Krankschreibung ohne Arzt

Wettbewerbszentrale klagt gegen AU-Schein-Startup

Berlin - 19.11.2019, 15:15 Uhr

Ist für die AU-Bescheinigung wirklich ein Arztbesuch nötig? Die Wettbewerbszentrale lässt das Geschäftsmodell von au-schein.de rechtlich prüfen. (c / Foto: nmann77 / stock.adobe.com)

Ist für die AU-Bescheinigung wirklich ein Arztbesuch nötig? Die Wettbewerbszentrale lässt das Geschäftsmodell von au-schein.de rechtlich prüfen. (c / Foto: nmann77 / stock.adobe.com)


„Krankschreibung ohne Arztbesuch“ – so wirbt ein Telemedizin-Startup aus Norddeutschland für sein Geschäftsmodell. Die Wettbewerbszentrale sieht darin einen Verstoß gegen das Fernbehandlungs-Werbeverbot im Heilmittelwerbegesetz. Sie hat nun einen Musterprozess gegen Anbieter von AU-Bescheinigungen eingeleitet.

Unter au-schein.de lässt sich ganz einfach eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestellen, ohne dass dafür ein Arztbesuch nötig wäre. Das Unternehmen verspricht einen „100 Prozent gültigen AU-Schein“ online als pdf-Datei für 14 Euro, per Post zuzüglich weiterer fünf Euro. Ausgestellt wird die Bescheinigung durch einen Privatarzt.

Auf der Homepage kann der interessierte Kunde zunächst unter sechs Gründen für seine Krankheit wählen (Erkältung, Rückenschmerzen, Migräne, Regelschmerzen, Stress, Blasenentzündung). Dann kann er vorgegebene und auswählbare Symptome anklicken und einige Fragen zu seinem Gesundheitszustand beantworten. Er kann auch nach eigenem Ermessen die Dauer der Krankschreibung bestimmen – zwischen ein und drei Tagen. Dann braucht das Unternehmen nur noch die Kontaktdaten des Nutzers und die gewünschte Zahlungsmodalität.

Bei Testbestellungen kam es zu keinem Kontakt des Kunden mit dem betreffenden Arzt. Die Wettbewerbszentrale sieht in der Werbung für diese Dienstleistung einen Verstoß gegen § 9 Heilmittelwerbegesetz. Die Vorschrift verbietet die Werbung für Fernbehandlungen.

Zweifel an der Beweiskraft 

Zudem hält die Wettbewerbszentrale die Aussage „100 Prozent gültiger AU-Schein“ für irreführend. Mit ihr werde der Eindruck erweckt, dass die beworbene Krankschreibung sämtliche rechtlichen Anforderungen an eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfülle. Das mag formal zwar der Fall sein – dass sie aber auch materiell die erforderliche Beweiskraft besitzt, das heißt arbeits- und berufsrechtlichen Anforderungen genügt, wird laut Wettbewerbszentrale „von etlichen Juristen bezweifelt“. Auch sie selbst ist überzeugt, dass die Bescheinigung hierfür von einem Arzt nach persönlichem Kontakt mit dem Patienten ausgestellt sein müsste. Tatsächlich ist bis dato keine höchstrichterliche arbeitsgerichtliche Entscheidung ersichtlich, die eine derartige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Ergebnis als „100 Prozent gültig“ anerkannt hätte.

Da das Unternehmen nach der Beanstandung der Wettbewerbszentrale keine Unterlassungserklärung abgegeben hat, hat diese Anfang Oktober Klage beim Landgericht Hamburg einreichen lassen. Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale, erläutert: „Für Arbeitgeber wäre es wichtig zu wissen, ob eine solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den erforderlichen Beweiswert hat“. Gleiches gelte für Arbeitnehmer, die sich auf eine solche Bescheinigung verließen. Ein Grundsatzverfahren hält die Wettbewerbszentrale daher für nötig.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Guerilla-Marketing

von Gu. Erilla am 19.11.2019 um 19:27 Uhr

Die Wettbewerbszentrale ist fleissig und das ist lobenswert. Doch manchmal kann ein Artikel über Illegales die Nachfrage nach der Dienstleistung erhöhen, weil so die Bekanntheit steigt. Kleine Unternehmen gewinnen so gerne Kunden.
Ist die DAZ hier Opfer des Guerilla-Marketings geworden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.