Karl Lauterbach im Deutschlandfunk

„Wenn nicht geliefert werden kann, muss es Strafen geben“

Stuttgart - 22.11.2019, 13:45 Uhr

Mehrkosten, die aufgrund der Nichtlieferbarkeit von Arzneimitteln entstehen, sollen nicht Patienten oder Krankenkassen zahlen, sondern der nicht lieferfähige Hersteller, findet Karl Lauterbach (SPD). ( r / Foto: imago images / Sven Simon)

Mehrkosten, die aufgrund der Nichtlieferbarkeit von Arzneimitteln entstehen, sollen nicht Patienten oder Krankenkassen zahlen, sondern der nicht lieferfähige Hersteller, findet Karl Lauterbach (SPD). ( r / Foto: imago images / Sven Simon)


Karl Lauterbach, Arzt und SPD-Gesundheitspolitiker, hat sich im Deutschlandfunk zu Lieferengpässen geäußert. Geht es nach seinem Willen, sollte bei Nichtlieferbarkeit generischer Arzneimittel auch das unter Umständen teurere Original-Präparat abgegeben werden dürfen – potenzielle Mehrkosten sollen in diesen Fällen sodann die nichtlieferfähigen Hersteller tragen. Außerdem plädiert er dafür, endlich Sanktionen für lieferunfähige Hersteller zu etablieren. Die Schuld, dass Lieferengpässe nicht im Griff sind, gibt er vor allem dem Koalitionspartner.

Kaum ein Tag, an dem Lieferengpässe bei Arzneimitteln kein Thema sind – im Alltag der Apotheken und Arztpraxen ohnehin nicht, und auch die unterschiedlichsten Medien greifen das Thema jetzt vermehrt auf. Am Donnerstagabend räumte das ZDF heute journal den Arzneimittelengpässen – und unter anderem DAV-Chef Fritz Becker und Hubert Cranz vom BAH – einen Platz ein. Das heutejournal zeigt die dramatische Entwicklung der Arzneimittelknappheit in Zahlen auf: Gab es 2013 noch Lieferengpässe bei 42 Medikamenten, sind es 2018 bereits 268. Jüngst hat sich auch Karl Lauterbach, Arzt und Gesundheitspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk geäußert.

Mehr zum Thema

Seine Analyse der Gründe für die Arzneimittelengpässe bringt allerdings nichts Neues: Verlagerung der Wirkstoffherstellung für Arzneimittel in die „Billigproduktionsländer China und Indien“, mangelnde Bevorratung und fehlende Kompensationsmöglichkeiten der Mitanbieter im Markt bei Lieferausfällen.

 „Alle Industrieländer lassen mittlerweile die Wirkstoffe in den billigsten Ländern produzieren“, erklärt Lauterbach. Auch sein Lösungsvorschlag wurde bereits des Öfteren gehört, die Wirkstoffproduktion für lebensnotwendige und unersetzliche Medikamente müsste nach Deutschland oder zumindest nach Europa zurückverlagert werden. Das sei zwar teurer, aber sicherer.

Hersteller mit Vertrag darf liefern, muss es aber auch

Lauterbach plädiert jedoch vor allem für Sanktionen, wenn Arzneimittelhersteller nicht liefern können: „Ein Unternehmen, welches den Lieferauftrag bekommen hat, meinetwegen den Rabattvertrag oder einen allgemeinen Liefervertrag, muss die Sicherheit haben, dass es dann auch alleine liefern darf, aber auch liefern muss.“ Und wenn nicht geliefert werden kann, dann müsse es Strafen geben, so Lauterbach.

Dass alle Generika nicht lieferbar sind, sei selten

Dass tatsächlich von einem Wirkstoff alle Generika nicht erhältlich sind, komme selten vor, meint Karl Lauterbach. Doch „dieses Problem könnte man ja durch die Rabattverträge leicht lösen“, findet er. „Man könnte hingehen und sagen, wenn tatsächlich die im Rabattvertrag verordneten Medikamente oder festgelegten Medikamente nicht lieferbar sind, dann muss für diesen belegten Fall automatisch das Original in Frage kommen“. Das sieht grundsätzliche auch der Rahmenvertrag so vor, allerdings müssen sich Apotheker bei Nichtlieferbarkeit von Rabatt-Arzneimitteln oder preisgünstigen anhand der Arzneimittelkosten Stück für Stück nach oben hangeln – bis hoffentlich irgendein Präparat lieferbar ist.

Mehrkosten sollen nichtlieferbare Hersteller zahlen

Diese entstehenden Mehrausgaben will Lauterbach vor allem nicht den Krankenkassen oder den Patienten aufbürden – aktuelles Beispiel dürfte der Venlafaxin-Engpass sein.

Mehr zum Thema

Die generischen Präparate gibt es nicht, Trevilor® ist teilweise mit Mehrkosten von über 100 Euro verbunden. „Das müsste dann die Pharmafirma, die den Vertrag hat, bezahlen. Das darf nicht von den Kassen bezahlt werden, sondern ich könnte in den Lieferverträgen ausmachen, wenn mein Generikum nicht erhältlich ist, dann muss ich die Differenz, die dann fällig wird, auf das Original als Pharmafirma, wo ich den Rabattvertrag habe, selbst bezahlen.“

Hat die Regierung die Lieferengpässe verschlafen?

Bleibt die Frage – wenn doch die Missstände bei der Verfügbarkeit von Arzneimitteln längst bekannt sind, warum hat die SPD als mitregierende Partei denn seit 2013 nichts unternommen? Diese Frage beschäftigt den Moderator des DLF-Interviews. Lauterbach sieht hier vor allem den Koalitionspartner in der Schuld, denn die Union sei immer nur bereit gewesen, „kleine Schritte mit uns zu gehen, zum Beispiel Selbstverpflichtungen der Industrie eines sogenannten Jour fixes.“ Doch Lauterbach meint, dass bei dem „regelmäßigen Treffen zwischen Industrie, Apothekern und Politik, wo man über das Thema spricht“, wohl nicht viel rauskommt. Da verspricht dann jeder, dass es demnächst wirklich viel besser wird; es passiert aber dann doch nichts.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


9 Kommentare

Noch nicht gehobene Einsparpotentiale

von ratatosk am 25.11.2019 um 11:26 Uhr

Er kapierts halt einfach nicht, da er in rein bürokratischen Verordnungswegen denkt, die Wirklichkeit ist für ihn offensichtlich zu komplex.
Strafen, gerade auch für die GKV, wenn sie Verträge mit immer mehr Lieferproblemen abschließt, aber er ist ja der oberste Vertreter mit dem ollen Glaeske, die immer noch nicht gehobene Reserven anfabulieren, ja in Hinterindien auf dem Papier !.
Als Hauptschuldiger der Misere sollte er stille sein und sich als Verursacher nicht als Retter aufspielen, ist noch lächerlicher als sonst.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lauterbach

von pille62 am 25.11.2019 um 9:58 Uhr

............. erst ein gut funktionierendes System auf die Ansage des GKV-spitzenverbandes zerstören und dann zu rufen haltet den Dieb.
Verlogener geht es einfach nicht.
Wenn ich Hersteller wäre, gingen meine Lieferunen auch in aktraktivere Märkte.
Und da es ja kaum noch deutsche Hersteller gibt sind deren Prioritäten eher Global zusehen und so ist Deutschland eben nur einer von vielen Märkten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lauterbachs Strafen

von Dr.Diefenbach am 22.11.2019 um 18:02 Uhr

Diese Rhetorik des SPD Mannes zeigt wiederum,dass die Politik die Entstehung sowie das Handling im Aktuellen der Lieferengpässe offenbar gar nicht verstanden hat.Seit Jahren(!) tanzt der GKV Spitzenverband der Politik auf der Nase herum,die "freie" Marktwirtschaft(allerdings nach unten) soll zu Preisen liefern,die mit zB deutschen Gehältern im Produktiven oft nicht mehr zu schaffen sind.Da die Dauermeckerei über "unsere" Preise auch ein Grund waren,dass viele Herstellprozesse abgewandert sind/mussten,ist auf Grund der Logistik die heutige Situation nur eine Frage der Zeit gewesen.Auch verweise ich hier aufs Neue darauf,dass die Rabattverträge trotz Dauernegierung durch etliche GKVen regional zu massiven Problemen führen bzw. führten.Ausser bei Bundespolitikern KANN ein Wirtschaftssystem auf Dauer nicht davon leben,dass Preise ständig sinken(Festbetragsanpassungen) .Dass ins Ausland verkauft wurde/wird,ist marktlogisch bei erzielbar höheren Margen.Dass die Politik ein Register einführen müsse,EDV angepasst für Apotheker wie Mediziner,dass dazu Zeitvorgaben notwendig sind,dass es seit Jahren sehr wohl Versorgungsengpässe gab und gibt,gerade im öffentlichen Apothekenbereich,das IST seit mindestens 5-6 Jahren bekannt,Auch der ABDA Führung wurde es oft genug zur Kenntnis gebracht.Ich sehe dass aus einem Schneebällchen eine Lawine wurde,die vom Abtun der Dramatik auch durch unsere Standesführung jetzt eine Negativschlagzeile nach der anderen produziert.Wie töricht die Vorstellung,dass man "einfach" Prozesse wieder nach Europa zurückholt.Wer sich jemals in der AM-Produktion betätigte,der weiss um die lange Vorlaufzeit,die ja auch Zulieferungen ,eine neue Vorortlogistik etc umfasst.Nein,man hat ausschliesslich aus Kostengründen(die nachlesbaren Einsparungen durch Festbeträge und Rabatte(Man kann es nicht mehr hören)) etwas installiert,was Grundfeste stört und auch zerstört.Dass das Vertrauen in unsere AM-Versorgung schweren Schaden nahm,ist bekannt.Dass es wenigstens,anders als vor einiger Zeit,NICHT mehr den Apotheken angelastet wird(jedenfalls in den Medien nicht)kann wohl kaum als "Erfolg" betrachtet werden.Die Politik hat versagt,ein Herr Lauterbach sollte besser seine Gedanken sortieren.Auch er hat sicher seinen Anteil,dass die GKV freien Lauf hat.Es geht doch NUR ums Geld,die pharmazeutischen Aspekte laufen nur noch weit hinten mit.Und der "europäische" Gedanke ist absolut lächerlich:Mir ist nicht bekannt dass länderübergreifende Diskussionen hierzu bis heute Ergebnisse brachten.Dabei gab es genügend Ansätze pharmazeutischer Institutionen.Ach so:WO ist das Ergebnis und der Vorschlag zum Umgang mit den Lieferengpässen von Seiten des DAV???

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Klabautermanns Schabernack

von Andreas P. Schenkel am 22.11.2019 um 20:09 Uhr

Ich bewundere, wie höflich der Kollege Dr. Diefenbach seinen Kommentar formulierte; ich weiß gar nicht, wie lange er schon mit hohem Arbeitseinsatz die Lieferengpässe erfasste, auswertete und zur ABDA und Bundespolitik kommunizierte. Damals waren es ja oftmals noch Engpässe und nicht, wie heute, Lieferkomplettausfälle!

Lauterbach will also Pharmazeutische Unternehmer strafen. Und wer wird bei einer Strafzahlungs-Androhung dann überhaupt noch Arzneimittelrabattverträge in Deutschland abschließen? Und was bitte meint Lauterbach mit "[..] einen allgemeinen Liefervertrag [..]"?

Für einen "Erfolg" von Lauterbachs Idee müssten die vertragschließenden GKV ebenfalls mit Geldstrafen belegt werden, mindestens so hoch wie die Strafzahlungen der rabattvertragsschließenden PU.

Doch jede Münze hat immer drei Seiten, der Münzrand zählt auch: Die Bundes-Gesundheitspolitik muss die Vergabeverfahren verbessern. Alleine die Idee, dass immer der Zweitgünstigste in einem geheimen Bieterverfahren den Zuschlag erhält, sorgt für sehr viel weniger Anbieter-ruinierendes Preis-Dumping. Weiterhin sollten Boni (welcher Art auch immer) für Vertragsschlüsse etabliert werden, die eine Mindestproduktionsquote für Wirkstoffe und Hilfsstoffe in der EU vorsehen, die den GKV und den PU zugutekommen (z.B. für PU weniger Herstellerabschlag und für GKV mehr aus dem Risikostrukturausgleich der GKV).

Allerdings hilft das alles im besten Fall nur mittelfristig, auch schnöde Strafen in Lauterbachscher Manier lösen die jetzigen Versorgungsprobleme nicht. Man hat es soweit kommen lassen, einfach nichts unternommen. Die Zeichen waren schon lange an der Wand. Wie entlarvend, dass ein Politiker, der erheblich für die Einführung dieser Rabattverträge mitverantwortlich war, nun keine bessere Idee hat als Sanktionen.

Klartext

von Mathias Mallach am 22.11.2019 um 15:37 Uhr

[...] Doch Lauterbach meint, dass bei dem „regelmäßigen Treffen zwischen Industrie, Apothekern und Politik, wo man über das Thema spricht“, wohl nicht viel rauskommt. Da verspricht dann jeder, dass es demnächst wirklich viel besser wird; es passiert aber dann doch nichts.“

Das nennt man Wahl, findet etwa alle 4 Jahre statt und man ergänze das Wort "Politiker" hinter "jeder".
Wie wäre es, wenn man dieses Strafsystem auch mal in der Politik einsetzt ?
Ich warte immer noch auf die Umsetzung des Koalitionsvertrages, Herr Lauterbach !!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Klartext

von PiPaPo am 25.11.2019 um 11:46 Uhr

Klartext: jede Krankenkasse bietet schöne Posten für ausgediente Politiker. Darum sind Verwaltungsausgaben der Kassen niemals einzusparen, darum brauchen 80 Mio Einwohner auch -sagenwirmal..... 80 Kassen? 180 wär schöner....
und Koalitionsverträge? Also bitte, wer braucht Koalitionsverträge , nur wenn die einem persönlich nützen, kann man drüber nachdenken, sie umzusetzen. Ansonsten sind die doch super, um den politischen Widersacher auszuhebeln. Einhaltung des Rx VV ? wär GAAANZ schlecht, weil dann die Holländer Jobs verlieren (oder wer anders seine Shareholder Value) also GAAANZ schlechte Idee! Wenn der Staat zuerst die eingetragenen Kaufleute und Heilberufler Apotheker mit Einheitspreisen auf die "ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln" verpflichtet, sie aber später mit dem Privatvermögen dafür büßen lässt, dass er es nun nicht mehr so genau nehmen möchte mit der Preisbindung... wen regt das schon auf? Nach den 15 Jahren Sparpolitik ist eine PTA eh nur noch Zuverdiener, die muss halt zusehen, dass der Lebenspartner löhnt, wenn sie ihren Job verliert!

Strafen für Lieferengpässe

von Roland Mückschel am 22.11.2019 um 15:05 Uhr

Also ich finde eine Superidee.
Hätte man auch gleich machen können.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lauterbach

von Conny am 22.11.2019 um 15:02 Uhr

Von diesem Schwätzer, der es nicht mal unter die ersten drei bei der Spd schafft, abgängig zu sein, kann auch nur den Apothekern passieren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

oh my g...

von Michael Weigand am 22.11.2019 um 14:39 Uhr

...von solchen Leuten werden wir regiert...Populisten und Dümmschwätzer....gerne auch mit persönlichen/finanziellen Interessen (in dem Fall ehemaliges Aufsichtsratsmitglied im Rhönklinikum)...sein Argument, ich habe mich nie zum Krankenhaussektor geäußert...hätte er sich doch mal über Apotheken (von denen er keine Ahnung hat) auch nicht geäußert...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.