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Das war ein Apothekertag! Er hatte es in sich! Ein depressiver Klimaindex, unhaltbare Lieferengpässe, Hoffnung aufs E-Rezept und eine Web-App, ein schwärmerisches Ja zur Grippeschutzimpfung in Apotheken, der Präsident mit einem literarischen Opus aus Psychologie und Mythologie als Lagebericht. Und der Höhepunkt: eine Debatte zum Rx-Versandverbot. Mit dabei: Spahn. Spannend wie ein Tatort-Krimi in vier Teilen. Mit dem bitterem Ende: Lieber ein VOASG als nix.
23. September 2019
Wow, das löste Diskussionen aus: das DAZ.online-Interview mit Michael Hennrich, zuständig für Arzneimittelthemen in der Unionsfraktion. Unter dem Eindruck der allgegenwärtigen Klimaschutzdiskussion ließ er durchblicken: Er wisse z. B., dass man an Konzepten arbeite, die Touren von Lieferdiensten zu reduzieren. Und: Man müsse mal „darüber nachdenken, ob man die Belieferung von Apotheken anders organisieren kann“. Man sollte darüber debattieren, ob eine fünf- bis sechsmalige Belieferung der Apotheken durch den Großhandel nötig ist. Denn: „Apotheken und Großhändler haben keine grundsätzliche Freikarte beim Klimaschutz.“ Das war der Stich ins Wespennest. Aber Hennrich denkt dabei nicht an ein Gesetz, eher ganz harmlos an Anreizsysteme, um die Belieferungsfrequenz zu reduzieren. Aber er sagte auch: Die Versorgung muss flexibel bleiben. Nun ja, mein liebes Tagebuch, es ist ein emotionales Thema – vor allem wenn man die Tausende von Lieferfahrzeugen sieht, die täglich für Amazon, Zalando und all die anderen Online-Shops unterwegs sind. Und vor allem die vollkommen verzichtbaren Lieferungen der ausländischen Versandapos: Was brächte da eine kleine Lieferreduzierung für unsere Vor-Ort-Apos? Die meist darauf angewiesen sind! Eben. Es gibt größere Aufgaben. Und es gibt anderswo weit mehr Einsparungspotenzial. Fangen wir bei den ausländischen Versandapos an!
24. September 2019
Der Auftakt zum Deutschen Apothekertag: eine Pressekonferenz. Unsere ABDA machte es sich da wie in den letzten Jahren wieder leicht: Sie stellte die Ergebnisse einer Umfrage unter Apothekeninhabern vor: Den Apotheken-Klimaindex 2019. War nicht lustig, mein liebes Tagebuch, zu Lachen gab’s da nix. Alles traurig, was die Umfrage zu Tage gebracht hatte. Probleme über Probleme. Die Hauptsorgen der Inhaber: Lieferengpässe an erster Stelle, dann Unwägbarkeiten mit dem E-Rezept. Und dann: Wie wird‘s mit der Gleichpreisigkeit weitergehen, die mit dem Apothekenstärkungsgesetz nur halbseiden wiederhergestellt wird und bei der man nicht weiß, ob und wie lange sie so hält. Und weiter: die Bürokratie, der Mangel an Mitarbeitern und und und. Wenn das unser Nachwuchs hört, dann lässt er am besten das Pharmaziestudium sein: Wer will schon in einen solchen Frust-Beruf einsteigen? Bei so vielen niederschmetternden Ergebnissen war der Kapitän des ABDA-Tankers, Friedemann Schmidt, gleich gar nicht an Bord der PK. Er zog es vor, „internationale Verpflichtungen“ in Abu Dhabi wahrzunehmen – Genaues erfuhr man nicht, was den Spekulationen freien Lauf lässt: Vielleicht Gespräche über eine finanzielle Unterstützung der ABDA oder Finanzspritzen fürs neue ABDA-Haus oder oder. Mein liebes Tagebuch, mal Spaß beiseite, man musste feststellen, es ging auch ohne ihn, Schmidts Vize Arnold (der vom Doppelpack) vertrat ihn beim Überbringen der depressiven Klimaindexes würdig. Und dennoch, man kann es als Zeichen sehen, dass der Präsident bei der PK nicht dabei war. Zu alledem schwebte über der PK die Schreckensmeldung von der vergifteten Rezeptur in einer Kölner Apotheke und den dadurch ausgelösten Tod einer Schwangeren. Fragen von Journalisten: Sind Rezepturen in Apotheken noch sicher? Mein liebes Tagebuch, das fängt ja gut an.
25. September 2019
Endlich, endlich, mein liebes Tagebuch, die Lieferengpässe sind breit in der Gesundheits- und Pharmaszene angekommen. ABDA-Vize Mathias Arnold hat sich gegenüber der Deutschen Presseagentur dazu geäußert: „Lieferengpässe kommen leider immer häufiger vor und sind ein großes Ärgernis.“ Die jetzige Situation sei unhaltbar. In vielen Apotheken würden zehn Prozent der Arbeitszeit oder mehr dafür aufgewendet, Lieferengpässe zu bekämpfen. Ja, mein liebes Tagebuch, es war längst überfällig, dass sich die ABDA dazu in der Öffentlichkeit artikuliert. Wir fragen uns, warum erst jetzt? Auch DAV-Chef Fritz Becker thematisiert die Lieferengpässe laut und deutlich bei der Eröffnung der Expopharm. Zugegeben, wir Apothekers haben da die A-Karte gezogen. Denn für Lieferengpässe sind wir überhaupt nicht verantwortlich, aber wir haben sie an der Backe. Es ist unser Sortiment, wir sind die Arzneimittelfachleute, wir müssen unsere Patienten versorgen – ein Dilemma. Womit wir punkten können: Wir sorgen mit einem Riesen-Aufwand dafür, dass aus Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe werden. Becker nannte die Ursachen für die Engpässe: die Rabattverträge – deshalb fordert die ABDA eine Mehrfachvergabe von Verträgen für einen Wirkstoff an mindestens drei Hersteller. Der Preis darf nicht das alleinige Kriterium sein, forderte Becker. Recht so. Außerdem sollte es verboten oder zumindest eingeschränkt werden, dass Apotheken und Großhändler bestimmte Arzneimittel ins Ausland verticken. Für Abhilfe könnte auch sorgen, wenn die Industrie ihre Arzneistoffproduktion wieder schrittweise zurück an europäische Standorte verlegt. Ja, und die Bundesregierung sollte endlich ernsthaft über die Abschaffung der Importförderklausel nachdenken.
Auch Martin Zentgraf, der Vorsitzende des Industrieverbands BPI, hat Vorschläge gegen Lieferengpässe parat: Rabattverträge sollten die Kassen nur ausschreiben dürfen, wenn es für einen Wirkstoff vier Anbieter im Markt gibt, mindestens drei Zuschläge und mindestens einer der Hersteller seinen Standort in der EU hat. Mein liebes Tagebuch, schönes Wunschkonzert, aber realistisch? Skeptisch zeigt sich Zentgraf, ob die Wirkstoffproduktion nach Europa zurückgeholt werden kann. Auch er wäre für eine Senkung der Reimportquote, aber da sei man an der Saarland Connection gescheitert. Wolfgang Späth vom Pro-Generika-Verband nennt die Lieferengpässe eine unhaltbare Situation: „Das ist pharmazeutisches Improvisationstheater.“ Nach seiner Meinung sind Vorschläge wie eine verpflichtende Meldung von Engpässen, Mindestbevorratung, Strafzahlungen nicht zielführend. Und die Rückholung der Produktion von Asien nach Europa bräuchte Dekaden. Er sieht die Ursachen für Lieferengpässe in erster Linie im enormen Kostendruck, den die Politik über Jahre aufgebaut hat. Also, da helfen nur Mehrfach-Ausschreibungen, meint Späth. Mein liebes Tagebuch, so, wie sich die Situation hier darstellt, werden wir noch lange mit Lieferengpässen leben müssen. Ein Armutszeugnis für Deutschland. Es bewegt sich nur etwas, wenn Politiker hautnah die Lieferengpässe zu spüren bekommen.
Die Rx-Gleichpreisigkeit durfte in Beckers Rede zur Expopharm-Eröffnung nicht fehlen. Der Stand der Dinge: das Rx-Versandverbot (RxVV), die einzig wahre Lösung für die Gleichpreisigkeit, konnte nicht durchgesetzt werden. Spahn und das Justiz- und Wirtschaftsministerium sehen EU-rechtliche Probleme, da ist nix zu machen, so Becker. Spahns Angebot an die Apotheker, das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG), das die Gleichpreisigkeit im Sozialgesetzbuch verankert, ist keine Ideallösung, räumt Becker ein, denn die PKV-Versicherten und die Selbstzahler werden davon nicht erfasst. Dennoch, der Gesetzentwurf bringe „erhebliche“ Verbesserungen, z. B. einheitliche Apothekenpreise zumindest für die GKV. Na ja, mein liebes Tagebuch, da muss man fragen dürfen, wie lange das hält. Und dann bringt das VOASG noch die betörende Möglichkeit, dass es pharmazeutische Dienstleistungen, von den Kassen honoriert, geben soll. Wirklich berauschend, mein liebes Tagebuch, doch wie soll das aussehen? 150 Millionen Euro sollen dafür zur Verfügung stehen, die unter den mitmachenden Apotheken aufgeteilt werden. D.h., je mehr mitmachen, umso weniger gibt’s pro Apo. Becker: „Dieses Budget muss mehr als verdoppelt werden“ – was natürlich nicht passieren wird, mein liebes Tagebuch.
Und dann forderte Becker noch die Dynamisierung dieser Dienstleistungshonorare – die natürlich genauso dynamisiert werden wie unser Apothekenhonorar, nämlich gar nicht. Also werden einige tapfere Apothekerlein bald Dienstleistungen für lau machen. Wie soll man das dem Nachwuchs verklickern?
Fast schon enthusiastisch setzte Becker ein positives Zeichen zum geplanten Modellprojekt Grippeschutz-Impfungen in Apotheken: „Wir Apotheker sind bereit für Grippeschutz-Impfungen, wir wollen diese Herausforderung annehmen“, schwärmte Becker. Mein liebes Tagebuch, erfreulich, wie sich die ABDA hier gedreht hat. Auch beim Thema Botendienst: Es sei ein deutliches Plus für Vor-Ort-Apotheken, „wir werden wettbewerbsfähiger“. Das ist nun endlich angekommen. Allerdings muss der Bote zum Apothekenpersonal gehören, fordert die ABDA. Aber, mein liebes Tagebuch, was ist, wenn vorher schon in der Apotheke beraten wurde oder telepharmazeutisch beraten wird? Dann darf doch auch der Apothekenfahrer der Bote sein, oder etwa nicht?
Großes Thema, großes Theater: das E-Rezept. „Wir setzen alles daran, bis zum 30.9.2020 alle Apotheken an die Telematik-Infrastruktur anzubinden“, versprach Becker, „aber wir sind auf die Anbieter der Hardware, der Konnektoren angewiesen.“ Mein liebes Tagebuch, und die dürften nicht das einzige Hindernis bei diesem Mammut-Projekt sein. Aber es gibt auch erfreuliche Ansätze. Zwar tüfteln IT-Häuser und Krankenkassen auch an E-Rezept-Lösungen herum, aber Becker weiß: „Wir sind die einzigen, die das E-Rezept eng an den Vorgaben der Telematik-Infrastruktur entwickeln.“ Na, das ist doch mal ein Vorsprung. Bei der Web-App des DAV wollen bereits über 10.000 Apotheken mitmachen, war zur hören. Das vom Deutschen Apothekerverband angedachte Procedere beim E-Rezept hört sich vernünftig und schlüssig an, das E-Rezept wird’s nicht nur elektronisch aufs Handy geben, Patienten ohne Smartphone und Internetzugang bekommen auf Papier einen Zugangscode zu ihrem Rezept ausgedruckt, zur Vorlage in der Apo, der Patient bleibt Herr seiner Daten: freie Apothekenwahl, freie Entscheidung, was mit seinem Rezept passieren soll. Mein liebes Tagebuch, das Projekt muss flutschen, sonst wird’s nichts!
Das E-Rezept war auch Thema in einer Podiumsdiskussion der DAZ am Vorabend des Apothekertags. Mitdiskutant war Christian Buse vom Versandapotheker-Verband (BVDVA). Er sieht für die Versender natürlich große Chancen, allerdings sei noch viel in der Schwebe. Die Gematik bastele aktuell noch an der Sicherheitsstruktur und so sei es unklar, welche Aspekte am Schluss reguliert oder dem freien Markt überlassen würden.
Christian Krüger, dem Chef der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA), der das Modellprojekt GERDA entwickelt, ist sich sicher, dass es am Ende ein diskriminierungsfreies System geben wird, an dem auch der Versandhandel partizipieren wird. Denn es sei einfach die Lebenswirklichkeit, dass auch Rx-Arzneimittel im Versandhandel verschickt werden.
Apotheker Lorenz Weiler, der ein Papierformular mit QR-Code fürs E-Rezept entwickelt hat, weiß: Die Menschen möchten eine Verordnung nach wie vor in der Hand halten und bestimmen, wer für sie das Rezept wo und wie einlöst“. Er sieht die Web-App des Apothekerverbands kritisch, weil sie die Patienten immer wieder vor die Wahl stellt, wem sie ihre Rezepte digital zusenden. „Ich will als Apotheke meine Präsenz doch selbst gestalten und dem Patienten anbieten.“ Mein liebes Tagebuch, da ist noch viel offen beim E-Rezept.
Mein liebes Tagebuch, wie immer, mit Spannung erwartet: Die Rede unseres Präsidenten Friedemann Schmidt zur Lage. Was bringt er uns in diesem Jahr mit? Springen die Delegierten wie bei den letztjährigen Apothekertagen am Ende seiner Rede wiesenmäßig von ihren Stühlen auf und zollen ihrem Präsidenten frenetisch Applaus? Die Latte lag hoch. Um den Ausgang vorwegzunehmen, mein liebes Tagebuch, zitieren wir einen Delegierten: „Was war das denn?“ Ja, was war das in diesem Jahr? Ein Bericht, der eher einer Psychologie- und Mythologie-Lehrstunde ähnelte als einem Lagebericht der ABDA. Uiuiui, was ist da mit unserem Präsidenten durchgegangen? Vielleicht eine heimliche Liebe zur Philosophie, zur Psycho- und Mythologie? Da war in verschwurbelten Sätzen die Rede von der „Prävalenz-induzierten Konzeptänderung der Perzeption“, die er dem Auditorium näherbringen wollte. Oder vom „Gesetz der Penetranz der negativen Reste“, das zur Erklärung unseres düsteren Stimmungsbildes herhalten musste. Aber klar, „man darf nicht in die Falle laufen, sämtliche Probleme im Rekurs auf psychologische Erklärungsmuster als Bagatelle abzutun“, so wusste es Schmidt. Und dann gab’s ein paar verständnisvolle Schlenker hin zu den Frustrationen des Apothekenalltags, z. B. der tägliche bürokratische Aufwand und die Lieferengpässe. Nun, den unangenehmen Dingen müsse man ins Auge schauen – aber bitte wie Polyanna, „der Heldin eines zauberhaften Kinderbuchs“, so Schmidt, die auch in vertrackten Situationen die positiven Aspekte entdeckt. Mein liebes Tagebuch, da wird es einem doch warm ums Herz, oder? Halt, denn es gibt nicht nur Polyanna, sondern auch noch Kassandra, diese Böse, die überall das Negative sieht und „der wir reflexhaft zugeneigt sind“. Dann fand der Präsident zurück in die raue Wirklichkeit: „Ja, ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wäre die wirksamste Maßnahme... Und nein, diese Maßnahme ist unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen ... nicht durchsetzbar...“ Aber, mein liebes Tagebuch, auch wenn er inhaltlich anderer Meinung sei, so Schmidt, der Pharmaziestudent Benedikt Bühler hat „meinen persönlichen Respekt“ für die Entschlossenheit mit der RxVV-Petition. Und so ganz nebenbei verabschiedete sich Schmidt noch von einem zentralen Dogma der ABDA-Politik: Der bisherige Leitsatz „Struktur vor Geld“ sei so einfach wie falsch. Man müsse auch „den Blick frei haben für Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Verbesserung in Teilbereichen unserer Arbeit... Und er wurde noch konkreter in Richtung Apothekenhonorar: „Es hat wenig Sinn, an einem pauschalisierten Vergütungssystem über alle Leistungen hinweg bedingungslos festzuhalten, das zwar simpel und berechenbar ist, aber genau diese entscheidende Differenz wirtschaftlich einebnet, weil es keinen Unterschied macht zwischen einem Päckchenversand aus dem Automaten und der persönlichen Abgabe einschließlich eines (…) deutlich aufwändigeren Kontaktes.“ Na, mein liebes Tagebuch, das gleicht aus ABDA-Sicht ja fast schon einem Erdbeben. Der präsidial-optimistische Ausblick kam zum Schluss. Den Delegierten legte er nahe: „Durch Polyannas Augen können wir mit der aktuellen Apothekenreform also Einiges erreichen.“ Ja, mein liebes Tagebuch, so ein Opus kann man mögen, muss es aber nicht. Und so gab es dieses Mal selbst mit Polyannas Ohren gehört nur anständigen Beifall.
Die Meldung sorgte auch auf dem Apothekertag für Diskussionen: Der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich meint in einem Gespräch mit dem Handelsblatt, dass die Situation rund um die Apothekenreform zu kompliziert sei – er will alles abblasen: „Augen zu und durch ist jetzt keine Lösung mehr“. Sobald eine offizielle Antwort der EU-Kommission vorliege, sollte sich Spahn mit den Bundesländern zusammensetzen und nach einem neuen Weg suchen. Mein liebes Tagebuch, das kann noch heiter werden. Soll alles für die Katz gewesen sein?
Ein Tatort-Krimi (hier sogar als Vierteiler) ist Kinderstunde im Vergleich zur RxVV-Debatte auf dem Apotag. Teil 1: Die wie immer belebend-erfrischend-muntere Rede unseres Hauptgeschäftsführers Sebastian Schmitz (mein liebes Tagebuch, reiß dich am Riemen) war kaum im Tagungssaal verhallt, da zückten zwei Ladies aus Hessen und Westfalen-Lippe (Ursula Funke und Gabriele Overwiening) beherzt die rhetorischen Messer. Sie kritisierten die Berufsvertretung teils heftig und kündigten an, einen von der ABDA-gefürchteten Ad-hoc-Antrag auf den Tisch des Hauses zu knallen, Inhalt: „Wir fordern das Rx-Versandverbot.“ Wackere Buben aus Bayern (Thomas Benkert) und Brandenburg sprangen den Mädels zur Seite. Auch wenn Schmidt klar machen wollte, dass das Verbot zwar nach wie vor die wirksamste und beste Lösung für die Apotheker sei, aber politisch einfach nicht machbar, und obwohl Schmitz intonierte, dass Spahn das Verbot partout nicht will – der Antrag pro RxVV war nicht mehr zu stoppen.
26. September 2019
Tatort-Krimi, Teil 2: Ein letztes verzweifeltes Aufbäumen von ABDA-Vize Mathias Arnold, der mit pastoralen Worten die Einigkeit beschwor, ans gemeinsame Ziel, das wir doch alle haben, appellierte und sich beschwichtigend in den Ring warf: „Aber wir wollen auch, dass es vorwärts geht. Und gestalten wollen wir auch. Wir wollen, dass es zügig geht.“ Schön gesprochen, allein, es half nichts. Bayern-Bub Benkert, unterstützt von seinen Mädels, zündete seine Antragsbombe: Der Gesetzgeber soll aufgefordert werden, die „vorgesehene Wiedereinführung eines Verbots des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens umzusetzen“. Da lag sie nun, die Bombe – und tickte einen ganzen Vormittag lang. Während der ABDA-Präsident weitgehend in Deckung ging, tobte im Saal ein Meinungsgefecht mit dem Ergebnis, dass Benkert und Mitstreiter anboten, die Bombe zu entschärfen und nach einer verträglicheren Formulierung des Antrags zu suchen. Man wolle den Gesetzgeber auffordern, „die Stellungnahme des Bundesrates in das laufende Gesetzgebungsverfahren ergänzend einzubringen und umzusetzen“. Das allerdings war so manchem Pazifisten im Saal immer noch viel zu heftig: Sie plädierten eher dafür, die Bundesrats-Stellungnahme solle nur „berücksichtigt“ und nicht „umgesetzt“ werden, denn man wolle schließlich keine Blockade der Apothekenreform, „sonst läuft uns die Zeit davon“. Der Streit, ob man ein RxVV energisch fordern oder ob man es sich nur wünschen sollte, waberte hartnäckig durch den Saal. Welche Formulierung ist am besten, welche konsensfähig? Ein Delegierter versuchte sogar, die richtige Formulierung durch die Stärke und Länge des Beifalls im Plenum auszuloten. Es lief schon fast auf eine desaströse Lage hinaus, da schlug Benkert vor, mit seinen Mannen und Frauen eine letzte kompromissfähige Formulierung des Antrags finden zu wollen. Kurz darauf war’s geschafft! Die Zauberworte zum RxVV: „Daher fordert die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker den Gesetzgeber auf, die Stellungnahme des Bundesrates in das laufende Gesetzgebungsverfahren ergänzend einzubringen und so die Gleichpreisigkeit schnellstmöglich herbeizuführen.“ Mein liebes Tagebuch, das löste erleichternden Beifall aus: So konnte man die Forderung nach einem RxVV gut versteckt und super-weichgespült in den langen Leitantrag (oder Leidantrag?) der ABDA unterbringen. Da kam sogar der ABDA-Präsident aus seiner Deckung hervor und spendete Beifall.
27. September 2019
Tatort-Krimi, Teil 3: Zurück aus den USA und vor seiner Reise nach Afrika lässt es sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht nehmen, dem Apothekertag einen Besuch abzustatten – und die Leviten zu lesen. Ja, Mist, er hatte die eigentlich gut kaschierte RxVV-Forderung des Apothekertags entdeckt. Er wusste, jetzt ist es höchste Zeit, in diesem Laden mal für Ordnung zu sorgen und zu zeigen, wo der Hammer hängt. Also setzt er sein Pokerface auf, strahlt gespielte Ruhe aus und erklärt den verdutzten Delegierten vollkommen relaxt dem Sinne nach: Hört mal zu, ihr Apothekers, es war nicht ich, der die Gleichpreisigkeit gekippt hat, es war der EuGH. Und die Preisbindung für EU-Versender im AMG kann ich gar nicht streichen, weil sie nach der EuGH-Entscheidung gar nicht mehr gilt. Tiefes Schweigen im Saal. Und Spahn setzt – immer noch ganz ruhig – eins drauf: In aller Deutlichkeit, liebe Apothekers, das RxVV hat keine Chance, mein Anwalt, das Bundesjustizministerium, dem ich voll vertraue, hält dieses Verbot für rechtlich nicht haltbar. Mein liebes Tagebuch, schon fast versöhnlich klingt Spahns Nachsatz: Und jetzt bring ich euch mit meinem Gesetz eine Gleichpreisigkeit zurück, die für 90% des Versichertenbereichs gilt, außerdem schenke ich euch pharmazeutische Dienstleistungen und Botendienst und und und, Chancen über Chancen! Doch, mein liebes Tagebuch, dabei bleibt es nicht. Wie ein Fanal klingen seine Worte, mit denen er den Delegierten klar macht mit Blick auf deren Liebe zum Bundesratsbeschluss: „Wenn Sie meinen, die Länder können das besser, stelle ich die Dinge in Berlin gerne ein, bis der Bundesrat seinen Gesetzentwurf vorlegt. Das meine ich sehr ernst.“ Mein liebes Tagebuch, wie versteinert sitzen die Delegierten im Saal. War das eine Drohung? Meint er das ernst? Kann er das überhaupt? Wer ist hier eigentlich der Gesetzgeber? Müssen wir unsere RxVV-Forderung in die Tonne kloppen?
Tatort-Krimi, Teil 4: Mein liebes Tagebuch, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie groß die allgemeine Verunsicherung nach Spahns Auftritt war. Man fühlte sich ertappt, durchschaut, das Verstecken der RxVV-Forderung hatte nicht geklappt. Sitzt Spahn am längeren Hebel? Wie soll es jetzt nur weitergehen? Sitzungsleiter Andreas Kiefer stellte die Gewissensfrage: „Was sollen wir machen?“ Und Thomas Preis, Chef des AV Nordrheins: Sind 90%-Absicherung besser als keine, ja oder nein?“ Der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zeigte auf Alternativen, wie er sie sieht: „Entweder wir unterstützen die weitere Entwicklung des Spahnschen Apotheken-Stärkungsgesetzes oder wir verfolgen eine Gesetzgebungsinitiative des Bundesrates. Stehen wir hinter dem VOASG oder schaffen wir einen Initiativantrag im Bundesrat?“ Die Debatte wurde nachdenklicher. „Das Schlimmste ist, kein Gesetz zu bekommen“, so Overwiening. Und ein Delegierter: „Wir müssen die Chancen nutzen statt gegen die Wand zu rennen.“ Ein anderer: „Aber der Gesetzgeber ist nicht allein der Gesundheitsminister!“. Alles wahr, mein liebes Tagebuch. Schließlich verdichtete es sich: Wir wollen Spahn wissen lassen, dass wir das Gesetz weiterverfolgen, das Gesetzgebungsverfahren aber dennoch kritisch begleiten wollen. Denn Einfluss nehmen können wir, wenn’s denn endlich im Bundestag ist. Hauptsache, es kommt schnellstmöglich in den Bundestag – diese Strategie konnte am Ende eine große Mehrheit der Delegierten unterschreiben. Also, ein sanftes Endes dieses Krimi? Fast, denn das Dumme dabei ist: Wann und sogar ob das VOASG in den Bundestag kommt, steht in den Sternen. Die EU lässt grüßen.
23 Kommentare
Klugheit und Geduld
von Wolfgang Müller am 30.09.2019 um 13:27 Uhr
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Eigentlich wollte ich endlich die Kappe halten
von Karl Friedrich Müller am 30.09.2019 um 7:24 Uhr
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AW: Eigentlich wollte ich endlich die Kappe
von Karl Friedrich Müller am 30.09.2019 um 7:53 Uhr
AW: Eigentlich wollte ich auch die Klappe halten
von Reinhard Rodiger am 30.09.2019 um 11:19 Uhr
AW: Bitte nicht!
von Holger am 30.09.2019 um 14:57 Uhr
AW: Eigentlich wollte ich endlich die Kappe
von Gregor Dinakis am 30.09.2019 um 21:04 Uhr
Zukunftsperspektiven
von Apotheker 08 am 29.09.2019 um 18:36 Uhr
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Chance nicht vergeben.
von Reinhard Rodiger am 29.09.2019 um 18:10 Uhr
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Alles Müller oder was?
von Dr Schweikert-Wehner am 29.09.2019 um 16:12 Uhr
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Zukunftsfähigkeit Fehlanzeige ...
von Reinhard Herzog am 29.09.2019 um 14:41 Uhr
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AW: Die Zukunftsfähigkeit steckt im eigenen Hosenboden ...
von Christian Timme am 29.09.2019 um 16:23 Uhr
AW: Zukunftsfähigkeit Fehlanzeige?
von Wolfgang Müller am 29.09.2019 um 18:19 Uhr
AW: Zukunftsfähigkeit Fehlanzeige
von Gregor Dinakis am 30.09.2019 um 0:28 Uhr
AW: Konkurrenz
von Holger am 30.09.2019 um 15:34 Uhr
Weder RXVV noch VOASG
von Dr. Radman am 29.09.2019 um 13:11 Uhr
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AW: Sorry, aber ....
von Gunnar Müller, Detmold am 29.09.2019 um 13:59 Uhr
AW: Weder RXVV noch VOASG
von Dr. Radman am 29.09.2019 um 14:26 Uhr
Ernsthaft: Was für ein großartiger DAT!
von Wolfgang Müller am 29.09.2019 um 12:11 Uhr
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Spahns „Stöckchen“ kann mehr ...
von Christian Timme am 29.09.2019 um 10:09 Uhr
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Na denn: Alles auf „Anfang“!!
von Gunnar Müller, Detmold am 29.09.2019 um 9:49 Uhr
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AW: Brechtstange
von Holger am 30.09.2019 um 16:46 Uhr
Spahn und die Delegierten
von Ulrich Ströh am 29.09.2019 um 8:55 Uhr
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AW: Spahn und die Delegierten
von Conny am 29.09.2019 um 9:26 Uhr
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