Erhöht die neue Quote den Importanteil?

Ein Erklärungsversuch für die steigenden Importabsätze

Süsel - 10.09.2019, 13:00 Uhr

Woher kommen die steigenden Absatzzahlen bei den Importeuren? DAZ-Autor Dr. Thomas Müller-Bohn fragt sich in einer Analyse, inwiefern dafür die neue Importquote verantwortlich ist. (Foto: VAD)

Woher kommen die steigenden Absatzzahlen bei den Importeuren? DAZ-Autor Dr. Thomas Müller-Bohn fragt sich in einer Analyse, inwiefern dafür die neue Importquote verantwortlich ist. (Foto: VAD)


Im Juli sind die Absätze der Importarzneimittel offenbar überproportional gestiegen. Der zeitliche Zusammenhang spricht für den neuen Rahmenvertrag als naheliegende Ursache. Doch welche Klausel ist verantwortlich? Neben der Begünstigung der Importe im pseudogenerischen Markt ist die neue Importquote ein weiterer Kandidat. Da sich die Berechnungsweise komplett verändert hat und eine einfache Umrechnung nicht möglich ist, ergibt sich dieser Erklärungsansatz erst durch etwas Nachrechnen.

Nach den jüngsten Daten von IMS Pharma Scope stieg der Absatz der Importe im Juli deutlich mehr als sonst zu Beginn eines Quartals. Auch weitere Vergleichszahlen sprechen für einen deutlichen Zuwachs bei den Importen (siehe „Importmarkt wächst überproportional - liegt das am Rahmenvertrag?“). Als Erklärung liegen die Folgen des neuen Rahmenvertrags für den pseudogenerischen Markt nahe. Denn sofern kein Rabattvertrag gilt, muss dort nach den Regeln des generischen Marktes eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel abgegeben werden - und dies ist oft ein Import.

Früher: 5 Prozent Umsatzanteil

Doch spricht einiges dafür, dass auch die veränderte Importquote eine Ursache ist. Dazu ist zunächst ein Blick auf die „alte“ Importquote nötig. Nach dem „alten“ Rahmenvertrag mussten die Apotheken 5 Prozent ihres Umsatzes (bezogen auf jede einzelne Krankenkasse) mit Importarzneimitteln erzielen. Die 5 Prozent wurden also als Anteil an allen Umsätzen mit der jeweiligen Krankenkasse ermittelt. Dazu zählten auch Rabattvertragsarzneimittel und solche Arzneimittel, zu denen gar keine austauschbaren Importe existieren. Obwohl in vielen Fällen also ein Austausch durch Importe unzulässig oder unmöglich war, gingen diese in die Berechnung ein. Bei wie vielen Verordnungen ein Austausch überhaupt möglich war, fiel damit unter das Risiko der Apotheke, die dies aber nicht steuern konnte. Zugleich blieb offen, wie viel damit gespart wurde. Darum erschien diese Situation für Apotheken und Krankenkassen unbefriedigend.

Heute: 2 Prozent Einsparziel

Die „neue“ Importregelung wird daher ganz anders definiert. Sie ist als Einsparziel von 2 Prozent des Umsatzes im „importrelevanten Markt“ festgelegt. Es ist also gar keine „Quote“ im Sinne eines Umsatzanteils mehr, sondern ein einzusparender Prozentsatz von einem Geldbetrag. Die Bezugsgröße ist nun der Umsatz, der tatsächlich durch Importe ersetzt werden kann und darf. Darum können und müssen Hinderungsgründe wie pharmazeutische Bedenken oder die Nicht-Verfügbarkeit nun auch in diesen Fällen dokumentiert werden, damit sie nicht auf den importrelevanten Markt angerechnet werde

Rechenbeispiel: Arzneimittel über 300 Euro

Die Folgen dieser Regelung werden anhand der Arzneimittel mit Preisen über 300 Euro deutlich. Dann greift die neue Preisgünstigkeitsklausel. Danach gilt ein Import bei einem Preis über 300 Euro als preisgünstig, wenn er mindestens 5 Prozent billiger als das Original ist. Für eine Beispielrechnung soll angenommen werden, dass die Importeure den Preis genau an dieser Schwelle festlegen. Dann müssten 40 Prozent der Arzneimittel im importrelevanten Markt Importe sein, um 2 Prozent des Umsatzes einzusparen. Für Arzneimittel mit Preisen unter 300 Euro ergeben sich andere Rechnungen und geringere Anforderungen. Doch die Betrachtung beschränkt sich hier auf die Arzneimittel mit Preisen über 300 Euro, weil unzureichende Importabgaben in diesem Bereich nur durch die Abgabe von sehr viel mehr Importen bei billigeren Arzneimitteln kompensiert werden könnten.

Apothekenindividuelle Rechnung nötig

Daraufhin stellt sich die Frage: Was ist mehr? 5 Prozent vom gesamten GKV-Umsatz oder 40 Prozent von den Arzneimitteln mit Preisen über 300 Euro, die tatsächlich durch Importe substituiert werden können? Die Frage kann nur für jede Apotheke und jeden Erfassungszeitraum getrennt betrachtet werden. Dabei ist zu bedenken, dass viele Rabattvertragsgenerika mit sehr niedrigen Preisen gegenüber ein paar hochpreisigen patentgeschützten Arzneimitteln bei einer Umsatzbetrachtung nur wenig ins Gewicht fallen. Insbesondere bei vielen Verordnungen über relativ hochpreisige Produkte ohne Rabattverträge, können 40 Prozent davon sehr viel sein. Wenn solche Produkte 20 Prozent des Umsatzes (nicht des Absatzes!) mit der GKV ausmachen, entsprechen 40 Prozent davon bereits 8 Prozent des gesamten GKV-Umsatzes. Eine solche Apotheke müsste allein aufgrund dieser Produkte 8 Prozent ihres GKV-Umsatzes in Form von Importen abgeben - statt der früheren 5 Prozent.

Oder anders gerechnet: Sobald Arzneimittel mit Preisen über 300 Euro ohne Rabattvertrag mindestens 12,5 Prozent des GKV-Umsatzes ausmachen, ergibt sich allein daraus die Verpflichtung, mindestens 5 Prozent des Umsatzes in Form von Importen abzugeben, sofern diese Importe nur die Mindesteinsparung gemäß der neuen Preisgünstigkeitsklausel bieten. Die Verpflichtungen aus den niedrigeren Preisklassen kommen noch dazu. Dies spricht dafür, dass auch die neue Importquote zumindest in einigen Apotheken zum vermehrten Absatz von Importen beiträgt. Noch stärker als auf den Absatz müsste dies jedoch auf den Umsatz wirken. Diese Daten bleiben abzuwarten.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Ganz anderer Ansatz?

von Tobias Kast am 11.09.2019 um 7:43 Uhr

Ich muss zugeben:
Mein erster Gedanke war ein ganz anderer (obwohl mir die Aussagen von vermuteter Übererfüllung etc bekannt waren);
In zumindest einer Apotheken-Software sieht der Dialog für die 4-günstigsten (Generikamarkt - also Abgabeverpflichtung) quasi identisch aus, wie der Dialog für den Importmarkt.

Interessant wäre demnach zu wissen, wie die Dialoge der unterschiedlichen Software-Häuser im Vergleich aussehen - und ob die Steigerung im Markt evtl auf eine Untermenge der Apotheken eingrenzbar ist (die evtl mit der entsprechenden Software arbeiten - wenn die anderen Softwarehäuser die Situation besser gelöst haben).

Wenn das Kind "vorne" eh schon in den Brunnen gefallen ist und der Import bestellt wurde (obwohl evtl sogar das Original an Lager ist), wird die Uhr wohl nur in den seltensten Fällen zurückgedreht.

In einem überkomplexen Markt in dem viele Teilnehmer zunehmend an der Grenze zur Überlastung (um nicht zu sagen Überforderung) stehen, ein gewisser Anteil den "wirtschaftlichen Fragen" eine deutlich niedrigere Bedeutung beimisst als den "Pharmazeutisch-fachlichen" und zudem noch ein sehr hoher Teilzeit-Anteil mit teils sehr niedrigen Stundenzahlen besteht, könnte ich mir das durchaus als "Schulungs-Defizit" erklären, welches nun langsam aufgearbeitet wird.


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Ahnungslose Verordner in Verbindung mit dem Preisanker

von Andreas Grünebaum am 10.09.2019 um 18:43 Uhr

Leider häufen sich bei uns die namentlichen Verordnungen von meist nicht lieferbaren Importen, da die Verordner - oder besser ihre Sprechstundengehilfinnen - ohne Kenntnis der Sachlage grundsätzlich den billigsten Eintrag in der Liste anwählen. Während in der Vergangenheit mal eben eine mögliche Differenztaxe von 15 Cent in Kauf genommen wurde, schwebt nun das Damoklesschwert des Vollabzuges über unseren Häuptern. Hand aufs Herz, welcher Arzt möchte sich tagtäglich von diversen Apothekern über die Verfügbarkeit oder nicht Verfügbarkeit von Importarzneimitteln belehren lassen? Oft fehlt dort auch die Kenntnis, welches überhaupt das Originalpräparat ist und welche möglichen Ersparnisse durch die Auswahl eines vermeintlich billigeren Importes möglich wäre. Ahnungslose Verordner in Verbindung mit dem Preisanker und möglicher Nullretax sind somit derzeit zumindest unser Hauptproblem.

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@ Jörg Geller

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 10.09.2019 um 16:02 Uhr

Danke für Ihren interessanten Kommentar. Es freut mich, wenn endlich eine Diskussion in Gang kommt, wie man die Effekte der neuen Quote bewerten kann.
Die gestrige Meldung über den Absatzanstieg im Juli war für mich nur der Anlass. Ein Rückgang im August ändert daran nichts, weil der jeweils erste Monat im Quartal üblicherweise stärker ist.
Doch es geht mir grundsätzlich um die Folgen der Quote. Dafür erscheinen mir die Packungen über 300 Euro besonders wichtig. Die sind zwar eine Minderheit, aber aufgrund ihres hohen Wertes sind sie in einer umsatzbezogenen Betrachtung besonders wichtig. Und das Entscheidende: Wenn man in diesem Bereich die Quote nicht erfüllt, kann man das in anderen Bereichen praktisch nicht mehr kompensieren. Darum sollte eine Abschätzung des Mindesteffektes in diesem Bereich beginnen. Dass die anderen Bereiche weniger problematisch sind, ändert daran nichts.
Und zur doppelten Regelung: Ganz so problematisch erscheint mir das nicht. Denn ein Produkt, das den Mindestabstand nicht erfüllt, würde zum Einsparziel sowieso wenig beitragen. Solche Produkte würden die Rechnerei in den Apotheken sogar noch mehr erschweren.

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AW: @ Jörg Geller

von Jörg Geller am 10.09.2019 um 16:41 Uhr

Eine sachgerechte Diskussion hatte ich Ihrem Haus immer angeboten. Es sind nicht wir, die weniger an Fakten als an Stimmungsmache interessiert sind.
Um die Effekte einer gänzlich neuen Regelung zu bewerten, ist naturgemäß ein Monat nicht ausreichend. Man muss den Markt wenigstens ein Quartal beobachten, um Auswirkungen sachgerecht beurteilen zu können.
Eine Wiederholung der Darstellung zu der angeblichen Bedeutung hochpreisiger Packungen macht diese nicht richtiger. Wie gesagt, es kommt darauf an, wie das von einer einzelnen Apotheke vertriebene Sortiment aussieht. Wenn hochpreisige Produkte in einzelnen Apotheken eine sehr große Bedeutung haben und durch preisgünstige Importe zu ersetzen sind, dann mögen Sie Recht haben. In der typischen Apotheke sehen die Verhältnisse allerdings ganz anders aus. Wir haben zahlreiche Kunden, die ohne eine Änderung des Abgabeverhaltens die 2 % Einsparung längst überschritten haben.
Ihre Bemerkung, daß Produkte, die den willkürlich gesetzten Preisabstand nicht einhalten, zur Ersparnis wenig beitragen, sollten Sie inhaltlich noch einmal überdenken. Wenn ein Produkt für 99 € einen Preisabstand von 12 % statt der geforderten 15% Preisabstand bietet, trägt es stärker zur relativen Ersparnis bei, als das von Ihnen zitierte Präparat zum Preis von 300 € mit 5 % Ersparnis. Die doppelte Regelung führt lediglich zu einer Verkompizierung für die Apotheke ohne Nutzen für die Kassen.

AW: @ Jörg Geller

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 10.09.2019 um 17:21 Uhr

Ich stimme Ihnen zu, dass eine vollständige Bewertung nur anhand der echten Daten möglich sein wird, wenn eine Regelung so grundlegend geändert wurde. Dafür ist es jetzt zu früh. Dennoch erscheint es mir hilfreich, jetzt schon zu hinterfragen, wie sich die einzelnen Stellschrauben des Systems auswirken. Und genau das machen wir hier gerade. Möge sich jede Apotheke heraussuchen, was dort besonders relevant ist.

Importregelung

von Gregor Huesmann am 10.09.2019 um 15:14 Uhr

Das Alles mag verstehen wer will, ich kapiere das nicht. Ich bin Apotheker und kein Kaufmann, der sich mit komplizierten Formeln rumschlagen will. Warum hat unser Verband so einen Vertrag unterschrieben? Die stehen wahrscheinlich nicht selbst im HV.

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Die Schwierigkeiten

von Jörg Geller am 10.09.2019 um 14:22 Uhr

Die obige Analyse geht von einer singulären Betrachtung der Umsatzentwicklung des Monats Juli aus. Eine solche Betrachtung ist wenig aussagekräftig. Im August ist der Importmarkt nämlich bereits wieder geschrupft und hat sich etwas deutlicher nach unten entwickelt als der Gesamtmarkt.

Der Vergleich der "alten" Importquote von 5 % mit der nun erforderlichen Einsparung von 2 % ist nicht so einfach. Es kommt auch nicht vor allem auf das Sortiment der Artikel mit einem Preis über 300 € an. Diese spielen eher eine untergeordnete Rolle. Tatsächlich liegt der Durchschnittspreis der marktrelevanten Importeure bei etwas über 70 €. In diesem Teilmarkt muss der Preisabstand 15 € betragen. Damit liegt der Preisabstand bei ca. 20 % und der Umsatzanteil, der zur Erreichung von 2 % Ersparnis erreicht werden müsste, ist 10 %. Ob diese 10 % dann im ergebnis mehr oder weniger als die alte Quote von 5 % in der jeweiligen Apotheke ausmachen, hängt von dem Verhältnis zwischen importrelevaten und generischen Markt in der Apotheke ab. Aber das ist nicht das Problem. Das Problem sehe ich vielmehr darin, dass die doppelte Regelung von Mindestpreisabstand (15%/15 €/5 %) und Ersparnisquote das einsetzbare Sortiment begrenzt und die Zielerreichung erschwert.

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