- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Böses Erwachen beim E-...
Gastkommentar
Böses Erwachen beim E-Rezept verhindern!
Für die Apotheken vor Ort geht es beim E-Rezept ums Überleben. In einem Gastkommentar beschäftigt sich Dr. Stefan Hartmann, Apotheker aus dem bayerischen Gilching, mit den derzeitigen E-Rezept-Modellprojekten. Konkret ist er besorgt, dass zunehmend Insellösungen entstehen, die der Apothekerschaft schaden könnten. Sein Credo: Mehr Effizienz durch Kooperation der Warenwirtschaftsanbieter wäre dringend wünschenswert.
„Alles schläft, einer wacht“ – war einmal der Text zu einer Imagewerbung der ABDA für die deutsche Apotheke. Es drängt sich der Verdacht auf, dass diese Aussage zurzeit bezogen auf die Marktentwicklung leider bittere Realität ist. Da kündigt DocMorris eine eRx-App gemeinsam mit dem Hausärzteverband in Westfalen-Lippe als Kooperation an, bei der Apotheken nur noch als Botendienst-Handlanger im Spiel sind. DocMorris plakatiert in ganz Deutschland und wirbt damit, dass, sobald das e-Rezept kommt, alles ganz einfach in Holland zu bestellen sei. Das setzt sich gerade in den Köpfen der Apothekenkunden fest.
Das wäre an sich ja gar nicht so schlimm, wenn es eine adäquate Antwort aus dem Berufsstand gäbe. Aber die übrigen Marktteilnehmer verfolgen offenbar weiterhin eigene Partikularinteressen, es kommt daher zu Insellösungen: CGM Lauer möchte nicht bei GERDA mitmachen, Noventi würde gerne am Berliner E-Rezept-Projekt abrechnen, darf das aber nicht und klinkt sich nun bei der TK ein.
Die Bundesregierung macht es vor
Es gibt in der Weltwirtschaft eine ähnliche Entwicklung, die man beobachtet. Die Abhängigkeit deutscher Unternehmen von Anbietern wie Google, Amazon Web Services oder Alibaba hat die Bundesregierung und Frankreich endlich, und hoffentlich nicht zu spät, auf den Plan gerufen, eine europäische Cloud (Gaia X) zu gründen, um die Daten-Abhängigkeit von den Digital-Vorreitern zu bremsen. Man sieht, es geht doch, wenn man Eigeninteressen nicht voranstellt, sondern über Grenzen hinweg kooperiert.
Ich bin der festen Überzeugung, dass sich alle Apotheken über eine einheitliche, unverkäufliche und offene Plattform untereinander vernetzen müssen und zwar zwingend großhandels-, industrie- und warenwirtschaftsübergreifend“.
Amazon kommt mit der Radladerschaufel
Es darf keine Rolle mehr spielen, in welcher stationären Apotheke ein Patient einkauft, die Medikationsdaten müssen in jeder stationären Apotheke sofort sichtbar und abrufbar sein. Die in der ADAS zusammen geschlossenen Softwarehäuser, die systemrelevante Schlüsselindustrie unseres Apothekenmarktes, könnten mit Unterstützung der ABDA und/oder der NGDA eine solche einheitliche, unverkäufliche Plattform schaffen.
Jeder Marktteilnehmer, der von Haus aus ein vitales Interesse am Erhalt des bestehenden Apothekensystems hat, müsste heute mit seinen vermeintlichen Wettbewerbern auf korrektem Wege kooperieren. Ansonsten nutzt das jeweilige Engagement zwar mittelfristig den eigenen Partikularinteressen, schadet aber langfristig den inhabergeführten, stationären Apotheken.
Ich bekomme derzeit ein Bild vermittelt, in welchem viele Kinder, die es alle gut meinen, im Sandkasten sitzen, mit sich selbst beschäftigt sind, ihre eigene Burg bauen wollen, während DocMorris, Amazon und Konsorten gerade lächelnd dabei sind, eine gigantische Radladerschaufel voll Sand über dem Sandkasten auszuschütten. Die Lösung kann meiner Meinung nach nur darin bestehen, dass die 19.000 Apotheken untereinander vernetzt werden und eine absolut kundenorientierte Lösung realisiert wird, um die Apotheken vor Ort in ihrer Existenz zu sichern.
Hartmann: E-Rezept-Lösungen müssen schnell und bequem sein
Diese einzige Lösung muss deshalb zwingend kundenorientiert sein, denn der Kunde wird in Zukunft entscheiden, wohin sein E-Rezept gesendet werden soll. Es muss schnell und bequem sein. Abholung in der Apotheke, Zustellung im Botendienst oder Versand durch eine standeseigene Versandapotheke würden unsere Kundenwünsche befriedigen. Warum? Weil dies Amazon und DocMorris bereits seit Jahren vormachen. Verfügbarkeits- und Preisabfragen müssten selbstverständlich sein. Dieser Entwicklung und dieser Realität darf sich unsere Standesführung nicht verschließen. Denn täglich grüßt Kodak.
Wir benötigen schnell marktoffene, transparente Modelle mit standardisierten Übertragungswegen und offenen Schnittstellen im Sinne einer Schwarmintelligenz von gut 19.000 stationären Apotheken. Benötigt werden interoperable Lösungen.
1 Kommentar
Voraussetzung
von Thomas Kerlag am 20.11.2019 um 7:07 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.