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München
Gewinn halbiert wegen Baustelle – Apotheker kämpft um Entschädigung
Fünf Jahre Bauarbeiten im Münchener Stadtteil Pasing führten zu dramatischen Umsatzeinbußen – nicht nur beim ehemaligen Apotheker der Gesundbrunnen-Apotheke dort. Robert Scheerer kämpft nun fast ebenso lang um Entschädigung unter anderem vor Gericht. Dort scheint er damit nun endgültig gescheitert zu sein.
„Pasing ist ein fantastischer Standort“, warb der damalige Apotheker der Gesundbrunnen-Apotheke, Robert Scheerer am Pasinger Bahnhofplatz im Münchner Stadtteil Pasing noch im Jahr 2009 für Gesundheitstage, die in seiner Offizin und bei anderen Geschäftsleuten im Viertel stattfanden. 350 Kunden zählte Scheerer da noch täglich in seiner Apotheke, hatte Kooperationen mit mehreren Fachärzten und bot viel Service an, erinnert er sich. 40 Arztpraxen gab es in der Umgebung mit mehr als 1500 Patienten täglich.
Die Bauarbeiten im Stadtteil hatten da erst kurz zuvor begonnen – und noch ahnte wohl niemand die Folgen, die in den fünf Jahren Bauzeit bis zum Jahr 2014 besonders die Geschäftsleute und Einzelhändler in Pasing treffen sollten. „Ich weiß von 15 Geschäften, die letzten Endes aufgegeben haben“, sagt der heute 69-Jährige ehemalige Apothekeninhaber
Eine Baumaßnahme reihte sich an die nächste. Zuerst entstand die Nordumgehung Pasing, dann entstanden die ohnehin von den Einzelhändlern kritisch betrachteten Pasinger Arcaden – ein großes Einkaufszentrum. Der Bahnhofsplatz, an dem die Gesundbrunnen-Apotheke liegt, wurde umgebaut und noch die Trambahnlinie 19 verlängert. Von 2008 bis 2014 glich der Stadtteil zeitweise einem Labyrinth aus gelagertem Baumaterial, Gräben und Schächten, Holzplanken – alles angefüllt mit Dreck und angereichert mit Baulärm.
Umsatz ging um mehr als die Hälfte zurück
„Vor meiner Apotheke lagen zeitweise über mehrere Monate hinweg zwei Meter hoch Rohre aufgestapelt“, sagt Scheerer. Mit Kinderwagen oder gar Rollstuhl oder Rollator irgendwohin durchzukommen, sei ein Hindernislauf gewesen „Barrierefrei war da anders“, erinnert er sich. Parkplätze für die Arztpraxen und auch für die Apotheke waren nicht erreichbar.
„Das alles zusammen bedeutete einen Umsatzverlust von bis zu 70 Prozent – nicht nur in der Apotheke“, sagt Scheerer. Nur noch maximal 150 Kunden hätten täglich den Weg in seine Offizin gefunden, der Jahresgewinn sei um mehr als die Hälfte von rund 125000 Euro auf knapp 63000 Euro zurück gegangen.
Irgendwann habe die Bank auf den Verkauf seiner Apotheke gedrängt, sonst hätte die Privatinsolvenz gedroht. Schließlich hatte er Kredite zu bedienen, mit denen Umbaumaßnahmen etwa wegen der sich ändernden Apothekenbetriebsordnung finanziert worden waren. Zuvor habe er zum Teil unentgeltlich in der Apotheke gearbeitet und Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um die Apotheke zu retten, sagt er. Plus minus Null sei er dann schließlich damals rausgekommen und habe die Apotheke unter Wert verkaufen müssen. Heute lebt er von Rente und sorgt noch für seine über 90 Jahre alten Eltern.
Den Kampf gegen die von ihm empfundene Ungerechtigkeit hatte er bereits 2013 aufgenommen. Zusammen mit anderen Geschäftsleuten in einem Verein und mit Unterstützung vieler Kunden überreichte man zunächst Unterschriftenlisten und Protestnoten an die Stadt – etwa an den damaligen Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bei der 1250-Jahr-Feier des Stadtteils Pasing. „Da hat man mich noch im Vorfeld seitens der Polizei gewarnt, keinen Aufruhr zu veranstalten. Einen Rädelsführer hat man mich damals genannt“, sagt Scheerer
700.000 Euro Schaden wollte der Apotheker geltend machen
Später zog der Apotheker mit einer Klage auf Entschädigung vors Gericht – und scheiterte in der ersten Instanz. „Recht haben und Recht bekommen sind ja leider oft zwei verschiedene Dinge“, sagt er. Gegen das Urteil legte er Rechtsmittel ein und ging in die nächste Instanz vor das Oberlandesgericht. Insgesamt 700.000 Euro Schaden wollte er geltend machen – zumindest zunächst eine Teilsumme davon.
Noch ist das Urteil nicht ergangen – jedoch wollte ihm Ende vergangener Woche der Vorsitzende des OLG München keine Hoffnung auf einen Erfolg machen und legte Scheerer nahe, seine Berufung zurückzuziehen, um die Kosten des Rechtstreits zu minimieren.
Apotheker: Baumaterialien lagen zu lange vor den Geschäften
Der Argumentation des Gerichts will der Apotheker nicht folgen. Bereits in der ersten Instanz hatte es geheißen, der damalige Planfeststellungbeschluss habe Sperrwirkung auf Ersatzansprüche. „Dieser Planfeststellungsbeschluss lag irgendwo aus. Ich hatte ja nun nicht gerade auch noch Zeit, mir mal eben diese Akten durchzusehen damals – ich stand den ganzen Tag in meiner Offizin. Außerdem hatten wir gar keine vernünftige Information im Vorfeld bekommen“, sagt Scheerer.
Dass dann auch noch wohl schlechte Planung im Spiel gewesen sei, wenn etwa Baumaterialien unnötig lange viel Platz direkt vor den Geschäften eingenommen hätten, käme noch dazu. „Ein paar andere Einzelhändler haben schon früher aufgegeben, gegen die Kommune anzukommen. Ich bin der einzige, der noch übrig ist“, sagt der Apotheker.
Laut dem Anwalt der Stadt hätte der Apotheker nachweisen sollen, dass der Umsatzrückgang in direkter Folge mit der Baustelle gestanden hätte. „Wer kann denn sowas?“, sagt Scheerer. Dann sei noch versucht worden, die Apotheke als „Bambel-Apotheke“, also mehr oder weniger als „Kramladen“ abzuwerten, berichtet der Apotheker. „Dabei haben wir mehrere Auszeichnungen wie etwa den Präventionspreis des Bayerischen Gesundheitsministeriums damals erhalten“, sagt er. Außerdem hätten sich die Umsätze in den 29 Jahren, die Scheerer vor 2008 die Apotheke führte, stets nach oben entwickelt – bis zum Beginn der Baumaßnahmen.
Scheerer will Geld für den Gang vor den BGH sammeln
„Ich stehe hier vor Ihnen mit der Bitte und Forderung nach Gerechtigkeit und Entschädigung“, so leitete Scheerer sein Plädoyer vor dem Oberlandesgereicht ein. „Enteignungsgleich“ sei der Eingriff durch die Stadt München gewesen und habe seine Existenz und die seiner Familie und Mitarbeiter gefährdet.
Auch wenn sich abzeichnet, dass wohl in dieser Woche auch vor dem OLG seine Klage auf Entschädigung gegen die Stadt München scheitern wird, will der Apotheker im Ruhestand eigentlich noch nicht klein beigeben. „Ich würde gerne noch bis in die nächste Instanz gehen, vor den Bundesgerichtshof“, sagt er. Allerdings würde er dazu 30.000 Euro benötigen. „Wer hat diese Geld mal so übrig?“, meint er.
Rechtsprechung zum Thema Schadensersatz für Einzelhändler uneinheitlich
Seiner Meinung nach werde wohl versucht, einen Präzedenzfall zu vermeiden, der nicht nur die Stadt München viel Geld kosten könnte. Allerdings ist die Rechtsprechung zum Thema Schadensersatz für Einzelhändler bei Baumaßnahmen schwierig und uneinheitlich. Von „Opfergrenzen“, die hingenommen werden müssten, wenn Baumaßnahmen dem Wohle der Allgemeinheit dienten, ist da etwa die Rede.
„Es wird sich nichts ändern an den vielen geschädigten Einzelhändlern und Apotheken, die durch Umbaumaßnahmen von Kommunen und anderen öffentlichen Einrichtungen in ihrer Existenz bedroht sind, wenn nicht die ‚Nichtanwendung der Sperrwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses‘ durch BGH-Gerichtsurteile in Ausnahmefällen öfter gesichert wird“, sagt der Apotheker. Um das eventuell noch vor dem BGH zu erstreiten, überlegt der Apotheker, Gleichgesinnte zu suchen oder per Crowdfunding die benötigten 30.000 Euro aufzutreiben. „Vielleicht wende ich mich auch nochmal an die ABDA“, sagt er. Noch gibt Scheerer nicht auf.
1 Kommentar
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von Anita Peter am 18.11.2019 um 13:51 Uhr
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