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Bayerischer Landtag
Studie soll Homöopathika-Gabe bei Infektionen untersuchen
Bayerische Politiker aus den Reihen der CSU und der Freien Wähler wollen über eine Studie klären lassen, ob sich der Einsatz von Antibiotika mit der Gabe von Homöopathika verringern lassen könnte. Die SPD hält eine solche Studie angesichts der für sie eindeutig negativen Datenlage für überflüssig. Homöopathie-Gegner unterstützen sie dabei.
Wie BR24 berichtet, soll in Bayern ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht werden, mit dem Todesfälle durch multiresistente Keime vermieden werden sollen, eine komplexe Gemengelage. Entsprechend vielschichtig sind auch die insgesamt fünf Anträge, die sich darauf beziehen. Einer betrifft die Einhaltung von Umweltstandards in der Medikamentenproduktion, ein zweiter Lieferengpässe bei der Antibiotika-Produktion und zwei weitere die möglichst sparsame Verwendung von Antibiotika bei der Produktion von Lebensmitteln und den Einsatz von Phagen als mögliche Alternative zur Antibiotikatherapie.
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Der Streit entzündet sich laut BR24 aktuell an einem Antrag von Landtagsabgeordneten der CSU und der Freien Wähler. Sie wollen, dass die Staatsregierung dazu aufgefordert wird, durch eine Studie untersuchen zu lassen, wie der Antibiotikaeinsatz im medizinischen Bereich reduziert werden kann. Dabei soll besonders die Rolle alternativmedizinischer Methoden in den Blick genommen werden, mit speziellem Augenmerk auf ergänzend verabreichte homöopathische Präparate.
Gabe von Antibiotika nicht immer nötig
Die Parlamentarier berufen sich bei ihrem Vorstoß unter anderem auf eine Studie der britischen Regierung aus dem Jahr 2014, die belegen soll, dass im Jahr 2050 weltweit mehr Menschen an Infektionen mit multiresistenten Keimen versterben als an Krebs, falls geeignete Gegenmaßnahmen ausbleiben. Der Anstieg an multiresistenten Keimen sei einer oftmals unnötigen Antibiotikaverordnung geschuldet. Alternative Präparate könnten in manchen Fällen eventuell ebenso heilsam sein, bei sogar deutlich geringeren Nebenwirkungen, so ihre Argumentation. Wissenschaftliche Studien, speziell im Bereich der HNO-Erkrankungen, hätten aufzeigen können, dass durch den Einsatz klassischer Homöopathie sowohl ein Einsatz von Antibiotika vermieden als auch eine Verbesserung der individuellen Infektabwehr erreicht werden konnte. Weiterhin weise eine Studie zur Mortalität von Patienten mit einer schweren Sepsis darauf hin, dass eine homöopathische Behandlung in solchen Fällen eine nützliche zusätzliche Behandlungsmethode darstellen könne. Die geforderte Studie solle Aufschluss darüber geben, inwiefern homöopathische Präparate sowie weitere alternativmedizinische Methoden eine Antibiotikaverordnung ersetzen oder zumindest reduzieren könnten, um auf diese Weise der zunehmenden Entstehung multiresistenter Keime entgegenzuwirken.
Zurückhaltung beim Gesundheitsministerium
Im bayerischen Gesundheitsministerium sehe man dieses Ansinnen kritisch und verspreche sich angesichts der bestehenden Datenlage keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn davon, schreibt BR24 weiter. Das Ministerium sehe die Homöopathie nicht als Alternative zu Antibiotika. Ihr komme vielmehr eine unterstützende Rolle zu, mit dem Ziel, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu stärken. Klinische Studien, in denen schwerwiegende bakterielle Infektionskrankheiten wie eine Sepsis je nach Fallgruppe mit hochwirksamen Antibiotika oder alternativ mit Homöopathika behandelt würden, würden sich schon aus ethischen Gründen verbieten.
„Auch alle Strohhalme und Notnägel testen“
Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag Bernhard Seidenath (CSU) steht laut BR24 zu der beantragten Studie. Seiner Auffassung nach sollten die Effekte der Homöopathie, „auch wenn sie vielleicht gering seien“, nicht einfach von der Hand gewiesen werden. Angesichts der großen Probleme, die durch Antibiotikaresistenzen und multiresistente Keime drohen, müsse man „jetzt unbedingt die Weichen stellen und auch alle Strohhalme und Notnägel testen“.
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Auch die Grünen hätten im Gesundheitsausschuss für die Beschlussempfehlung gestimmt, während die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion und stellvertretende Vorsitzende im Gesundheitsausschuss Ruth Waldmann ihr eine klare Absage erteile: „Sämtliche wissenschaftliche Studien haben bisher gezeigt, dass eine Wirksamkeit homöopathischer Mittel nicht nachgewiesen werden kann“, betont Waldmann gegenüber BR24. „Es ist deswegen sehr fraglich, wieso jetzt eigentlich mit Steuermitteln die Staatsregierung nochmal eine Studie in Auftrag geben soll."
Offener Brief an Landtagsabgeordnete
Das homöopathiekritische „Informationsnetzwerk Homöopathie“ äußert sich in einem offenen Brief an die Landtagsabgeordneten. Darin wird die Sinnhaftigkeit einer solchen Studie ebenfalls kategorisch verneint. Im Gegensatz zu den Angaben im Antrag sei es trotz vieler klinischer Studien bislang noch nie gelungen, eine Wirksamkeit der Homöopathie bei auch nur einem einzigen Krankheitsbild überzeugend nachzuweisen, schon gar nicht bei Infektionskrankheiten, machen die Kritiker geltend. Die von den Antragstellern angeführte Studie zur Wirksamkeit bei der Behandlung von Patienten mit einer schweren Sepsis sei ohne jede Aussagekraft hinsichtlich einer Wirkung von Homöopathika bei Infektionskrankheiten. Auch den im Bereich HNO vorliegenden Studien spricht das Informationsnetzwerk Homöopathie eine ausreichende Belegkraft ab.
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Das Fazit: Die Untersuchung sei angesichts bereits vorliegender Erkenntnisse sinnlos und eine Verschwendung von Steuermitteln. Nach Meinung des Netzwerks wäre es wesentlich effektiver, auf eine Reduktion der Verordnung von Antibiotika hinzuwirken.
Das fünfteilige Maßnahmen-Paket steht am morgigen Donnerstag (7. November) im Landtag zur Debatte. Der Termin könnte sich laut BR24 aber auch noch auf den kommenden Dienstag verschieben.
3 Kommentare
Antrag geht in die richtige Richtung
von Dr. med. Fred-Holger Ludwig am 07.11.2019 um 17:02 Uhr
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So werden aus Antibiotika Nocebos
von Erna Geiginger am 07.11.2019 um 11:45 Uhr
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So werden aus Antibiotika Nocebos
von Dr. Detlef Eichberg am 06.11.2019 um 19:45 Uhr
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