GenTherapeutikum gegen Spinale Muskelatrophie

Wann kommt das Zolgensma-Härtefallprogramm?

Berlin - 28.11.2019, 17:55 Uhr

Novartis bekommt derzeit aus aller Welt Anfragen nach einem Zugang zu Zolgensma. (b / Foto: imago images / Belga)

Novartis bekommt derzeit aus aller Welt Anfragen nach einem Zugang zu Zolgensma. (b / Foto: imago images / Belga)


Das Bundesgesundheitsministerium appelliert an den Pharmakonzern Novartis, das zwei Millionen Euro teure Medikament Zolgensma® bis zu einer Zulassung für Deutschland im Rahmen eines Härtefallprogramms kostenlos abzugeben. Das Unternehmen lehnt ein solches Programm zwar nicht rundweg ab – allerdings arbeitet es an einer internationalen Variante. Denn nicht nur aus Deutschland erreichen Novartis Anfragen nach einem Zugang zu Zolgensma® vor Zulassung.

Seit einiger Zeit macht Zolgensma, das Gentherapeutikum für Kinder mit Spinaler Muskelatrophie, Schlagzeilen. Es ist ein Arzneimittel für eine seltene Erkrankung und damit wenige Patienten. Doch diesen wenigen verspricht es mit nur einer Spritze Heilung. Das hat seinen Preis: rund zwei Millionen Euro. Und in der EU ist das Arzneimittel – anders als in den USA – bislang nicht einmal zugelassen. Das heißt: Es kann zwar im Wege des Einzelimports bezogen werden, von den Kassen bezahlt wird es aber nicht. 

Ausnahmen bestätigen die Regel: Zwei Krankenkassen haben sich mittlerweile bereit erklärt, die Kosten zu übernehmen. Wohl auch wegen des medialen Drucks: Die Eltern betroffener Kinder haben sich über die Presse Gehör verschafft. Wohl ist den Kostenträgern dabei aber offensichtlich nicht. Und so hat sich kürzlich ein Bündnis aus Krankenkassen, Gemeinsamem Bundesausschuss und Universitätsklinika an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gewandt und ihn gebeten, auf den Hersteller Novartis einzuwirken: Das Unternehmen solle ein Härtefallprogramm auflegen, in dem das Arzneimittel kostenlos abgegeben wird. Die Unterzeichner des Briefes hatten Novartis auch vorgehalten, eine „beispiellose Medienkampagne“ losgetreten zu haben – ein Vorwurf, den das Unternehmen entschieden zurückwies.

Nun hat Dr. Thomas Steffen, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), an Novartis geschrieben. Er würdigt zunächst generell die Erfolge der Arzneimittelforschung – verweist aber auch auf die bestehenden Rahmenbedingungen, die eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung in Deutschland garantieren und zu beachten sind. „Auch die Novartis Pharma GmbH profitiert von diesen Rahmenbedingungen“, heißt es im Brief.

Die jetzige Situation, in der Zolgensma im Wege des Einzelimports nach Deutschland komme, gehe aber mit vielen offenen Fragen einher, schreibt Steffen weiter,„insbesondere zu bislang nicht durch eine europäische Zulassung verbindlich vorgegebenen Kriterien zur sicheren Anwendung von Zolgensma®“. Das BMG begrüße daher sehr, wenn Novartis für die besonders vulnerable Gruppe der Kinder bis zu zwei Jahren kurzfristig ein Härtefallprogramm „in Betracht ziehe“, um den Zeitraum bis zur Zulassung und dem Markteintritt zu überbrücken. Novartis rechnet im ersten Halbjahr 2020 mit einer europäischen Zulassung. 

Weitere Gespräche zwischen Novartis und Kassenvertretern

Solche Härtefallprogramme (sog. Compassionate Use) haben ihre Grundlage im Arzneimittelgesetz (§ 21 Abs. 2 Nr. 6 AMG) und sind genauer in einer Arzneimittel­-Härtefall­-Verordnung geregelt. Ein wesentliches Element dieser Programme für (noch) nicht zugelassene Arzneimittel ist, dass der Hersteller es kostenlos abgibt. Steffen erinnert in seinem Brief daran, dass es solche zeitlich befristeten Härtefallprogramme von zahlreichen Unternehmen für andere Arzneimittel gebe – so auch von Novartis. Es lägen also bereits umfangreiche Erfahrungen mit ihnen vor. Der Staatssekretär schließt seinen Brief mit den Worten: „Ich hoffe, dass Sie unser Anliegen, die Verunsicherung der betroffenen Familien auch in dieser schwierigen Situation zu lindem, unterstützen werden.“

Novartis arbeitet an internationalem Programm

Novartis lehnt ein Härtefallprogramm nicht grundsätzlich ab – allerdings wird es sicherlich nicht so schnell aufgelegt, wie es sich viele in Deutschland wünschen. Denn nicht nur hierzulande ist man an einer vorzeitigen Behandlung mit dem hochinnovativen Arzneimittel interessiert.

Auf Nachfrage von DAZ.online erklärte das Unternehmen:


Seit der Zulassung von Onasemnogene abeparvovec-xio in den USA im Mai 2019 erhalten wir aus der ganzen Welt Anfragen und Bitten nach einem Zugang vor Zulassung. Novartis arbeitet an einem Vorschlag für ein internationales Programm. Die Ausgestaltung eines solchen Programms wird eine gewisse Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen.“

Novartis-Stellungnahme


Dennoch ist eine weitere Zwischenlösung – bis zum Start eines Härtefall-Programms – möglich. Es gebe weiterhin Gespräche mit Vertretern der Kassen in Deutschland, so das Unternehmen. Novartis habe „weitere Gespräche angeboten, um eine gemeinsame Lösung für Deutschland zu finden“. Wie sie aussieht und wann sie kommt, ist aber vorerst offen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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