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Versorgungsatlas-Studie des ZI
Niedergelassene Ärzte verordnen weniger Antibiotika
Die Antibiotikaverordnungen durch niedergelassene Ärzte sind in den letzten Jahren in ganz Deutschland signifikant zurückgegangen – für alle Altersgruppen. Das geht aus der Versorgungsatlas-Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) hervor. Ein Grund dafür könnten die zahlreichen bundesweiten „Antibiotic Stewardship“-Initiativen in Deutschland sein, heißt es in einer Mitteilung anlässlich der Veröffentlichung der Studie am gestrigen Mittwoch.
Niedergelassene Ärzte in Deutschland verschreiben deutlich weniger Antibiotika als noch 2010. Das berichtet das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) am gestrigen Mittwoch anlässlich der Veröffentlichung der Versorgungsatlas-Studie. So wurden 2010 zulasten der GKV noch 562 Verordnungen über Antibiotika pro 1000 Versicherte ausgestellt, 2018 waren es nur noch 446. Das entspricht einem Rückgang von 21 Prozent. Fast zwei Drittel aller Antibiotikaverordnungen wurden durch Allgemeinmediziner beziehungsweise Hausärzte ausgestellt. Die nächstniedrigeren Verordnungsanteile in 2018 entfielen auf Kinder- und Jugendmediziner (8,4 Prozent) und HNO-Ärzte (5,3 Prozent).
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Rückgang bei Kindern besonders stark
Besonders stark ist der Rückgang, der alle Altersgruppen betrifft, bei Kindern. Demnach hat sich bei Neugeborenen und Säuglingen (0 bis ein Jahr) die Zahl der Verordnungen fast halbiert: Von relativ hohen 630 Verordnungen pro 1000 Versicherten im Jahr 2010 auf 320 Verordnungen im Jahr 2018 (-49 Prozent). Am meisten Antibiotika bekamen und bekommen die 2- bis 5-Jährigen. Auch hier gab es einen starken Rückgang der Verordnungen um 44 Prozent. Bei den 10- bis 14-Jährigen sank die Zahl um 41 Prozent.
Der deutliche Rückgang des Antibiotikagebrauchs bei allen Kindern zeige einen tiefgreifenden Wandel in der pädiatrischen Versorgung, schreibt das Zentralinstitut. Ein Grund könnten die zahlreichen bundesweiten Initiativen für einen angemessenen Antibiotikaeinsatz („Antibiotic Stewardship“) sein, an denen teilweise auch Apotheker beteiligt sind.
Rückgang bei fast allen Wirkstoffgruppen
Regional variierte die Verordnungsrate im Jahr 2018 sehr stark. So gab es im Saarland mit dem höchsten Antibiotika-Verbrauch (572 Verordnungen pro 1000 Versicherte) eine um 1,8 Mal höhere Rate als in Sachsen mit der niedrigsten Rate (317). Insgesamt war die Verordnungsrate in den alten Bundesländern im Schnitt höher als in den neuen. Diese starken Unterschiede in den Verordnungsraten unterstreichen nach Ansicht des ZI die Bedeutung regional zugeschnittener Programme der KV-Bereiche zur Förderung eines rationalen Antibiotikaeinsatzes.
Laut ZI konnte dieser deutlich rückläufige Verbrauchstrend zwischen 2010 und 2018 für die überwiegende Zahl der eingesetzten Wirkstoffgruppen beobachtet werden, am deutlichsten für Tetracycline (-44 Prozent, RR: 0,93), Fluorchinolone (-41 Prozent, RR: 0,94) und Sulfonamide/Trimethoprim (-37 Prozent, RR: 0,94).
Doch Luft nach oben gibt es anscheinend immer noch. So bezeichnete erst im Mai dieses Jahres das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) es als „alarmierend", dass Ciprofloxacin, Levofloaxin und weitere Fluorchinolone mitnichten nur als Reserveantibiotika eingesetzt werden. Trotz aller Warnungen und Restriktionen seitens der US-Arzneimittelbehörde FDA und der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA verordnen Ärzte Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone nach wie vor zu unkritisch, kritisiert das WIdO. 140 vermeidbare Todesfälle und 40.000 zusätzliche Nebenwirkungen gehen einer Untersuchung zufolge 2018 auf das Konto einer unkritischen ärztlichen Verordnung von Fluorchinolonen.
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Zwei Wirkstoffgruppen mit Zuwachs
Ausschließlich die zwei Wirkstoffgruppen Aminopenicillinkombinationen/ Staphylokokkenpenicilline und Nitrofurantoin/ Fosfomycin/ Nitroxolin zeigten Zunahmen der Verordnungsrate von 2010 bis 2018. In beiden Fällen fiel der jeweilige Anstieg deutlich aus, wobei insbesondere Nitrofurantoin/ Fosfomycin/ Nitroxolin mit einer relativen Veränderung von +175 Prozent über den Beobachtungszeitraum eine substanzielle Erhöhung der Verordnungsrate aufwiesen. Das könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass ab dem Jahr 2012 Fosfomycin und Nitrofurantoin als Standardtherapeutika bei unkomplizierten Harnwegsinfekten empfohlen wurden und Cotrimoxazol diesbezüglich ablösten.
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