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Keine Opioidkrise in Deutschland
Rezeptfreie Analgetika: Ab 15 Tage pro Monat bedenklich
Schätzungsweise 1,6 Millionen der 18- bis 64-Jährigen in Deutschland sind analgetikaabhängig. Das meldet die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) und bezieht sich dabei auf den im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Epidemiologischen Suchtsurvey 2018. Ähnliche Entwicklungen wie in den USA – Stichwort Opioidkrise – seien in Deutschland zwar nicht zu beobachten. Die DGS wünscht sich aber eine verstärkte Kontrolle oder sogar Beendigung der „freien Abgabe“ von Schmerzmitteln.
Die gute Nachricht zuerst: „Die immer wieder angestoßene Befürchtung, dass sich Entwicklungen wie in den USA zur Schmerzmittelsucht – insbesondere durch Opioide – bewahrheiten, wird nicht bestätigt“, das teilt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) in einer Pressemitteilung vom vergangenen Donnerstag zum Suchtsurvey 2018 mit. Dieser ist vor Kurzem im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht worden. Im Survey wurden über 9.000 Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren befragt und ihr Substanzkonsum in den letzten zwölf Monaten sowie das Vorliegen eines schädlichen Gebrauchs oder einer Abhängigkeit erfasst. Fast 9 Prozent aller Befragten hatten eine Tabakabhängigkeit, gefolgt von Personen mit einer Abhängigkeit von Schmerzmitteln (3,2 Prozent) und von Alkohol (3,1 Prozent), wie das Ärzteblatt berichtete.
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Die schlechte Nachricht: Noch vor dem Gebrauch von Alkohol (2,8 Prozent) wurde ein „schädlicher Gebrauch“ mit 7,6 Prozent bei Schmerzmitteln erfasst. Schon im Ärzteblatt wurde die Situation in einem Editorial so eingeordnet: „Diese Zahlen verweisen auf die große Bedeutung der Abhängigkeit von Medikamenten, insbesondere von Schmerzmitteln. Dieses Problem ist vordringlich durch nichtopiathaltige Analgetika bedingt.“ Und auch die DGS erkennt nun eine „bedenkliche Entwicklung“ zu rezeptfreien Medikamenten im Analgetikabereich.
Wie das Ärzteblatt weiter schreibt, gibt es bisher kaum Untersuchungen zu den Risikofaktoren für die Entwicklung einer derartigen Medikamentenabhängigkeit und zu den hier relevanten neurobiologischen Mechanismen. Im Editorial wird die Schließung dieser Forschungslücke gefordert.
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Die DGS fasst die Studie so zusammen: Laut Survey haben 17,5 Prozent (9 Millionen Menschen) der Befragten in den letzten 30 Tagen verschreibungspflichtige und 31,4 Prozent (16,2 Millionen Menschen) rezeptfreie Medikamente eingenommen, das heißt rund 26 Millionen Menschen haben Schmerzmittel zu sich genommen – mehrheitlich ohne ärztliche Verordnung. Der Frauenanteil habe dabei deutlich höher gelegen als der von Männern. In diesem Zusammenhang wird DGS-Präsident Dr. med. Johannes Horlemann zitiert, dass auch der unsachgemäße Gebrauch nicht-opioidhaltiger OTC-Analgetika über einen längeren Zeitraum (ab 15 Tage pro Monat) bedenklich sein könne.
Im Suchtsurvey selbst heißt es dazu, dass ein unsachgemäßer Gebrauch über einen längeren Zeitraum (≥ 15 Tage pro Monat) zu medikamenteninduzierten Kopfschmerzen führen und die Einnahme von weiteren Schmerzmitteln begünstigen könne. Dies könne wiederum die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Medikamentenmissbrauch oder -abhängigkeit erhöhen.
„Freie Abgabe von Schmerzmitteln an Patienten verstärkt kontrollieren“
Wenn auch die Schmerzmittelabhängigkeit in ihrer Prävalenz die Alkoholabhängigkeit überholt hat, lassen sich Hinweise dafür finden, dass vorrangig die psychische Komorbidität bei Schmerzmittelsucht im Nicht-Opioidbereich die Problematik in Deutschland erklärt, heißt es in der Mitteilung weiter: „Aus diesem Grunde unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. die Initiative des Gesundheitsministers, die freie Abgabe von Schmerzmitteln an Patienten verstärkt zu kontrollieren beziehungsweise zu beenden.“ Die DGS bezieht sich bei der „Initiative“ auf die Analgetika-Warnhinweis-Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), wie sie auf Nachfrage DAZ.online mitteilte. Die rezeptfreie Abgabe tatsächlich zu beenden, scheint jedoch nicht Teil der Forderung zu sein: „Eine Verschreibungspflicht bei OTC-Analgetika wird derzeit nicht beabsichtigt“, teilte die DGS DAZ.online ebenfalls auf Nachfrage mit.*
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Analysen mit den Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys aus dem Jahr 2015, in denen zwischen opioidhaltigen und nicht-opioidhaltigen Analgetika unterschieden wurde, schätzten die Prävalenz einer Gebrauchsstörung durch Opioidanalgetika auf 1 Prozent und den Anteil an allen durch Analgetika verursachten psychischen Störungen auf 12 Prozent. Diese Daten zeigten, dass der Großteil der Abhängigkeitserkrankungen durch rezeptfreie Analgetika und nicht durch opioidhaltige Analgetika ausgelöst wird, so die DGS. Horlemann betont: „Somit unterstützt die Datenlage eine seriöse Opioidtherapie im schmerzmedizinischen Bereich.“ Keineswegs könne in Deutschland von einer Entwicklung gesprochen werden, die mit der in den USA zur Verschreibung von Opioiden vergleichbar wäre.
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Gleichzeitig befürwortet die DGS aber weiterhin die kritische Beobachtung der Verordnungslage – auch wenn für die Therapie mit Opioiden eine epidemiologische Entwarnung in den publizierten Daten liege.
* Hinweis der Redaktion: Wir haben den Text mit der Antwort der DGS ergänzt (Stand: 11:50 Uhr, 10.09.2019)
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