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BPhD-Kolumne
Warum die Pharmaziestudierenden das Rx-Versandverbot nicht unterstützen
Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden hat sich in einem Positionspapier kürzlich zur aktuellen Apothekenpolitik geäußert. Die Studenten finden, dass ein Rx-Versandverbot und die Diskussion dazu nicht zielführend seien. Marktöffnungen – wie etwa durch Rx-Boni – will der BPhD aber unbedingt vermeiden. In einem Gastkommentar erklärt Ilias Essaida, Beauftragter für Gesundheitspolitik des BPhD, die politischen Beschlüsse der 127. Bundesverbandstagung (BVT) in Erlangen.
Die Frage nach der Zukunft der öffentlichen Apotheke und dem Arzneimittelmarkt beschäftigt auch uns Studierende intensiv. Wir sehen die Zukunft in den Pharmazeutischen Dienstleistungen. Der Beruf, der sich in der öffentlichen Wahrnehmung stets mit der Logistik von Arzneimitteln befasst hat, muss sich weiterentwickeln. Dabei wird die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln auch weiterhin eine nicht wegzudenkende Aufgabe bleiben. Allerdings sollten wir unseren Fokus auch auf die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) legen. Apothekerinnen und Apotheker müssen sich ihre Stellung im Gesundheitssystem als die Arzneimittelexperten, zu denen sie ausgebildet werden, erst noch erarbeiten.
Medikationen sind heute sehr komplex, Interaktionen kompliziert und die Arzneimitteltherapie so insgesamt sehr risikoreich. Ärztinnen und Ärzte haben oft wenig Überblick, welche Medikamente die Erkrankten bereits einnehmen. Derartige Entwicklungen machen Pharmazeutische Dienstleistungen nicht nur für die Stärkung des qualitativen Wettbewerbs zwischen Apotheken, sondern auch aus Gründen der Sicherheit für Patientinnen und Patienten unabdingbar. Die Apotheke ist der wichtigste und einzig professionelle Kontrollschritt, sobald die Patientinnen und Patienten die Praxis verlassen haben.
Um eine hohe Qualität der Beratung in der Apotheke zu gewährleisten, darf sich ein Wettbewerb zwischen Apotheken nur auf einer qualitativen Ebene abspielen und nicht in Preisdumping und gegenseitigem Preisdruck münden. Daher lehnen wir jede weitere Öffnung des Arzneimittelmarktes für den preislichen Wettbewerb entschieden ab. Die massive Bewerbung von Arzneimitteln und das Gewähren von Preisnachlässen fördert eine Trivialisierung der Medikamente und spiegelt nicht den ideellen Wert wider, der dem Gut Arzneimittel beigemessen werden sollte. Auch das Bewerben von OTC Arzneimitteln sehen wir kritisch und drängen auf eine Abkehr dieser Wettbewerbskultur in der öffentlichen Apotheke.
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Die Bestrebungen, die Gleichpreisigkeit auch nach der Anpassung des deutschen Rechts an die europäische Rechtsprechung – zumindest für die gesetzlich Versicherten – beizubehalten, unterstützen wir ausdrücklich und es sollte sich dabei um eine Selbstverständlichkeit handeln. Für uns ist es weiterhin indiskutabel, dass Arzneimittel für jeden dasselbe kosten müssen, egal ob es sich um gesetzlich Versicherte, Privatversicherte oder Selbstzahlende handelt. Daher kann Spahns Vorschlag zugegebenermaßen noch keine abschließende Lösung sein, stellt aber immerhin einen Anfang dar. Die Gleichpreisigkeit darf sich dabei aber nicht nur auf Rx-Arzneimittel beschränken, sondern sollte auch für den OTC-Bereich gelten. Gerade OTC-Präparate sind in jeder Hausapotheke zu finden und können sehr beratungsintensiv sein. Wir fordern das Bundeskabinett und Gesundheitsminister Jens Spahn daher auf, das Ziel der vollumfänglichen Gleichpreisigkeit mit höchster Priorität zu verfolgen.
BPhD: Der Versandhandel bedroht das Gesundheitssystem nicht
Ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist in unseren Augen keine zukunftsträchtige Maßnahme. Lässt man die Frage nach der Europarechtskonformität außer Acht, mag es sicherlich eine schnelle und einfache Lösung sein, um die Gleichpreisigkeit in Deutschland zu sichern. Die Einführung stellt sich allerdings angesichts der Umstände, dass der Versandhandel bereits seit 2004 erlaubt ist und das Gesundheitssystem faktisch nicht bedroht, als höchst unrealistisch dar. Auf diesen Umstand sollte der Berufsstand stolz sein, da dies für die Qualität der Versorgung durch Apotheken spricht.
In einer zunehmend globalisierten und digitalisierten Welt wird es für die Gesellschaft nie verständlich sein, warum sie Arzneimittel nicht online bestellen kann. Für chronisch Kranke kann der Versandhandel eine enorme Erleichterung des Alltags darstellen. Um Patientinnen und Patienten auch in Zukunft an die Vor-Ort-Apotheke zu binden, muss die Apotheke ein Zusatzangebot leisten, dass der Versandhandel nicht bieten kann. Damit diese Dienstleistungen Erfolg haben, müssen sie sich an den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe orientieren. Sie dürfen daher nicht im Alleingang durch die Selbstverwaltung, sondern müssen in Zusammenarbeit mit den Patientenverbänden, entwickelt werden. Es wäre fatal diese Chance, Pharmazeutische Dienstleistungen nachhaltig zu gestalten, ungenutzt verstreichen zu lassen.
Gleichwohl fordern wir ein sehr strenges Regelwerk für jede Art von Arzneimittelabgabe. Vor jeder Abgabe eines Arzneimittels muss mindestens eine pharmazeutische Beratung durch pharmazeutisches Fachpersonal erfolgen, egal ob in einer Apotheke oder bei einer Onlinebestellung, egal ob für ein Rx-Arzneimittel oder für ein OTC-Arzneimittel. Die Voraussetzungen für einen sicheren Arzneimittelversand, wie beispielsweise die Einhaltung der Kühlkette, müssen zu jedem Zeitpunkt erfüllt sein. Dazu bedarf es einer ausführlichen Dokumentation und regelmäßiger Kontrollen.
BPhD: Apothekensterben liegt nicht am Versandhandel
Das Argument, das von RxVV-Verfechtern häufig angeführt wird, dass das „Apothekensterben“ durch den Versandhandel mitverschuldet sein soll, greift angesichts des geringen Marktanteiles des Versandhandels nicht. Der Nachwuchsmangel ist ein viel größeres Problem. Auf eine Approbierte oder einen Approbierten kommt eine Vielzahl an freien Stellen. Apotheken sterben auch, weil sich niemand findet, der eine Offizin übernehmen möchte. Wenn Pharmazeutische Dienstleistungen flächendeckend implementiert werden, wird sich auch das Berufsbild in den Augen der Gesellschaft ändern und der Apothekerschaft mehr Anerkennung entgegengebracht werden. Bis dahin ist das Apothekensterben meiner Meinung nach teilweise hausgemacht. Dieses Argument zählt für mich auch so lange nicht, bis es nicht ernsthafte Bestrebungen gibt, die Zahl der Pharmaziestudierenden in Deutschland zu erhöhen.
Sollte ein RxVV tatsächlich durchgesetzt werden, ruht man sich im schlimmsten Fall auf den entspannteren Marktbedingungen aus, statt sich auf die Weiterentwicklung der Präsenzapotheke zu fokussieren. Apothekerinnen und Apotheker könnten es so verpassen, sich auf die Wiederaufhebung des Versandverbotes vorzubereiten. Tatsächlich stünde man dann noch schlechter da, als derzeit.
Jeder beteiligte Akteur sollte sich fragen, ob die Form, in der aktuell über ein RxVV diskutiert wird, zielführend ist, oder ob es sich dabei um eine Ressourcenverschwendung handelt. Man sollte die Energie lieber bündeln und auf die Ausgestaltung der Pharmazeutischen Dienstleistungen verwenden. Die Zukunft der Vor-Ort-Apotheken liegt in der pharmazeutischen Kompetenz, die nirgendwo sonst in einer solchen Art und Weise geboten werden kann.
13 Kommentare
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von Thomas Kerlag am 26.11.2019 um 21:57 Uhr
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von Stefan Haydn am 26.11.2019 um 19:36 Uhr
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von Till am 26.11.2019 um 13:33 Uhr
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von Jenny am 26.11.2019 um 13:40 Uhr
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von Benjamin May am 26.11.2019 um 13:55 Uhr
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von Jorrit Schröder am 27.11.2019 um 9:45 Uhr
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