Infektionskrankheiten

Scharlach: Neuer, „fitterer“ Bakterienstamm entdeckt

Remagen - 17.09.2019, 08:59 Uhr

Ist der neue Streptokokkenstamm verantwortlich für den Anstieg an Scharlach-Erkrankungen? ( r / Foto: Тихон Купревич / stock.adobe.com)

Ist der neue Streptokokkenstamm verantwortlich für den Anstieg an Scharlach-Erkrankungen? ( r / Foto: Тихон Купревич / stock.adobe.com)


Ein Team von englischen Wissenschaftlern hat einen neuen Stamm von Streptokokken der Gruppe A entdeckt. Dieser ist ihrer Meinung nach für den deutlichen Anstieg invasiver Scharlacherkrankungen verantwortlich, der 2016 in England und Wales beobachtet wurde.

Scharlach ist eine ansteckende Krankheit, die durch Streptokokken der Gruppe A (Strep A) verursacht wird und typischerweise Kleinkinder trifft. Die Bakterien setzen im Körper pyrogene Exotoxine (Scharlach-Toxine) frei, die für die Krankheitssymptome verantwortlich sind. Dazu gehören Halsentzündung und Hautausschlag sowie in sehr seltenen Fällen invasive Krankheiten, bei denen das Bakterium in die Blutbahn oder das Gewebe gelangt und eine Sepsis und toxischen Schock auslösen kann. Die Infektion, die im Frühjahr ihren Höhepunkt erreicht, lässt sich gut mit Antibiotika behandeln.

Drastischer Anstieg bei Scharlach-Erkrankungen

Ein Forschungsteam vom Imperial College London, der University of Sheffield, Public Health England und des Wellcome Sanger Institute berichtet aktuell in der Zeitschrift The Lancet Infectious Diseases über einen neuen Stamm von Streptokokken der Gruppe A, den sie als Hauptursache für den Anstieg von Strep-A-Infektionen ansehen. Im Jahr 2014 waren in England 15.000 Fälle gemeldet worden, im Jahr 2015 mehr als 17.000 und 2016 sogar über 19.000. Außerdem war im Frühjahr (März bis Mai) 2016 ein 1,5-facher Anstieg der im Labor bestätigten invasiven Gruppe-A-Streptokokken-Infektionen im Vergleich zu den vorangegangenen fünf Jahren verzeichnet worden.

Zunahme bei emm1-Infektionen

Die Forscher gingen auf die Suche nach einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Scharlach-Anstieg insgesamt und der Zunahme der invasiven Formen. Für ihre Analysen nutzten sie Bakterienstämme von Infektionen zwischen den Frühjahrsperioden 2014 und 2016, die von der Imperial College Infection Biobank im gesamten Nordwesten Londons gesammelt worden waren und identifizierten die wichtigsten genetischen Untergruppen. Diese werden aufgrund eines von den Bakterien übertragenen Gentyps mit „emm“ bezeichnet. Die Londoner Daten zeigten, dass die meisten Fälle im Jahr 2014 durch die Stämme emm3 und emm4 verursacht wurden, die Infektionen mit dem Stamm emm1 jedoch im Jahresvergleich zunahmen. So waren sie im Jahr 2014 für nur 5 Prozent der Fälle verantwortlich, im Jahr 2015 für 19 Prozent im Jahr 2016 für 33 Prozent.

M1UK identifiziert

Dies deutet nach Meinung der Wissenschaftler darauf hin, dass sich die emm1-Untergruppe in irgendeiner Weise verändert hat und möglicherweise „fitter“ geworden sein könnte. Bei einer Genanalyse deckten sie einen neuen Stammtyp innerhalb der Gruppe auf, der sich von den anderen emm1-Stämmen durch 27 genetische Punktmutationen unterschied. Einige davon befinden sich in Genen, die möglicherweise an der Toxinproduktion beteiligt sind. Weitere Experimente ergaben, dass der neue Stamm tatsächlich neunmal mehr Streptokokken-pyrogenes Exotoxin A (SpeA) produziert als andere emm1-Stämme, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, Halsentzündungen und Scharlach zu verursachen und zu einem Anstieg der invasiven Infektion geführt haben könnte. Die Forscher nannten den neuen Stamm M1UK.

Hoher Anteil von M1UK an allen emm1-Infektionen

Danach wollten die Wissenschaftler wissen, wie häufig der neue Stamm bei den emm1-invasivem Strep A-Infektionen der Untersuchungszeiträume vertreten war. Die Ergebnisse von 552 Proben zeigten, dass 77 Prozent der Fälle invasiver Erkrankungen, die im Frühjahr 2016 in England und Wales durch emm1 Strep A verursacht wurden, auf den neu identifizierten M1UK-Stamm entfielen. Die Analyse aller emm1-Stämme (1240) aus invasiven Krankheitsfällen in Großbritannien über einen Zeitraum von zehn Jahren erbrachte bis 2016 einen Anteil von 84 Prozent. Das Team analysierte außerdem 2800 Strep A-Genomsequenzen aus der ganzen Welt und fand einzelne Fälle von M1UK in Dänemark und den USA.

Aufruf zur globalen Wachsamkeit

„Es besteht immer noch Unsicherheit über die Ursache des Scharlach-Anstiegs“, gibt Elita Jauneikaite, Erstautorin der Studie vom Imperial College London, zu bedenken. „Es könnte sich auch um eine Folge von Veränderungen in der Praxis, der Bevölkerung oder um Umweltfaktoren handeln. Derzeit würden Untersuchungen durchgeführt, um herauszufinden, wie die Belastung durch Strep-A-Infektionen am besten verringert werden kann, einschließlich der Entwicklung eines Impfstoffs. „Möglicherweise müssen wir auch überlegen, ob die Leitlinien für die Diagnose und Behandlung von Halsinfektionen die Entwicklung neuer Stämme und Komplikationen wie Scharlach und invasive Infektionen berücksichtigen müssen“, meint Jauneikaite.

Das Team betont, dass der neue Stamm sich leicht mit Antibiotika behandeln lässt, ruft aber gleichwohl zur globalen Wachsamkeit auf, um weitere Fälle des Stammes in anderen Ländern zu identifizieren.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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