutzen – Patienten sollten frei wählen können. Die Kassen wollen hier allerdings einen harten Umbruch, weil der Mehrwert des E-Rezeptes nur zum Tragen kommen könne, „wenn es kein dauerhaftes Nebeneinander von Papierrezept und elektronischem Rezept gibt“, so die Verbandssprecherin. Denn: „Ein Parallelbetrieb hätte erhebliche Auswirkungen auf die Durchführbarkeit, Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit des E-Rezepts. (…) Das E-Rezept muss nicht nur für den Versicherten verpflichtend sein, sondern auch für die Ärzte.“ Aus Sicht des GKV-SV ist das E-Rezept für den Versicherten eine gesetzlich vorgegebene Pflichtanwendung. Allerdings schlägt der Kassenverband Übergangsregelungen vor, also Fristen, in denen noch beide Verordnungswege möglich sind.

GKV-SV: einheitlicher Verordnungsweg!

Immerhin: Mit den Apothekern dürfte sich an einer für die Pharmazeuten wichtigen Stelle wenig Konfliktpotenzial ergeben. ABDA-IT-Chef Sören Friedrich hatte erst kürzlich im DAZ.online-Interview klargestellt, dass es eine feste und einheitliche Basistechnologie für das Übermitteln des E-Rezeptes geben müsse, also keinen Wettbewerb. Die Kassen sehen das ähnlich. „Für die Übermittlung des E-Rezepts ist zwingend eine technische Lösung erforderlich, die auf einheitlichen Vorgaben basiert. Denn nur so kann eine flächendeckende Interoperabilität und ein einheitliches Sicherheitsniveau gewährleistet werden“, so die Verbandssprecherin. Spielraum für Wettbewerb sieht der GKV-SV allerdings bei den Komponenten, die die Apotheker zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) benötigen, wie etwa die Konnektoren.

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Interessant ist auch, dass die Kassen wohl etwas Bauchschmerzen mit den Fristen haben, die der Gesetzgeber für die Einführung des E-Rezeptes plant beziehungsweise einführen will. Was die Anbindung aller(!) Apotheken bis Ende September 2020 an die TI betrifft, erklärt die GKV-Sprecherin, dass die Frist keinen „Spielraum für Verzögerungen“ biete. So wie ABDA-IT-Chef Sören Friedrich meint auch der GKV-SV, dass sehr viel von der Industrie abhänge. Und weiter: „Auch die an die Gematik gerichtete Frist, bis zum 30.06.2020 die Festlegungen für das E-Rezept zu treffen, ist aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sehr herausfordernd.“

AOK-BV: Patienten sollen zwischen Apothekern und Versendern entscheiden

Auch der AOK-Bundesverband hat sich gegenüber DAZ.online geäußert. Unter anderem ist der AOK-Gemeinschaft wichtig, dass sich Versicherte zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern entscheiden können. Das wörtliche Statement von Dr. Sabine Richard, im AOK-BV verantwortlich für den Versorgungsbereich, lautet:


Das Rezept ist die wichtigste Verordnung im Gesundheitswesen. Und seine Digitalisierung ein sinnvoller nächster Schritt für die Patientinnen und Patienten. Vor ein paar Tagen ist das GSAV in Kraft getreten und damit auch der Auftrag an die gemeinsame Selbstverwaltung gegangen, innerhalb von sieben Monaten die notwendigen Regelungen für das E-Rezept zu schaffen. Oberste Priorität hat für uns, dass die Patienten eine niedrigschwellige Lösung erhalten und frei entscheiden können, ob und in welche Apotheke sie vor Ort gehen oder ob sie das Rezept im Versandhandel einlösen. Außerdem muss das E-Rezept ihnen einen schnelleren Zugang zu ihren Medikamenten bieten als bisher. Das heißt, es darf nicht darauf hinauslaufen, analoge Abläufe einfach eins zu eins in der digitalen Welt abzubilden. Langfristig gehe ich davon aus, dass sich das Gesundheitssystem vollständig auf digitale Verordnungsprozesse umstellt. Der Papierprozess ist fehleranfällig und teuer.“

Dr. Sabine Richard, Versorgungschefin AOK-Bundesverband




Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Digitalisierung um jeden Preis

von Peter F. am 09.10.2019 um 12:18 Uhr

Meinen Vorschreibern kann ich mich nur anschließen in puncto Sicherheit sowie Sinnhaftigkeit.
Das E-Rezept wird zwangsläufig dazu führen, dass die Krankenkassen Personal "abbauen", wie es so verniedlichend genannt wird.
Klartext ist: wieder wird eine Automatisierungswelle dazu führen, viele Menschen um Lohn und Brot zu bringen.
In letzter Konsequenz bestünde eine Krankenkasse nur noch aus einigen IT-lern sowie einem überproportional bezahlten Vorstand.
Unser Gesundheitswesen muss erst einmal wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden, wobei in einem ersten Schritt gesetzlich dafür gesorgt wird, dass ALLE ihren Beitrag leisten.
Private Kassen gerne für diejenigen, die Luxusbehandlungen wollen. Aber nur als Zusatzversicherung.
Eine gewaltige Kostendämpfung ist auch bei den Arzneimittelpreisen und ebenso extrem bei den Heilmitteln möglich.
Ein paar gebogene Alurohre und etwas Textil, Rollator genannt, begründet keine Preise um die 400,- €.

Wie ein Vorschreiber bereits bemerkte sind E-Rezepte auf dem Land eine Farce.
Die abhängigste Klientel - die Senioren - werden schlicht übergangen.
Viele oder wohl die meisten haben mit Handy und Co. Probleme, Berührungsängste oder sind einfach nicht in der Lage, damit umzugehen.

Der Mensch denkt und lebt analog, das ist Natur.
Die mittlerweile in immer mehr Bereichen regelrecht erzwungene Digitalisierung des Alltags ist daher unmenschlich!

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Umsetzung fragwürdig

von Erik am 24.08.2019 um 11:39 Uhr

Jedes IT-Projekt dieser Größenordnung war offenbar bislang eine Katastrophe. Neustes Beispiel? Das "Besondere elektronisches Anwaltspostfach" - ein Alptraum aus Datenschutz- und Sicherheits-Aspekten. Näheres dazu in der IT-Presse (z.B. Heise/Golem).

Und dann sollen die sensibelsten Personen-Daten "mal eben so" verpflichtend per E-Rezept und Patientenakte austauschbar und online sein? Da können sich doch nur Kriminelle drauf freuen.

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noch was

von Karl Friedrich Müller am 23.08.2019 um 10:46 Uhr

wie !! bitte soll eine e Rezept Pflicht auf dem Land umgesetzt werden?
Strukturen, die es noch nicht gibt und wahrscheinlicch auch nie geben wird, werden glatt ignoriert.
In was für einer Blase leben die Kassenbosse und GKV eigentlich?
Mal eben alle Leute auf dem Land von der Versorgung ausschließen?
Blöd blöder saublöd

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einfach mal die Schnauze halten....

von Karl Friedrich Müller am 22.08.2019 um 18:12 Uhr

"Außerdem muss das E-Rezept ihnen einen schnelleren Zugang zu ihren Medikamenten bieten als bisher."
" Der AOK-Bundesverband wünscht sich zudem, dass Versandhändler nicht benachteiligt werden."

Mit den Sprüchen kann ich nichts anfangen. Was heißt "schneller". Der Patient geht mit dem Rezept in die Apotheke und bekommt sein Medikament. Was soll noch schneller gehen? Spielen ein paar Minuten, die ein e Rezept "schneller" wäre, eine Rolle? Beim Versender? der sowieso dann höchst ANALOG "versendet"? das ist auf jeden Fall langsamer, auch wenn er das Rezept "schneller" hat.
Was sind das für blödsinnige Kriterien? Dummes Geschwätz!! Ebenso das Märchen, das hier wieder aufgewärmt wird, von der "Behinderung" der Versender.
Die werden UNERTRÄGLICH bevorzugt! Mit Geld, das sie einfach so bekommen, wir müssen es VERDIENEN! Mit den ganzen gerichtlichen und politischen Entscheidungen, UNERTRÄGLICH bevorzugt!
Hier wird ein oberblöder Quatsch verbreitet, um mal wieder dumme Entscheidungen zu erzwingen und zu rechtfertigen.
VERSENDER - nur darauf läuft es hinaus.
Widerlich.

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