Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

29.09.2019, 08:00 Uhr

Mehr Apotag geht nicht! (Foto: Alex Schelbert)

Mehr Apotag geht nicht! (Foto: Alex Schelbert)


Das war ein Apothekertag! Er hatte es in sich! Ein depressiver Klimaindex, unhaltbare Lieferengpässe, Hoffnung aufs E-Rezept und eine Web-App, ein schwärmerisches Ja zur Grippeschutzimpfung in Apotheken, der Präsident mit einem literarischen Opus aus Psychologie und Mythologie als Lagebericht. Und der Höhepunkt: eine Debatte zum Rx-Versandverbot. Mit dabei: Spahn. Spannend wie ein Tatort-Krimi in vier Teilen. Mit dem bitterem Ende: Lieber ein VOASG als nix.

23. September 2019

Wow, das löste Diskussionen aus: das DAZ.online-Interview mit Michael Hennrich, zuständig für Arzneimittelthemen in der Unionsfraktion. Unter dem Eindruck der allgegenwärtigen Klimaschutzdiskussion ließ er durchblicken: Er wisse z. B., dass man an Konzepten arbeite, die Touren von Lieferdiensten zu reduzieren. Und: Man müsse mal „darüber nachdenken, ob man die Belieferung von Apotheken anders organisieren kann“. Man sollte darüber debattieren, ob eine fünf- bis sechsmalige Belieferung der Apotheken durch den Großhandel nötig ist. Denn: „Apotheken und Großhändler haben keine grundsätzliche Freikarte beim Klimaschutz.“ Das war der Stich ins Wespennest. Aber Hennrich denkt dabei nicht an ein Gesetz, eher ganz harmlos an Anreizsysteme, um die Belieferungsfrequenz zu reduzieren. Aber er sagte auch: Die Versorgung muss flexibel bleiben. Nun ja, mein liebes Tagebuch, es ist ein emotionales Thema – vor allem wenn man die Tausende von Lieferfahrzeugen sieht, die täglich für Amazon, Zalando und all die anderen Online-Shops unterwegs sind. Und vor allem die vollkommen verzichtbaren Lieferungen der ausländischen Versandapos: Was brächte da eine kleine Lieferreduzierung für unsere Vor-Ort-Apos? Die meist darauf angewiesen sind! Eben. Es gibt größere Aufgaben. Und es gibt anderswo weit mehr Einsparungspotenzial. Fangen wir bei den ausländischen Versandapos an!

24. September 2019

Der Auftakt zum Deutschen Apothekertag: eine Pressekonferenz. Unsere ABDA machte es sich da wie in den letzten Jahren wieder leicht: Sie stellte die Ergebnisse einer Umfrage unter Apothekeninhabern vor: Den Apotheken-Klimaindex 2019. War nicht lustig, mein liebes Tagebuch, zu Lachen gab’s da nix. Alles traurig, was die Umfrage zu Tage gebracht hatte. Probleme über Probleme. Die Hauptsorgen der Inhaber: Lieferengpässe an erster Stelle, dann Unwägbarkeiten mit dem E-Rezept. Und dann: Wie wird‘s mit der Gleichpreisigkeit weitergehen, die mit dem Apothekenstärkungsgesetz nur halbseiden wiederhergestellt wird und bei der man nicht weiß, ob und wie lange sie so hält. Und weiter: die Bürokratie, der Mangel an Mitarbeitern und und und. Wenn das unser Nachwuchs hört, dann lässt er am besten das Pharmaziestudium sein: Wer will schon in einen solchen Frust-Beruf einsteigen?  Bei so vielen niederschmetternden Ergebnissen war der Kapitän des ABDA-Tankers, Friedemann Schmidt, gleich gar nicht an Bord der PK. Er zog es vor, „internationale Verpflichtungen“ in Abu Dhabi wahrzunehmen – Genaues erfuhr man nicht, was den Spekulationen freien Lauf lässt: Vielleicht Gespräche über eine finanzielle Unterstützung der ABDA oder Finanzspritzen fürs neue ABDA-Haus oder oder. Mein liebes Tagebuch, mal Spaß beiseite, man musste feststellen, es ging auch ohne ihn, Schmidts Vize Arnold (der vom Doppelpack) vertrat ihn beim Überbringen der depressiven Klimaindexes würdig. Und dennoch, man kann es als Zeichen sehen, dass der Präsident bei der PK nicht dabei war. Zu alledem schwebte über der PK die Schreckensmeldung von der vergifteten Rezeptur in einer Kölner Apotheke und den dadurch ausgelösten Tod einer Schwangeren. Fragen von Journalisten: Sind Rezepturen in Apotheken noch sicher? Mein liebes Tagebuch, das fängt ja gut an.

25. September 2019

Endlich, endlich, mein liebes Tagebuch, die Lieferengpässe sind breit in der Gesundheits- und Pharmaszene angekommen. ABDA-Vize Mathias Arnold hat sich gegenüber der Deutschen Presseagentur dazu geäußert: „Lieferengpässe kommen leider immer häufiger vor und sind ein großes Ärgernis.“ Die jetzige Situation sei unhaltbar. In vielen Apotheken würden zehn Prozent der Arbeitszeit oder mehr dafür aufgewendet, Lieferengpässe zu bekämpfen. Ja, mein liebes Tagebuch, es war längst überfällig, dass sich die ABDA dazu in der Öffentlichkeit artikuliert. Wir fragen uns, warum erst jetzt? Auch DAV-Chef Fritz Becker thematisiert die Lieferengpässe laut und deutlich bei der Eröffnung der Expopharm. Zugegeben, wir Apothekers haben da die A-Karte gezogen. Denn für Lieferengpässe sind wir überhaupt nicht verantwortlich, aber wir haben sie an der Backe. Es ist unser Sortiment, wir sind die Arzneimittelfachleute, wir müssen unsere Patienten versorgen – ein Dilemma. Womit wir punkten können: Wir sorgen mit einem Riesen-Aufwand dafür, dass aus Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe werden. Becker nannte die Ursachen für die Engpässe: die Rabattverträge – deshalb fordert die ABDA eine Mehrfachvergabe von Verträgen für einen Wirkstoff an mindestens drei Hersteller. Der Preis darf nicht das alleinige Kriterium sein, forderte Becker. Recht so. Außerdem sollte es verboten oder zumindest eingeschränkt werden, dass Apotheken und Großhändler bestimmte Arzneimittel ins Ausland verticken. Für Abhilfe könnte auch sorgen, wenn die Industrie ihre Arzneistoffproduktion wieder schrittweise zurück an europäische Standorte verlegt. Ja, und die Bundesregierung sollte endlich ernsthaft über die Abschaffung der Importförderklausel nachdenken.

 

Auch Martin Zentgraf, der Vorsitzende des Industrieverbands BPI, hat Vorschläge gegen Lieferengpässe parat: Rabattverträge sollten die Kassen nur ausschreiben dürfen, wenn es für einen Wirkstoff vier Anbieter im Markt gibt, mindestens drei Zuschläge und mindestens einer der Hersteller seinen Standort in der EU hat. Mein liebes Tagebuch, schönes Wunschkonzert, aber realistisch? Skeptisch zeigt sich Zentgraf, ob die Wirkstoffproduktion nach Europa zurückgeholt werden kann. Auch er wäre für eine Senkung der Reimportquote, aber da sei man an der Saarland Connection gescheitert. Wolfgang Späth vom Pro-Generika-Verband nennt die Lieferengpässe eine unhaltbare Situation: „Das ist pharmazeutisches Improvisationstheater.“ Nach seiner Meinung sind Vorschläge wie eine verpflichtende Meldung von Engpässen, Mindestbevorratung, Strafzahlungen nicht zielführend. Und die Rückholung der Produktion von Asien nach Europa bräuchte Dekaden. Er sieht die Ursachen für Lieferengpässe in erster Linie im enormen Kostendruck, den die Politik über Jahre aufgebaut hat. Also, da helfen nur Mehrfach-Ausschreibungen, meint Späth. Mein liebes Tagebuch, so, wie sich die Situation hier darstellt, werden wir noch lange mit Lieferengpässen leben müssen. Ein Armutszeugnis für Deutschland. Es bewegt sich nur etwas, wenn Politiker hautnah die Lieferengpässe zu spüren bekommen.

 

Die Rx-Gleichpreisigkeit durfte in Beckers Rede zur Expopharm-Eröffnung nicht fehlen. Der Stand der Dinge: das Rx-Versandverbot (RxVV), die einzig wahre Lösung für die Gleichpreisigkeit, konnte nicht durchgesetzt werden. Spahn und das Justiz- und Wirtschaftsministerium sehen EU-rechtliche Probleme, da ist nix zu machen, so Becker. Spahns Angebot an die Apotheker, das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG), das die Gleichpreisigkeit im Sozialgesetzbuch verankert, ist keine Ideallösung, räumt Becker ein, denn die PKV-Versicherten und die Selbstzahler werden davon nicht erfasst. Dennoch, der Gesetzentwurf bringe „erhebliche“ Verbesserungen, z. B. einheitliche Apothekenpreise zumindest für die GKV. Na ja, mein liebes Tagebuch, da muss man fragen dürfen, wie lange das hält. Und dann bringt das VOASG noch die betörende Möglichkeit, dass es pharmazeutische Dienstleistungen, von den Kassen honoriert, geben soll. Wirklich berauschend, mein liebes Tagebuch, doch wie soll das aussehen? 150 Millionen Euro sollen dafür zur Verfügung stehen, die unter den mitmachenden Apotheken aufgeteilt werden. D.h., je mehr mitmachen, umso weniger gibt’s pro Apo. Becker: „Dieses Budget muss mehr als verdoppelt werden“ – was natürlich nicht passieren wird, mein liebes Tagebuch. 

Und dann forderte Becker noch die Dynamisierung dieser Dienstleistungshonorare – die natürlich genauso dynamisiert werden wie unser Apothekenhonorar, nämlich gar nicht. Also werden einige tapfere Apothekerlein bald Dienstleistungen für lau machen. Wie soll man das dem Nachwuchs verklickern?

 

Fast schon enthusiastisch setzte Becker ein positives Zeichen zum geplanten Modellprojekt Grippeschutz-Impfungen in Apotheken: „Wir Apotheker sind bereit für Grippeschutz-Impfungen, wir wollen diese Herausforderung annehmen“, schwärmte Becker. Mein liebes Tagebuch, erfreulich, wie sich die ABDA hier gedreht hat. Auch beim Thema Botendienst: Es sei ein deutliches Plus für Vor-Ort-Apotheken, „wir werden wettbewerbsfähiger“. Das ist nun endlich angekommen. Allerdings muss der Bote zum Apothekenpersonal gehören, fordert die ABDA. Aber, mein liebes Tagebuch, was ist, wenn vorher schon in der Apotheke beraten wurde oder telepharmazeutisch beraten wird? Dann darf doch auch der Apothekenfahrer der Bote sein, oder etwa nicht?

 

Großes Thema, großes Theater: das E-Rezept. „Wir setzen alles daran, bis zum 30.9.2020 alle Apotheken an die Telematik-Infrastruktur anzubinden“, versprach Becker, „aber wir sind auf die Anbieter der Hardware, der Konnektoren angewiesen.“ Mein liebes Tagebuch, und die dürften nicht das einzige Hindernis bei diesem Mammut-Projekt sein. Aber es gibt auch erfreuliche Ansätze. Zwar tüfteln IT-Häuser und Krankenkassen auch an E-Rezept-Lösungen herum, aber Becker weiß: „Wir sind die einzigen, die das E-Rezept eng an den Vorgaben der Telematik-Infrastruktur entwickeln.“ Na, das ist doch mal ein Vorsprung. Bei der Web-App des DAV wollen bereits über 10.000 Apotheken mitmachen, war zur hören. Das vom Deutschen Apothekerverband angedachte Procedere beim E-Rezept hört sich vernünftig und schlüssig an, das E-Rezept wird’s nicht nur elektronisch aufs Handy geben, Patienten ohne Smartphone und Internetzugang bekommen auf Papier einen Zugangscode zu ihrem Rezept ausgedruckt, zur Vorlage in der Apo, der Patient bleibt Herr seiner Daten: freie Apothekenwahl, freie Entscheidung, was mit seinem Rezept passieren soll. Mein liebes Tagebuch, das Projekt muss flutschen, sonst wird’s nichts!

 

Das E-Rezept war auch Thema in einer Podiumsdiskussion der DAZ am Vorabend des Apothekertags. Mitdiskutant war Christian Buse vom Versandapotheker-Verband (BVDVA). Er sieht für die Versender natürlich große Chancen, allerdings sei noch viel in der Schwebe. Die Gematik bastele aktuell noch an der Sicherheitsstruktur und so sei es unklar, welche Aspekte am Schluss reguliert oder dem freien Markt überlassen würden.

Christian Krüger, dem Chef der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA), der das Modellprojekt GERDA entwickelt, ist sich sicher, dass es am Ende ein diskriminierungsfreies System geben wird, an dem auch der Versandhandel partizipieren wird. Denn es sei einfach die Lebenswirklichkeit, dass auch Rx-Arzneimittel im Versandhandel verschickt werden. 

Apotheker Lorenz Weiler, der ein Papierformular mit QR-Code fürs E-Rezept entwickelt hat, weiß: Die Menschen möchten eine Verordnung nach wie vor in der Hand halten und bestimmen, wer für sie das Rezept wo und wie einlöst“. Er sieht die Web-App des Apothekerverbands kritisch, weil sie die Patienten immer wieder vor die Wahl stellt, wem sie ihre Rezepte digital zusenden. „Ich will als Apotheke meine Präsenz doch selbst gestalten und dem Patienten anbieten.“ Mein liebes Tagebuch, da ist noch viel offen beim E-Rezept.

 

Mein liebes Tagebuch, wie immer, mit Spannung erwartet: Die Rede unseres Präsidenten Friedemann Schmidt zur Lage. Was bringt er uns in diesem Jahr mit? Springen die Delegierten wie bei den letztjährigen Apothekertagen am Ende seiner Rede wiesenmäßig von ihren Stühlen auf und zollen ihrem Präsidenten frenetisch Applaus? Die Latte lag hoch. Um den Ausgang vorwegzunehmen, mein liebes Tagebuch, zitieren wir einen Delegierten: „Was war das denn?“ Ja, was war das in diesem Jahr? Ein Bericht, der eher einer Psychologie- und Mythologie-Lehrstunde ähnelte als einem Lagebericht der ABDA. Uiuiui, was ist da mit unserem Präsidenten durchgegangen? Vielleicht eine heimliche Liebe zur Philosophie, zur Psycho- und Mythologie? Da war in verschwurbelten Sätzen die Rede von der „Prävalenz-induzierten Konzeptänderung der Perzeption“, die er dem Auditorium näherbringen wollte. Oder vom „Gesetz der Penetranz der negativen Reste“, das zur Erklärung unseres düsteren Stimmungsbildes herhalten musste. Aber klar, „man darf nicht in die Falle laufen, sämtliche Probleme im Rekurs auf psychologische Erklärungsmuster als Bagatelle abzutun“, so wusste es Schmidt. Und dann gab’s ein paar verständnisvolle Schlenker hin zu den Frustrationen des Apothekenalltags, z. B. der tägliche bürokratische Aufwand und die Lieferengpässe. Nun, den unangenehmen Dingen müsse man ins Auge schauen – aber bitte wie Polyanna, „der Heldin eines zauberhaften Kinderbuchs“, so Schmidt, die auch in vertrackten Situationen die positiven Aspekte entdeckt. Mein liebes Tagebuch, da wird es einem doch warm ums Herz, oder? Halt, denn es gibt nicht nur Polyanna, sondern auch noch Kassandra, diese Böse, die überall das Negative sieht und „der wir reflexhaft zugeneigt sind“. Dann fand der Präsident zurück in die raue Wirklichkeit: „Ja, ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wäre die wirksamste Maßnahme... Und nein, diese Maßnahme ist unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen ... nicht durchsetzbar...“ Aber, mein liebes Tagebuch, auch wenn er inhaltlich anderer Meinung sei, so Schmidt, der Pharmaziestudent Benedikt Bühler hat „meinen persönlichen Respekt“ für die Entschlossenheit mit der RxVV-Petition. Und so ganz nebenbei verabschiedete sich Schmidt noch von einem zentralen Dogma der ABDA-Politik: Der bisherige Leitsatz „Struktur vor Geld“ sei so einfach wie falsch. Man müsse auch „den Blick frei haben für Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Verbesserung in Teilbereichen unserer Arbeit... Und er wurde noch konkreter in Richtung Apothekenhonorar: „Es hat wenig Sinn, an einem pauschalisierten Vergütungssystem über alle Leistungen hinweg bedingungslos festzuhalten, das zwar simpel und berechenbar ist, aber genau diese entscheidende Differenz wirtschaftlich einebnet, weil es keinen Unterschied macht zwischen einem Päckchenversand aus dem Automaten und der persönlichen Abgabe einschließlich eines (…) deutlich aufwändigeren Kontaktes.“ Na, mein liebes Tagebuch, das gleicht aus ABDA-Sicht ja fast schon einem Erdbeben. Der präsidial-optimistische Ausblick kam zum Schluss. Den Delegierten legte er nahe: „Durch Polyannas Augen können wir mit der aktuellen Apothekenreform also Einiges erreichen.“ Ja, mein liebes Tagebuch, so ein Opus kann man mögen, muss es aber nicht. Und so gab es dieses Mal selbst mit Polyannas Ohren gehört nur anständigen Beifall.

 

Die Meldung sorgte auch auf dem Apothekertag für Diskussionen: Der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich meint in einem Gespräch mit dem Handelsblatt, dass die Situation rund um die Apothekenreform zu kompliziert sei – er will alles abblasen: „Augen zu und durch ist jetzt keine Lösung mehr“. Sobald eine offizielle Antwort der EU-Kommission vorliege, sollte sich Spahn mit den Bundesländern zusammensetzen und nach einem neuen Weg suchen. Mein liebes Tagebuch, das kann noch heiter werden. Soll alles für die Katz gewesen sein? 

 

Ein Tatort-Krimi (hier sogar als Vierteiler) ist Kinderstunde im Vergleich zur RxVV-Debatte auf dem Apotag. Teil 1: Die wie immer belebend-erfrischend-muntere Rede unseres Hauptgeschäftsführers Sebastian Schmitz (mein liebes Tagebuch, reiß dich am Riemen) war kaum im Tagungssaal verhallt, da zückten zwei Ladies aus Hessen und Westfalen-Lippe (Ursula Funke und Gabriele Overwiening) beherzt die rhetorischen Messer. Sie kritisierten die Berufsvertretung teils heftig und kündigten an, einen von der ABDA-gefürchteten Ad-hoc-Antrag auf den Tisch des Hauses zu knallen, Inhalt: „Wir fordern das Rx-Versandverbot.“ Wackere Buben aus Bayern (Thomas Benkert) und Brandenburg sprangen den Mädels zur Seite. Auch wenn Schmidt klar machen wollte, dass das Verbot zwar nach wie vor die wirksamste und beste Lösung für die Apotheker sei, aber politisch einfach nicht machbar, und obwohl Schmitz intonierte, dass Spahn das Verbot partout nicht will – der Antrag pro RxVV war nicht mehr zu stoppen.

26. September 2019

Tatort-Krimi, Teil 2: Ein letztes verzweifeltes Aufbäumen von ABDA-Vize Mathias Arnold, der mit pastoralen Worten die Einigkeit beschwor, ans gemeinsame Ziel, das wir doch alle haben, appellierte und sich beschwichtigend in den Ring warf: „Aber wir wollen auch, dass es vorwärts geht. Und gestalten wollen wir auch. Wir wollen, dass es zügig geht.“ Schön gesprochen, allein, es half nichts. Bayern-Bub Benkert, unterstützt von seinen Mädels, zündete seine Antragsbombe: Der Gesetzgeber soll aufgefordert werden, die „vorgesehene Wiedereinführung eines Verbots des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens umzusetzen“. Da lag sie nun, die Bombe – und tickte einen ganzen Vormittag lang. Während der ABDA-Präsident weitgehend in Deckung ging, tobte im Saal ein Meinungsgefecht mit dem Ergebnis, dass Benkert und Mitstreiter anboten, die Bombe zu entschärfen und nach einer verträglicheren Formulierung des Antrags zu suchen. Man wolle den Gesetzgeber auffordern, „die Stellungnahme des Bundesrates in das laufende Gesetzgebungsverfahren ergänzend einzubringen und umzusetzen“. Das allerdings war so manchem Pazifisten im Saal immer noch viel zu heftig: Sie plädierten eher dafür, die Bundesrats-Stellungnahme solle nur „berücksichtigt“ und nicht „umgesetzt“ werden, denn man wolle schließlich keine Blockade der Apothekenreform, „sonst läuft uns die Zeit davon“. Der Streit, ob man ein RxVV energisch fordern oder ob man es sich nur wünschen sollte, waberte hartnäckig durch den Saal. Welche Formulierung ist am besten, welche konsensfähig? Ein Delegierter versuchte sogar, die richtige Formulierung durch die Stärke und Länge des Beifalls im Plenum auszuloten. Es lief schon fast auf eine desaströse Lage hinaus, da schlug Benkert vor, mit seinen Mannen und Frauen eine letzte kompromissfähige Formulierung des Antrags finden zu wollen. Kurz darauf war’s geschafft! Die Zauberworte zum RxVV: „Daher fordert die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker den Gesetzgeber auf, die Stellungnahme des Bundesrates in das laufende Gesetzgebungsverfahren ergänzend einzubringen und so die Gleichpreisigkeit schnellstmöglich herbeizuführen.“ Mein liebes Tagebuch, das löste erleichternden Beifall aus: So konnte man die Forderung nach einem RxVV gut versteckt und super-weichgespült in den langen Leitantrag (oder Leidantrag?) der ABDA unterbringen. Da kam sogar der ABDA-Präsident aus seiner Deckung hervor und spendete Beifall.

27. September 2019

Tatort-Krimi, Teil 3: Zurück aus den USA und vor seiner Reise nach Afrika lässt es sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht nehmen, dem Apothekertag einen Besuch abzustatten – und die Leviten zu lesen. Ja, Mist, er hatte die eigentlich gut kaschierte RxVV-Forderung des Apothekertags entdeckt. Er wusste, jetzt ist es höchste Zeit, in diesem Laden mal für Ordnung zu sorgen und zu zeigen, wo der Hammer hängt. Also setzt er sein Pokerface auf, strahlt gespielte Ruhe aus und erklärt den verdutzten Delegierten vollkommen relaxt dem Sinne nach: Hört mal zu, ihr Apothekers, es war nicht ich, der die Gleichpreisigkeit gekippt hat, es war der EuGH. Und die Preisbindung für EU-Versender im AMG kann ich gar nicht streichen, weil sie nach der EuGH-Entscheidung gar nicht mehr gilt. Tiefes Schweigen im Saal. Und Spahn setzt – immer noch ganz ruhig – eins drauf: In aller Deutlichkeit, liebe Apothekers, das RxVV hat keine Chance, mein Anwalt, das Bundesjustizministerium, dem ich voll vertraue, hält dieses Verbot für rechtlich nicht haltbar. Mein liebes Tagebuch, schon fast versöhnlich klingt Spahns Nachsatz: Und jetzt bring ich euch mit meinem Gesetz eine Gleichpreisigkeit zurück, die für 90% des Versichertenbereichs gilt, außerdem schenke ich euch pharmazeutische Dienstleistungen und Botendienst und und und, Chancen über Chancen! Doch, mein liebes Tagebuch, dabei bleibt es nicht. Wie ein Fanal klingen seine Worte, mit denen er den Delegierten klar macht mit Blick auf deren Liebe zum Bundesratsbeschluss: „Wenn Sie meinen, die Länder können das besser, stelle ich die Dinge in Berlin gerne ein, bis der Bundesrat seinen Gesetzentwurf vorlegt. Das meine ich sehr ernst.“ Mein liebes Tagebuch, wie versteinert sitzen die Delegierten im Saal. War das eine Drohung? Meint er das ernst? Kann er das überhaupt? Wer ist hier eigentlich der Gesetzgeber? Müssen wir unsere RxVV-Forderung in die Tonne kloppen?

 

Tatort-Krimi, Teil 4: Mein liebes Tagebuch, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie groß die allgemeine Verunsicherung nach Spahns Auftritt war. Man fühlte sich ertappt, durchschaut, das Verstecken der RxVV-Forderung hatte nicht geklappt. Sitzt Spahn am längeren Hebel? Wie soll es jetzt nur weitergehen? Sitzungsleiter Andreas Kiefer stellte die Gewissensfrage: „Was sollen wir machen?“ Und Thomas Preis, Chef des AV Nordrheins: Sind 90%-Absicherung besser als keine, ja oder nein?“  Der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zeigte auf Alternativen, wie er sie sieht: „Entweder wir unterstützen die weitere Entwicklung des Spahnschen Apotheken-Stärkungsgesetzes oder wir verfolgen eine Gesetzgebungsinitiative des Bundesrates. Stehen wir hinter dem VOASG oder schaffen wir einen Initiativantrag im Bundesrat?“ Die Debatte wurde nachdenklicher. „Das Schlimmste ist, kein Gesetz zu bekommen“, so Overwiening. Und ein Delegierter: „Wir müssen die Chancen nutzen statt gegen die Wand zu rennen.“ Ein anderer: „Aber der Gesetzgeber ist nicht allein der Gesundheitsminister!“. Alles wahr, mein liebes Tagebuch. Schließlich verdichtete es sich: Wir wollen Spahn wissen lassen, dass wir das Gesetz weiterverfolgen, das Gesetzgebungsverfahren aber dennoch kritisch begleiten wollen. Denn Einfluss nehmen können wir, wenn’s denn endlich im Bundestag ist. Hauptsache, es kommt schnellstmöglich in den Bundestag – diese Strategie konnte am Ende eine große Mehrheit der Delegierten unterschreiben. Also, ein sanftes Endes dieses Krimi? Fast, denn das Dumme dabei ist: Wann und sogar ob das VOASG in den Bundestag kommt, steht in den Sternen. Die EU lässt grüßen.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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23 Kommentare

Klugheit und Geduld

von Wolfgang Müller am 30.09.2019 um 13:27 Uhr

Gerade in der Berliner Zeitung in einem Interview gelesen:

"Man kann nicht eine Entscheidung von solcher Bedeutung auf der Basis von Ungeduld treffen."

Zwar zum Brexit, gilt aber auch für die Erhaltung der Rx-Festpreise. Uns wird von Spahn, Becker, Kiefer und Schmidt das Gegenteil vermittelt: "Jetzt aber schnell, sonst werdet ihr auf jeden Fall total niedergemacht. Beim E-Rezept und mit völlig freien Boni, vor Allem, und Dienstleistungen gibt's dann auch keine mehr."

Das hat auch zu der tiefen, vollkommen unfairen Verunsicherung des DAT am dritten Tag geführt. Und mal in Ruhe betrachtet: Es stimmt einfach nicht. So richtig niedergemacht würden wir höchstens einmal werden, wenn wir uns als zu unsouverän erweisen sollten, also als zu beliebig, zu ungeschickt und zu ungeduldig.

Zum Glück gibt es gegen voreilige, oberfaule Kompromisse den CDU-Gesundheitspolitiker Hennrich und den Kollegen Bühler. Mit "VOASG Zurück auf Null" bzw. "Gesetzgebungen zu Rx-Boni und Dienstleistungen trennen". Beides zusammen würde unsere Erpressbarkeit beenden. Das erscheint momentan am wichtigsten.

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Eigentlich wollte ich endlich die Kappe halten

von Karl Friedrich Müller am 30.09.2019 um 7:24 Uhr

@Dinakis: Sie bringen gute Argumente und Kritik, leider ist das wie immer nur eine Seite der Medaille. Und Wunschdenken:

Und zu guter Letzt: die läääängst überfällige Dynamisierung der Packungsvergütung (wobei die auch wegfallen kann, wenn die Dienstleistungen auf eigenen und ausreichend starken Beinen stehen).

In diesem Sinne: Danke Jens, dass du ein bisschen Tempo ins Spiel gebracht hast. Unsere Welt dreht sich immerhin auch immer schneller. Da ist es gut (und lebensnotwendig) Schritt zu halten.“

Nie werden pharmazeutische Dienstleistungen von Staat oder KK angemessen bezahlt werden.
Dort müssten wir es so halten wie beiden Inkos oder bei Brillen: die Vergütung als Zuschuss sehen und den Kunden/Patienten zusätzlich belasten.
Sie übersehen vollkommen, dass Jens nur eines will (auch die KK): den Versand stärken. Auf Biegen und Brechen. Spahn bewegt sich nur, wenn es in seine Richtung geht. Anderes wird blockiert.
Spahns Richtung macht nur dann Sinn, wenn die Falschen davon profitieren, vielleicht auch er.
Ich bin seit 40 Jahren im Beruf und hab mir immer gewünscht, gut mit Ärzten zu arbeiten, was fast nie möglich war. Weil sie einen nicht ernst nehmen und Anmerkungen abbügeln. Man ist lästig.
Wenn das alles funktionieren soll, ist ein gewaltiges Umdenken notwendig.
Von guter Zusammenarbeit ohne Konkurrenzdenken oder Unsicherheiten (ein Arzt weiß auch nicht alles. Dort herrschen auch Strukturen wie bei uns, Alter, Sturheit usw) könnten die Patienten erheblich profitieren. Das hab ich von ersten Tag an kapiert und hab viele Enttäuschungen einstecken müssen.
Es liegt nicht nur an uns!
Kurz: weder Staat (Spahn usw) noch KK noch Ärzte wollen das!
Es geht nur um Profit, Gewinn, Dividende, bezahlt aus den Beiträgen der Versicherten, die teilweise mit unsinnigen Behandlungen dafür zusätzlich bezahlen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten

AW: Eigentlich wollte ich endlich die Kappe

von Karl Friedrich Müller am 30.09.2019 um 7:53 Uhr

PS: es ist schon bezeichnend und belämmernd, dass wir sogar um die Erhaltung des Status quo kämpfen müssen, was Vergütung und Umsatz betrifft.
Seit Ulla Schmidt geht ein großer Teil in den Versand und eine Anpassung des Honorars gibt es auch nicht. kaum zumindest .zwischendrin durch das AMNOG sogar noch eine ungerechtfertigte Kürzung.
Für weniger Einkommen, Umsatz und Gewinn sollen wir mehr leisten? (wenn die Schleusen für MocMorris endgültig geöffnet sind)

AW: Eigentlich wollte ich auch die Klappe halten

von Reinhard Rodiger am 30.09.2019 um 11:19 Uhr

Sie sagen :man ist lästig. Das ist der Schlüssel.Er liefert die Erklärung, warum menschengemässe Kleinteiligkeit gegenüber dem Dominanzstreben weniger keine Chance hat.
Da dies leider für viele andere Bereiche auch gilt, kann ich es nicht sein lassen, wenigstens darauf hinzuweisen.
Es geht wirklich um eine grundsätzliche Weichenstellung.Gesundheit wird zur Ware und Menschen zu Produkten.Kranke werden cash-cow und Menschen werden Algorithmen-follower.An dieser Fehlpolung sind wir nicht schuld.Wir sind nur die letzten, die die Kollateralschäden aufarbeiten müssen. Das soll nun zugunsten von ein, zwei Nutzniessern aufgegeben werden.Da gehört Widerstand zum Leben.Also nicht aufhören.

AW: Bitte nicht!

von Holger am 30.09.2019 um 14:57 Uhr

Lieber Herr Müller,

zwar bin ich nicht wirklich oft Ihrer Meinung, aber dennoch sollten Sie nicht "die Klappe halten". Das tun doch viel zu viele Kolleginnen und Kollegen. Und ich empfinde Ihre Beiträge bei aller Kontroverse stets als erfrischend.

Bitte gestatten Sie mir EINE inhaltliche Replik auf Ihre Darstellung:
Sie "haben sich immer gewünscht, gut mit Ärzten zu arbeiten"? Sie hätten Krankenhausapotheker werden sollen! Da klappt das - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - hervorragend.

AW: Eigentlich wollte ich endlich die Kappe

von Gregor Dinakis am 30.09.2019 um 21:04 Uhr

Da gibt's ein ganz einfaches Mittel gegen die Überheblichkeit mancher Ärzte:

Die Patienten zum Haupttherapeuten ernennen und uns neben den Ärzten zu Ko-Therapeuten 'degradieren'.

Der Rest ist eine Frage des Selbstbewusstseins. Wenn ich den Patienten auf meiner Seite weiß, hab ich den Arzt gewissermaßen in der Hand bzw kann mich auf der gleichen Ebene positionieren, nur halt als Arzneimittelexperte, während die Mediziner für die Diagnose zuständig sind.

Ärzte die sich dann immer noch zuviel rausgehen und arrogant auf uns runter schauen kriegen halt die Quittung von fernbleibenden Patienten.
So wie wir zurzeit noch maßgeblich von dem Verschreibern abhängig sind, sind es Ärzte von den Patienten. Was für ein wunderbares Druckmittel wir doch da haben.

Das Umdenken findet bereits statt bzw. unter uns Jüngeren wird direkt die interdisziplinäre Zusammenarbeit von der Uni aus eingeimpft.

Schön wäre ein gesundheitsberuflicher Oberdachverband ALLER Professionen, aber bei den gegenwärtigen Altherren-Strukturen bleibt das leider auch Wunschdenken.

Zukunftsperspektiven

von Apotheker 08 am 29.09.2019 um 18:36 Uhr

Eines konnte dieser DAT sicher nicht, nämlich die Pharmazie in Deutschland als zukunftsorientiert und innovativ zu positionieren. Wir sind im Bereich der Klinischen Pharmazie mittlerweile am unteren Ende im weltweiten Vergleich und verteidigen ein Modell, welches bald nicht mehr funktionieren wird. Sicher gab es einige Anträge wie die Pflicht zum Stationsapotheker, das ist löblich und wichtig. Aber für den zukünftigen Nutzer der Öffentlichen Apotheke gibt es keine Ideen, keine Visionen. Technik, KI und Automatisierung stehen zur Verfügung und können Einzug in den Berufsalltag halten. Dennoch herrscht Zurückhaltung. Warum ist kein anderer Politiker gekommen: weil die keinen Bock auf diese Veranstaltung hatten und auf das immer gleiche Gerede. Alleine unsere Nachbarn (Frankreich: Telepharmazie; Dänemark: Möglichkeit der Verschreibung; Schweiz: Möglichkeit der Verschreibung und erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen) haben in den letzten Wochen Weichen gestellt und Modernisierungen auf den Weg gebracht.

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Chance nicht vergeben.

von Reinhard Rodiger am 29.09.2019 um 18:10 Uhr

@ Herzog

Kollege Herzog träumt "von Dreiklang aus Stärke, Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit."

Kapitalistischer geht es nicht.Ich sehe weltweit nirgends eine blühende ApothekenLANDSCHAFT. Schon gar nicht ausserhalb der Ballungsgebiete.Sicher, es gibt einige Gipfel, doch als Modell für mehr als ein Drittel? Gut, für intelligente Angebote gibt es schon heute einen Markt für Zahlungskräftig/Willige, er wird ja genutzt, nur ist die Zahlungskraft regional etwas begrenzt.
Und damit als Voraussetzung nicht tauglich für die Allgemeinheit. Kapitalistische Prinzipien sind jedoch immer selektiv..Da ist menschengemässe Kleinteiligkeit im Weg, Diversität kontraproduktiv. Da fallen eben viele weg, bis wenige übrig sind.Kontraktion ist bestimmt den Weg. Der Dreiklang führt bei Priorisierung des Wettbewerbs zum Ausschluss breiter Schichten.Auf beiden Seiten.

Wenn also die Allgemeinheit noch erreicht werden soll, müssen solche kapitalistischen Prinzipien kreativ ersetzt werden.Dazu muss der heutige Nutzen und die Kosten bilanziert werden.Das ist nicht geschehen. Denn vor allem steht die Definition der Reichweite der gesellschaftlich notwendigen Dienstleistungen.
Sicher, zuviel Regularien und alleiniger Bezug auf justiziables sind keine Lösung. Doch ist der RxVV mit dem Vorlauf der OTC.Freigabe ein Surrogat für Gleichbehandlung und die deletäre Wirkung von Kapitaleinsatz bei freien Preisen. Weshalb soll plötzlich die gleiche Entwicklung wie bei der OTC-Freigabe bei Rx nicht eintreten?
Der Effekt war drastische Ertragssenkung.Das ist offensichtlich schon vergessen.

Deshalb bleibt der RxVV das wichtigste Ziel, dem alles andere nachgelagert ist.Die Situation hat sich gedreht.Hier wurde zumindest die auch herbeigeredete Aussichtslosigkeit schon erheblich vermindert.Es gibt eine Chance, deren Nutzung anderes nicht ausschliesst.
Es wäre kurzsichtig, sie nicht intelligent zu nutzen.

Ansonsten ist der Appell, über die Haltung und Gestaltung nachzudenken wie immer gültig.


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Alles Müller oder was?

von Dr Schweikert-Wehner am 29.09.2019 um 16:12 Uhr

Kurz und präzise lese ich immer...

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Zukunftsfähigkeit Fehlanzeige ...

von Reinhard Herzog am 29.09.2019 um 14:41 Uhr

Wer als akademischer (!) Beruf meint, seine Zukunft an ein paar dürre Verbotsparagrafen oder gar an ein Beschneiden von schlichten Abgabeautomaten knüpfen zu können, hat wirklich wenig verstanden und ganz andere Probleme.
Und ist auf dem besten Weg, völlig seine Zukunft zu verpassen.

Das ist doch so, wie Roboter in der Industrie oder Computer am Arbeitsplatz verbieten zu wollen. Oder wenn Euer Großhändler bei der Politik intervenieren würde, dass er nicht mehr ausliefern muss, sondern sich jeder selbst seine Ware in der Niederlassung abzuholen hat.

Ein RxVV hilft Euch perspektivisch genau - NICHTS!
Dgl. die Automatenbeschränkungen.

Bestenfalls gewinnt man etwas Zeit - die leider mutmaßlich nur zum Weiterschlafen genutzt würde. Geht ja immer wieder gut - bis halt mal Wirtschaftswunderland der dicken Geldbörsen abgebrannt ist. Und das zeichnet sich ab. Und so hat man wieder Zeit vertan, die man besser in die Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit investiert hätte.

Es gibt nur eine Überlebensgarantie, und die lautet auf den Dreiklang aus Stärke, Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Auch gegenüber dem Versand, der nur mit Wasser kocht und einen höheren Aufwand je Kunde hat, ich kann es nur immer wiederholen.

Es ist doch geradezu lächerlich, sich von so ein paar Holland-Läden, die für ganz wenige Prozent des Branchenumsatzes stehen und chronisch defizitär sind, durch die Manege treiben zu lassen. Der (vermeintliche?) Riese hat Angst vor dem Dreijährigen mit der Wasserspritzpistole und ruft um Hilfe ...

Gerade im Sinne des Nachwuchses wäre es sehr wünschenswert, eine wettbewerbsfähige, führende Apothekenlandschaft zu besitzen, mit internationalem Expansionspotenzial dieses Erfolgsmodells. So macht Wirtschaften Spaß. Das ist übrigens auch eine Frage der Selbstachtung.

Setzt Euch endlich mal auf den Hosenboden, versetzt Euch in die Lage der Kunden, aber auch der Kostenträger und Politik, und macht Angebote, die einfach überzeugend sind. Weil sie ihren Preis einfach wert sind. Das gibt unsere Branche doch locker her!

Aber doch nicht als permanenter Bittsteller und chronischer Bedenkenträger, der nur nach Schutz ruft!
Die Politik nimmt zwar (noch) den Ball gern auf, weil sie sich geschmeichelt fühlt und ihre Gestaltungsmacht demonstrieren kann. Das ändert sich rasch, wenn sich die Prioritäten verschieben.

Darauf kann man doch nicht seine Existenz bauen in diesen Zeiten. Es ist angesichts unserer Marktgröße vielmehr ein Wunder, dass es solange gehalten hat (wir sind nicht Estland oder Polen ...).

Und was macht diese ganze Kriecherei mit den Menschen? Auch darüber gilt es mal nachzudenken. Will man so dauerhaft leben? Am ständigen Gängelband? Um wie viele Gestaltungsmöglichkeiten betrogen?

Volkswirtschaftlich und für alle Beteiligten ist der Weg des Wegregulierens wirtschaftlicher Realitäten völlig falsch, so wie auch z.B. ein Mietendeckel oder irgendwelche Quotenpolitik.

Der Beruf hätte (noch) so enorm viele Gestaltungsmöglichkeiten selbst in der Hand, wenn er nicht immer so devot und ängstlich daherkommen würde.

Aber was rede ich - jedem das Seine ...

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AW: Die Zukunftsfähigkeit steckt im eigenen Hosenboden ...

von Christian Timme am 29.09.2019 um 16:23 Uhr

und nicht in der verinnerlichten Rezeptabhängigkeit und dem ausschließlichen Ruf nach Honorarerhöhungen ... also „Setzt Euch endlich .... „

AW: Zukunftsfähigkeit Fehlanzeige?

von Wolfgang Müller am 29.09.2019 um 18:19 Uhr

Bravo, geschätzter Kollege Herzog, auch Sie sind in der Lage, diesen herrischen, apodiktischen, einschüchternden Ton bestens zu treffen, der bei Apothekers bisweilen diese einmalige Wirkung erzielt ... sogar vollkommenen Quatsch für bedeutungsvoll zu nehmen ... das ist großes Kino; ich bin sicher, Sie genießen das feixend genau wie der Minister.

Prinzipiell ist Ihnen beiden das ja zu gönnen, aber wissen Sie: Wir versuchen gerade vollkommen zukunftsorientiert und -fähig sinnvolle Rahmenbedingungen für unser Apotheken-System zu erhalten. Sowohl gegen die speziellen Interessen des Ministers, als auch gegen jedweden sonstigen unnötigen großartig gehypeten "strukturellen Wandel".

Aber beeindruckt bin ich persönlich wieder einmal sehr, wie schon bei "drei Ligen höher" vorgestern. Deshalb wünsche ich Ihnentrotzdem weiter einen schönen Sonntag!

AW: Zukunftsfähigkeit Fehlanzeige

von Gregor Dinakis am 30.09.2019 um 0:28 Uhr

Der von Ihnen erwähnte Dreiklang hat 3 kleine Schwächen:

1) Es fehlt an Stärke, weil Dachverband zu Landesinsititutionen sich ständig in Widersprüche verstrickt

2) Wettbewerbsfähigkeit: haben viele leider nie gelernt bzw. mussten es nie und bleiben daher in altem idealistisch geprägten Denken stecken (hallo Wagenburg), weil man die wirtschaftliche Hybridisierung des Berufs vom alleinigen Gesundheitsberuf nicht wahrhaben möchte oder schlicht der Wille nicht da ist/war.

3) Innovationsfähigkeit: hier zeigt der pharmazeutische Mikrokosmos die gleichen Symptome wie die GroKo - ein ständiges gegenseitiges Blockieren basierend auf der urdeutschen Mentalität, ein perfektes Produkt abliefern zu wollen, was einfach eeeewig auf sich warten lässt während der Rest der Welt an einem vorbeizieht.

Es ist schon traurig, von Kunden zu hören, dass sie woanders nicht mehr beliefert werden, weil viele InhaberInnen vom Regularium derart traumatisiert sind, dass man lieber die Leute wegschickt als eine Retax zu riskieren. DAS ist das eigentliche Armutszeugnis.

Abschließend kann man nur sagen, wird es sich mit der Apothekenlandschaft wie mit dem Klimawandel verhalten. Die Welt/Gesellschaft wird es sicher überleben bzw. die Versorgung wird man notfalls auf eine andere Art und Weise retten können, aber die jetzige vorherrschende Spezies wird dem weichen müssen.

Ja, die pharm. Dienstleistungen sind die Zukunft unseren Berufs, jedoch sind mittlerweile gefühlt die Hälfte aller InhaberInnen kurz vor der Rente und haben dementsprechend wenig Lust auf noch mehr Neues.

Leider stehen die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation erst an und werden erst 2029/30 ihren Wendepunkt erreichen. Solange wird das "Apotheken"sterben (das eig. ein ApothekeRsterben ist) fröhlich an Fahrt aufnehmen.

Leider wird genauso lang noch das entsprechende Geheule andauern.

Wie gut, dass die Nacht immer kurz vorm Morgengrauen am dunkelsten ist.

Und zu guter Letzt: die läääängst überfällige Dynamisierung der Packungsvergütung (wobei die auch wegfallen kann, wenn die Dienstleistungen auf eigenen und ausreichend starken Beinen stehen).

In diesem Sinne: Danke Jens, dass du ein bisschen Tempo ins Spiel gebracht hast. Unsere Welt dreht sich immerhin auch immer schneller. Da ist es gut (und lebensnotwendig) Schritt zu halten.

AW: Konkurrenz

von Holger am 30.09.2019 um 15:34 Uhr

Unsere Konkurrenz kommt doch nicht wirklich aus Holland (das ist eine Randnotiz) und auch nicht aus Automaten. Für mich steckt unsere Konkurrenz in dem Text: "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker". Das reduziert uns doch auf einen eilfertigen Verkaufsgehilfen der Pharmaindustrie. Und ein auf den Verkaufsvorgang bezogenes Honorar hat uns davon auch jahrzehntelang gut leben lassen. Das war ein strategischer Fehler!

Wir hätten uns schon lange als DIE unabhängigen(!) und patientenorientierten (nicht: kundenorientierten!!) Arzneimittelfachleute positionieren müssen. Vielleicht ist es dafür inzwischen zu spät, das vermag ich nicht zu beurteilen. Aber es bleibt meiner Meinung nach unsere einzige Chance. Und nur wenn uns DAS gelingt, haben wir auch eine Position, aus der heraus wir mit anderen Stakeholdern - sei es die Politik, seien es die Krankenkassen, seien es auch die Patienten - über eine auskömmliche Vergütung für unsere Expertise verhandeln könnten. Dass wir als reiner Verkaufsgehilfe mit Krümeln abgespeist werden, wundert mich hingegen nicht.

Weder RXVV noch VOASG

von Dr. Radman am 29.09.2019 um 13:11 Uhr

… Es ist doch zum Mäusemelken. Der Zeitdruck verfolgt uns schon in der Gröhe Zeit. Damals wollte der Minister RXVV durchsetzen, könnte aber auf Grund baldige Neuwahlen und auch die Sozis nicht durchsetzen.

Nun wieder bei Spahn der Fall. Er will kein RXVV (Basta!), aber (VOASG) vielleicht, welches auf Grund der Neubewertung der Koalition und das Warten auf EU-Kommission nicht zu Ende gebracht werden kann. Diese Variante ist bekanntlich rechts unsicher.

Und wir Apotheker sind noch unsicherer. Wir hüpfen von einem Hügel auf die andere, um die optimale Hügel zu finden, bis wir ganz verjagt werden. Wir sind inkonsequent und entscheiden uns für eine Variante.

Mehr noch, wir sind sehr leicht erpressbar, vom Minister, Ärzte oder Parteien. Wir haben uns durch unserer Inkonsequenz und Inkompetenz in dieser Lage manövriert. Wir haben es verdient, so behandelt zu werden.

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AW: Sorry, aber ....

von Gunnar Müller, Detmold am 29.09.2019 um 13:59 Uhr

DAS sehe ich nicht so. Vielleicht noch mal bei Wolfgang Müller (s.u.) oder bei meinem Kommentar die Alternativen nachlesen ...
Oder aber auch sich die ein oder andere DAT – Rede unseres Friedemanns ’reinpfeifen…
(auch seine diesjährige Rede könnte in ihrer Analyse durchaus Mut machen - auch wenn bei „unserem“ Präsidenten wieder einmal die kämpferischen, mitmachenden Konsequenzen fehlen ..)

AW: Weder RXVV noch VOASG

von Dr. Radman am 29.09.2019 um 14:26 Uhr

Sehr geehrter Herr Kollege,

VOASG wird durch EU-Kommission in 3 Monaten oder durch EU-GH in 3 Jahren einkassiert. Der einzige sichere Weg wäre RXVV. Alles andere ist Eiertanz.

Ernsthaft: Was für ein großartiger DAT!

von Wolfgang Müller am 29.09.2019 um 12:11 Uhr

Es ist ein großer Fehler, jetzt das Kind mit dem Bade auszuschütten. Und miesjodlerisch so zu tun, als ob der DAT versagt hätte, und das RX-Versandverbot nun vom Tisch sei.

Das Gegenteil ist richtig, man sollte die DAT-Protokollierungen nur einmal mit einem gewissen juristischen Blick lesen und interpretieren. Und DURCHHALTEN.

Nach meiner Sicht der Dinge haben wir nach diesem per Saldo herausragend guten DAT eine eindeutige Beschlusslage: Die Mehrheit der Delegierten hat sich summa summarum dafür ausgesprochen, dass das VOASG weiter schnell vorangetrieben werden soll, gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsminister. Hierzu soll das RX-Versandverbot genau wie vom Bundesrat empfohlen in das VOASG eingebracht werden, um so die Gleichpreisigkeit schnellstmöglich sicherzustellen.

Ich persönlich finde diese Formulierung immer noch genial, bravo den Autoren. Wie Peter Ditzel schon bemerkt, da ist die Bombe klar drin, aber etwas versteckt für die, die nicht so genau hinsehen. Und die Revolte, die den DAT zum jetzigen Zeitpunkt noch überfordert hätte, konnte mit dieser Formulierung vermieden werden.

Die am Tag danach nur scheinbar so sehr enttäuschende, nur vermeintlich so schwache, panische Reaktion der Delegierten auf die brillante Einschüchterungs-Rede des führungstechnisch drei Ligen höher agierenden Ministers Spahn beschränkt sich doch lediglich auf bisschen fehlenden Mut. Vollkommen überrumpelt mal eben von jetzt auf gleich dem Minister das Gesetzgebungsverfahren aus der Hand zu nehmen, rattazong, in der GEWISSHEIT, dass der Bundesrat ein EIGENES Gesetzgebungsverfahren für ein Rx-Versandverbot einleitet!

Diese radikale, gespielt hyperaggressiv-trotzige „Stillgestanden“-Provokation von Spahn „Dann nehmen Sie mir´s doch weg, ich mach dann NICHTS mehr für Sie, und geben Sie´s dem Bundesrat. Werden Sie schon sehen, was Sie Naivlinge davon haben!“ war doch auch wirklich extrem brutal.

Ganz ehrlich, nach diesem vollkommen überraschenden, schlimmen Angriff hätte ich als Standespolitiker trotz des Beschlusses „Minister, wir machen weiter mit dem VOASG“ nicht die geringsten Hemmungen, die Möglichkeiten einer Bundesrats-Gesetzesinitiative für das Rx-VV auszuloten. Ist doch eigentlich eine gute Idee, die uns Spahn da gegeben hat! NIRGENDS steht, dass eine Berufs-Vereinigung bei einer derart dreisten existentiellen Bedrohung nicht sicherheitshalber parallele Ansätze verfolgen darf. Und dass ein Minister dann einfach beleidigt seine eigene Arbeit an einen vermeintlich so wichtigen Gesetz – so wie lässig angedroht – überhaupt einstellen DARF.

Alles Bluff. Nüchtern betrachtet, halte ich uns, „Die Apothekerschaft“ für prima gestärkt. Man kann die Rede von Spahn trotz rhetorischer und führerischer Brillianz nämlich auch als „leicht aus der Rolle gefallen“ einstufen: Wo hätte es denn so eine Demütigung einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberschaft bei einer Diskussion anlässlich ihres drohenden Untergangs schon mal gegeben? Wo sonst wäre so etwas möglich? Ärzte, IG Chemie, Gesamtmetall, Juristentag?

Wir müssen es nur selber FESTSTELLEN, offiziell im Nachgang mit der Politik klären, vor Allem auch mit dem Bundesrat, und als positives Ergebnis festhalten. Und dann das draus machen, was wir schon am zweiten DAT-Tag draus machen wollten. NICHTS hat sich formal oder moralisch an dieser Beschlusslage geändert. Das ist jetzt keineswegs ein CLOSED SHOP nach SPAHN, und wer uns das weismachen will, verrät uns.

Einfach mal weiter stark sein, weiter den offensichtlichen Gegnern die Stirn bieten.

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Spahns „Stöckchen“ kann mehr ...

von Christian Timme am 29.09.2019 um 10:09 Uhr

Hier geht’s lang ... und hopp, und hopp ... jetzt geht alles im Wunderland der Pharmazie... das “blaue Leckerli“ gibt‘s dann noch etwas später ...

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Na denn: Alles auf „Anfang“!!

von Gunnar Müller, Detmold am 29.09.2019 um 9:49 Uhr

Natürlich könnte man jetzt viel über einen Präsidenten debattieren, der die Nöte und Sorgen der Apotheken vor Ort verstanden zu haben scheint – aber die falschen Rückschlüsse zieht!
Natürlich könnte man auch lang und breit über (auch Standes-) Politiker debattieren, die immer genau dort stehen, wo man sie gerade nicht braucht…
Und natürlich könnte man auch vortrefflich über einen Bundesgesundheitsminister debattieren, der nicht droht – aber manche Dinge eben auch nicht lässt …

Aber nehmen wir sie doch bitte ALLE einmal und zwar ernsthaft beim Wort:
Es soll also ein VOASG geben – ein Gesetz zur Stärkung der Apotheken vor Ort.

Gut, dann soll mit diesem Gesetz aber bitte schön auch wirklich eine STÄRKUNG der Apotheken VOR ORT stattfinden und nichts anderes!

Und da das Ganze nun offenbar netterweise ein paar Tage verschoben wird, haben jetzt alle – aber bitteschön wirklich WIR alle – auch ein bisschen Zeit, uns über dessen Inhalte noch einmal richtig gute Gedanken zu machen ...

Nutzen wir doch alle diese Zeit. Auch, um vielleicht (schon?) mit der/m ein oder anderen MdB oder auch MdL zu reden. Um ihr/m klarzumachen, wo den Apotheken derzeit der Schuh WIRKLICH drückt und welche Maßnahmen WIRKLICH UND DRINGEND erforderlich sind. Und da denke ich neben der ausländischen und der Versender-Problematik AUCH an die unsägliche Bürokratie in Verbindung mit Krankenkassen-Rahmenverträgen, SecurPharm (natürlich und leider), an die Lieferengpässe und nicht zuletzt: den unsäglichen, neu-„verhandelten“ (eher: eingehandelten!) AM – Liefervertrag…!

Alles andere (z. B. Impfen etc.) KANN man z. B. als Pilotmaßnahme in ein solches Gesetz hineinbringen - aber bitte doch nicht als nun mit der Brechtstange eingebrachte, vermeintlich rettende „Zukunft“, von der keiner weiß, welche zusätzlichen Approbierten oder PTA die damit verbundenen zusätzlichen (!) Arbeiten einmal vollziehen sollen, von denen die Apotheken dann aber einmal „leben“ sollen!
Weder die pilotierende niedersächsische Apothekerkammer – noch (wen wundert es) die ABDA – konnten zum Beispiel auf Anfrage Auskunft darüber geben, wie viele Approbierte das zunehmend bundesweit ausgerollte „Projekt Stationsapotheker“ binden wird.

Deshalb sollte in diesem VOASG dringend auch ein Satz zur längst überfälligen Reform der Apothekerausbildung und damit untrennbar verknüpft auch zur PTA – Ausbildung stehen. Beide sollten ENDLICH aufeinander abgestimmt und bei dieser Gelegenheit auf die veränderten fachlichen aber auch ökonomischen Anforderungen vor allem in den Apotheken angepasst („modernisiert“) werden.

Schaut man sich die Hebammen an, so sollte ein Pharmazie – Bachelor oder ein PTA – Bachelor für die hervorgehobenen Tätigkeiten auch in Apotheken (z. B. AMTS) ins Auge gefasst werden. Um den guten, alten Vorexaminierten wieder (neu !) aufleben zu lassen, müssten allerdings beide Ausbildungen grundlegend reformiert oder eine dritte neue geschaffen werden.

Ein wirklich gut gemachtes VOASG bedeutet also vor allem und insbesondere für alle Parlamentarier, die darüber abzustimmen haben: Viel Holz!

Scheren wir uns deshalb nicht um irgendwelche Dogmen, Agenden und um die ABDA. Packen wir es an der Basis an. Stärken wir die Apotheken vor Ort wirklich und nachhaltig.
Und: Packen wir an der Basis es an!

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AW: Brechtstange

von Holger am 30.09.2019 um 16:46 Uhr

... ein wirklich treffender Verschreiber!!

Aber finden Sie echt den Altvorexaminierten "gut, alt"???
Zum Glück bin ich ja erst in einer Zeit sozialisiert worden, als dieser Zopf schon abgeschnitten war. Aber dass jemand, der einfach nur zwei Jahre von irgendeinem Apotheker angelernt worden ist, Jahrzehnte später immer noch ein paar Wochen im Jahr den Leiter vertreten darf - sorry, da sträuben sich bei mir alle Nackenhaare und ich bin froh dass das vorbei ist! Gerade wenn wir uns als akademischer Beruf darstellen wollen, dürfen wir solche alten Zöpfe bitte nicht wieder wachsen lassen.

Reform der Apothekerausbildung - sehr gerne! Und bitte deutlich mehr praktische Anteile mit unmittelbarem Patientenbezug, vulgo Klinische Pharmazie. Dafür deutlich weniger praktische Anteile ohne denselben, vulgo Stass-Otto und Konsorten. Der Apotheker imponiert nicht mit seinen Detailkenntnissen über Synthese und Analytik von Arzneistoffen, sondern durch seine profunde Kenntnis von Nutzen und Risiken der Anwendung von Arzneimitteln unmittelbar am Patienten. DAS müssen wir stärken.

Und, da spreche ich jetzt aber deutlich aus der partikularen Sicht des Krankenhausapothekers, wenn wir auch noch die PTA-Ausbildung reformieren wollen, müssen wir da einerseits auch die Beratungskompetenz stärken (vielleicht noch mit deutlicheren Schwerpunkten auf OTC einerseits und ganz konkreter Anwendung von Rx andererseits) und andererseits dafür sorgen, dass die Ausbildung hinsichtlich Herstellung eben auch flächendeckend aseptisches Arbeiten, Zyto etc. mit umfasst.

Der Gedanke mit dem Bachelor ist sicher wichtig, aber auch gefährlich. Denn er müsste ja einen eigenständigen berufsqualifizierenden Abschluss darstellen. In den drei Jahren ist aber ein Pharmaziestudium nicht unterzukriegen. Einen "Apotheker light" dürfte das aber auf keinen Fall zur Folge haben. Und zu sagen der Bachelor ist eben der/die PTA und der Master der/die Apotheker(in) wird beiden Berufen nicht gerecht. Die PTA sind keine Apotheker light und die Apotheker sind keine PTA forte. Einen vernünftigen Weg habe ich hier leider noch nicht entdeckt, aber wir werden mittelfristig um diese Entwicklung auch international nicht herumkommen.

Spahn und die Delegierten

von Ulrich Ströh am 29.09.2019 um 8:55 Uhr

Als Zuschauer der Plenarsitzung des DAT hat mich am meisten beeindruckt,wie schnell Minister Spahn die 300 Apotheker-Delegierten im rhetorischen Griff hatte, so daß nach seinem Besuch sogleich einem Adhoc-Antrag zur schnellstmöglichsten Einbringung von Spahns Gesetz in den Deutschen Bundestag zugestimmt wurde.

Das Handelsblatt titelte:
-Gesundheitsminister Spahn bringt Apotheker auf Linie- .



Dem ist nichts hinzuzufügen.

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AW: Spahn und die Delegierten

von Conny am 29.09.2019 um 9:26 Uhr

Die Delegierten mögen gute Apotheker sein aber sonst, jetzt schreibe ich lieber nicht weiter ! Es war ein Albtraum !

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