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Ab Januar startet auch in Apotheken die sinnloseste Papiervernichtung: die Bon-Pflicht kommt. Alle Proteste aus der Wirtschaft, der Umwelt und von uns Apothekers haben nichts geholfen. Und auch darüber kann man nur den Kopf schütteln: EU-Arzneiversender mit Sitz in den Niederlanden an der Grenze zu Deutschland, Versender, die sich Apotheke nennen, aber keine sind, werden sichtlich von keiner Behörde kontrolliert. Unglaublich! Erfreulich: Die Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung in Apotheken kommen, der Bundesrat hat Ja gesagt – und die ABDA freut sich darauf. Und wir auch, auch auf die, wenn auch nur kleine Erhöhung des Tariflohns für Apothekenmitarbeiter. So kann Weihnachten fröhlich werden.
16. Dezember 2019
Unser Bundesfinanzministerium ist im Bonpflicht-Fieber! Auf Teufel komm raus! Unglaublich! Sogar trotz massiver Kritik vom Wirtschaftsminister und von der Umweltministerin. Dennoch, es bleibt dabei: Händler, auch die Apotheken, müssen sich zu Jahresbeginn auf die Bonpflicht einstellen. Bei jedem Geschäftsvorfall muss ein Kassenbon ausgedruckt werden, auch wenn ihn der Kunde gar nicht mitnehmen möchte oder ihn gleich in der Verkaufsstelle liegen lässt. So wie es der Bundeswirtschaftsminister Altmaier selbst macht, wenn er beim Bäcker Brötchen holt (was sicher nicht so häufig vorkommen wird, aber): Er lasse den Bon meistens liegen, so wie 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Genauso ist es, mein liebes Tagebuch. Unglaublich, wie hier die Umwelt mit zig Tonnen an Papier, meist mit schwer recycelbarem Thermopapier belastet wird. Und das nur, weil ein paar Bürokraten meinen, damit auch noch den letzten Betrugsversuch von Händlern unterbinden zu können. Wer betrügen will, schafft es auch trotz der neuen Bonpflicht. Mein liebes Tagebuch, diese Uneinsichtigkeit von Bürokraten ist das Allerletzte.
Leider hat bisher auch nicht der Protest unseres Deutschen Apothekerverbands (DAV) gegen die Bonpflicht genützt. Fritz Becker, Chef des DAV, fordert nochmals die Bundesregierung auf, auf die Bonpflicht für Apotheken und für die vielen anderen klein- und mittelständischen Unternehmen zu verzichten. Becker sagt: „Die Bonpflicht ist bürokratisch, in Apotheken überflüssig und umweltschädlich obendrein. Es ist doch widersinnig, einen Kassenbon für Kunden ausdrucken zu müssen, die ihn gar nicht wollen, nur um ihn anschließend datensicher entsorgen zu müssen. Jeder Kunde, der den Bon braucht oder will, bekommt ihn ohnehin.“ Mein liebes Tagebuch, dem ist nichts hinzuzufügen. Eine Apotheke ist doch heute schon so durchdigitalisiert, dass jeder kleinste Kassenvorgang nachzuvollziehen ist, bei uns „herrscht maximale Transparenz“, fügt Becker hinzu. Mein liebes Tagebuch, warum versteht das der Finanzminister nicht?
17. Dezember 2019
Er bleibt bei seiner Meinung: Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg und der Vater der Rabattverträge, bleibt im DAZ.online-Interview dabei, dass Rabattverträge nicht am Desaster der Lieferengpässe schuld seien. Allenfalls räumt er ein, die Rabattverträge hätten die derzeitigen Marktstrukturen ein bisschen mitgeprägt. Hermann wörtlich: „Da ist mittlerweile eine Menge Druck im Kessel, der von den Rabattverträgen erzeugt wurde.“ Na, mein liebes Tagebuch, wenn das kein Eingeständnis durch die Hintertür ist. Hermann will die Engpässe dennoch eher darauf schieben, dass Produktion und Nachfrage nicht mehr adäquat übereinstimmen, weltweit. Ach ja, mein liebes Tagebuch, natürlich spielt dieses Missverhältnis auch eine Rolle. Letztlich kommt man aber so nicht weiter, irgendwie dreht man sich im Kreis, was war denn nun eher da, die Rabattverträge oder die unkoordinierte Produktion und Nachfrage. Es ist wie bei der Frage Henne oder Ei? Immerhin sieht Hermann, dass Lieferengpässe den Apotheken große Mehrarbeit bereiten, er kann sich sogar vorstellen über eine Vergütung der Engpass-Mehrarbeit nachzudenken. Aber natürlich sollen das nicht die Kassen bezahlen, sondern die Verursacher – und das sind in der Welt von Hermann die Hersteller. Mein liebes Tagebuch, kann man solche Vorschläge ernst nehmen? Kaum, sie kommen aus dem Reich des AOK-Populismus.
Zwei Pharmaverbände wollen fusionieren: der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), zwei große Vertreter der Pharmaindustrie. Während vor 20 oder 30 Jahren der BAH eher die OTC-Hersteller vertrat, der BPI eher die Firmen mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, hat sich das im Lauf der Zeit geändert. Heute sind bei beiden Verbänden sogar oftmals dieselben Firmen Mitglied, beide Verbände sind auf dem gleichen Terrain tätig. Da liegt es quasi in der Luft, zu fusionieren. Mein liebes Tagebuch, da fragt man sich schon eher, warum dieser Schritt nicht schon längst stattgefunden hat. Nun, alles braucht seine Zeit. Und im kommenden Jahr soll’s soweit sein, die Verbände wollen „ihre Kräfte bündeln“, wie es BAH-Hauptgeschäftsführer Cranz im AZ-Interview formuliert, sie bereiten die Fusion vor. Mein liebes Tagebuch, wird mit Sicherheit ein sinnvoller Schritt. Und wir freuen uns, wenn der neue Verband (mit neuem Namen) auch auf der Seite der Apotheker steht.
So manche gute Idee hat sie, die Linksfraktion, zumindest wenn es um den Apothekenmarkt geht. So macht sich die Linke durchaus Gedanken, wie man den Arzneimittel-Lieferengpässen begegnen könnte. In einem Positionspapier zu diesem Thema fordert die Linksfraktion weitergehende Pflichten für die Hersteller und klare Sanktionen bei Verstößen, die gänzliche Abschaffung von Rabattverträgen, die Begrenzung des Direktvertriebs auf Einzelfälle und das Ende der Förderung des Parallelhandels. Na, mein liebes Tagebuch, das sind Nägel mit Köpfen, das wär’s doch, was uns gefallen könnte. Die durchweg sinnvollen Forderungen rühren wohl daher, dass Sylvia Gabelmann in der Linksfraktion die Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte ist: Gabelmann ist Apothekerin. Mein liebes Tagebuch, da sieht man mal wieder, wie sinnvoll es wäre, wenn Ministerien mit Leuten besetzt wären, die Ahnung von der Sache haben. Stellen wir uns vor: ein Apotheker als Bundesgesundheitsminister.
18. Dezember 2019
Die Digitalisierung hat uns alle erfasst – so oder so. Will heißen: Wer Glück hat und in Groß- oder größeren Städten wohnt, kann schon vom megaschnellen Internet profitieren mit allen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Aber wehe, wenn man in ländlichen Regionen das schnelle Internet sucht: Fehlanzeige! Die dafür notwendige Infrastruktur ist vielerorts noch lange nicht soweit. Selbst mit dem Telefonieren klappt es mitunter nicht, da mittlerweile auch die Telefonate über die Internetstruktur (voice over IP) laufen. Mein liebes Tagebuch, wie soll da, so fragt man sich, schon in wenigen Monaten, die Telematikinfrastruktur für die Apotheken im unterversorgten ländlichen Raum aufgebaut werden und verlässlich funktionieren? Wie sollen da E-Rezept, E-Medikationsplan und die E-Abrechnung mit den Kassen laufen? Das kann noch heiter werden. Zum Desaster der Lieferengpässe kommt dann das Desaster der Telematikinfrastruktur. Dann Gute Nacht.
19. Dezember 2019
Sie arbeiten ohne Überwachung, die, die ihren Sitz in den Niederlande, unmittelbar an der deutschen Grenze, haben und so gut wie ausschließlich nach Deutschland liefern. Null Überwachung dieser Versender, die sich gerne auch Apotheke nennen, aber keine sind, und sichtlich auch von niemanden kontrolliert werden. Es ist völlig unklar, wie sich nun mehr und mehr verdichtet, ob, in welcher Frequenz und von wem DocMorris und Shop Apotheke letztlich überwacht werden. Eigentlich sollten diese niederländischen Grenzapotheken gegenüber der niederländischen Behörde nachweisen, dass die deutschen Bundesländer in die Überwachung der EU-Versender involviert sind. Das bedeutet, dass die EU-Versender eigentlich die Überwachungsbehörden der Bundesländer hätten kontaktieren müssen, damit ihnen die Einhaltung von Rechtsvorschriften hätte bescheinigt werden können. Nix ist passiert. Mein liebes Tagebuch, wie sich herausstellte, hat kein EU-Versender auch nur ein Bundesland kontaktiert. Das bedeutet im Klartext: Keiner dieser EU-Versender im Grenzland wird von einer deutschen Behörde überwacht. Krass, oder? Mein liebes Tagebuch, die leben und arbeiten wie im rechtsfreien Raum. Und man hat das Gefühl, dass sie sich auch so gerieren. Es wird höchste Zeit, dass da so manchem Gesundheitspolitiker mal die Augen aufgehen, wie seine Lieblings-Internetversender arbeiten.
Gut, mein liebes Tagebuch, die nun ausgehandelte Tariferhöhung für Apothekenmitarbeiter „ist nicht die Welt“, aber es hätte auch schlimmer kommen können. Immerhin, ab 1. Januar 2020 gibt’s 1,9 Prozent mehr, ab 1. Januar 2021 dann nochmals 1,5 Prozent mehr. Darauf haben sich die Tarifparteien, die Apothekengewerkschaft Adexa und der Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) geeinigt. Außerdem konnte man sich noch auf einen zusätzlichen Urlaubstag für die Mitarbeiter einigen. Nun, Apothekenangestellte müssen sich da innerlich darauf einstellen, dass angesichts von seit Jahren stagnierenden Apothekenhonoraren, von mickrigen Erhöhungen im Nachtdienstfonds durch die Apothekenreform und wahrscheinlich weit unterbezahlten Honoraren für pharmazeutische Dienstleistungen, so sie denn in einigen Jahren mal kommen, auch in Zukunft keine großen Gehaltszuwächse drin sind. Für Berufe mit so hoher Verantwortung sollte auf lange Sicht mehr drin sein, da muss die Politik unbedingt ran.
20. Dezember 2019
Jetzt kommt’s: Der Bundesrat hat das Masernschutzgesetz beschlossen, das auch für Apotheker zwei wichtige Passagen enthält: Apotheken dürfen Wiederholungsrezepte beliefern – wenn sie die Ärzte denn ausstellen. Und Apotheker dürfen Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen mit den Krankenkassen vereinbaren, um dann nach entsprechender Weiterbildung prophylaktisch gegen Grippe zu impfen – wenn sich die Apothekerverbände mit den Kassen über die Modalitäten einig werden. Mein liebes Tagebuch, wir können beide Neuerungen nur begrüßen. Leider gibt es da noch die beiden kleinen „Wenn“. Zum ersten Punkt: Wiederholungsrezepte werden wohl erst mal nicht zuhauf in die Apotheke gelangen. Die Ärzte habe schon angekündigt, kaum oder nur verhalten von dieser neuen Bestimmung Gebrauch zu machen. Sie wollen jede einzelne Ausstellung eines Rezeptes in ihren Händen lassen – gibt ja immerhin ein paar Euro dafür. Und zum zweiten Punkt: Dass Apotheken bald impfen dürfen, auch dagegen sind Ärzte-Funktionäre schon Sturm gelaufen. In Brandenburg haben sie sogar Hand in Hand mit den Apothekern eine Resolution unterschrieben, dass es keine Impfungen in den Apotheken geben solle. Nun, mein liebes Tagebuch, Spahn will sowohl Wiederholungsrezepte als auch Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen – er wird Druck machen, dass dies so kommen wird. Immerhin, die ABDA steht nach anfänglichem Zögern und Bedenken mittlerweile hinter den Impfmodellvorhaben. Sie hat erkannt, dass es sinnvoll ist, wenn es für die Menschen niedrigschwellige Anlaufstellen, wie die Apotheken es sind, gibt, um sich gegen Grippe impfen zu lassen. Selbst unser ABDA-Präsident weiß mittlerweile: „Was in Amerika oder Frankreich möglich ist, kann auch hierzulande funktionieren. Regionale Modellprojekte sind der richtige Weg, um auszuprobieren, ob und wie das Ziel erreicht werden kann…“, hat er gesagt. Gut so, mein liebes Tagebuch, es ist schön zu sehen, dass sich auch eine ABDA noch bewegen kann. Und die Brandenburger werden über kurz oder lang auch zu einer besseren Einsicht kommen.
Und noch ein Gesetz passierte vor Weihnachten den Bundesrat: Die Reform des PTA-Berufs. Das PTA-Berufsbild soll modernisiert werden, die Beratungskompetenz dieses Assistenzberufes soll gestärkt werden durch eine aufgefrischte Ausbildungs- und Prüfungsverordnung: Spahn will PTAs mit mehr Verantwortung im Apothekenbetrieb. Hört sich doch gut an, mein liebes Tagebuch. Beschlossen wurde auch, wie von Spahn gewünscht, dass die Ausbildungszeit nicht auf drei Jahre verlängert wird, obwohl dies u.a. auch der Bundesrat deutlich forderte. Die Länder kritisieren allerdings, dass eine Kompetenzerweiterung der PTA mit geänderten Ausbildungsbedingungen einhergehen müsse. Sie haben daher eine zum Gesetz begleitende Entschließung formuliert, die u. a. besagt, dass die Bundesregierung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes 2023 noch einmal die Kompetenzerweiterung überprüft. Tja, ob also die Ausbildung auf drei Jahre verlängert wird, wie es auch die Apothekengewerkschaft Adexa und der PTA-Berufsverband BVpta fordern, steht noch in den Sternen. Spahn und die ABDA wollen jedenfalls die Ausbildungszeit auch trotz der veränderten Ausbildungsinhalte bei zweieinhalb Jahren belassen. Man wird sehen, was daraus wird. Die ABDA jedenfalls freut sich, dass das so bleibt, ebenso über so manche andere geplante Änderung, die nun nicht kommen wird.
Und mit diesen Tagebuch-Einträgen gehen wir nun in die Weihnachtswoche. Mein liebes Tagebuch, allein diese Einträge zeigen, wir werden unsere ungelösten Fragen und Probleme auch nach Weihnachten, auch im neuen Jahr wieder vorfinden und uns weiter mit ihnen beschäftigen müssen. Dennoch, ein paar Festtage, eine kleine Auszeit für Besinnliches, ein kleines Reset für einen Start ins neue Jahr können wir alle gebrauchen. In diesem Sinne: Allen Leserinnen und Lesern, allen treuen und neuen Kommentatoren meines lieben Tagebuchs wünsche ich ein fröhliches und stressfreies Weihnachtsfest – mit viel Ruhe, Zeit zum Nachdenken, Zeit für Entspannung. Danke!
14 Kommentare
Kennen Sie
von Karl Friedrich Müller am 22.12.2019 um 21:32 Uhr
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AW: Diese "Spielchen" auch als Filme (s. Staatsfeind Nr.1) ....
von Bernd Jas am 23.12.2019 um 10:33 Uhr
Lieferengpässe
von T. La Roche am 22.12.2019 um 14:51 Uhr
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DAZ 50 Seite 3
von Karl Friedrich Müller am 22.12.2019 um 14:18 Uhr
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Das Ende vom Jahr
von Dr.Diefenbach am 22.12.2019 um 13:40 Uhr
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AW: Das Ende vom Jahr
von Peter Ditzel am 22.12.2019 um 13:54 Uhr
Bonfrei zur nächsten Runde oder Wie ich die die Digitalisierung verpasste
von Bernd Jas am 22.12.2019 um 11:31 Uhr
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AW: Bonfrei zur nächsten Runde oder Wie ich
von Karl Friedrich Müller am 22.12.2019 um 22:30 Uhr
Sie kamen in weiß, und sie kamen zu spät !
von Ulrich Ströh am 22.12.2019 um 11:02 Uhr
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AW: Sie kamen in weiß, und sie kamen zu sp
von Anita Peter am 23.12.2019 um 11:22 Uhr
Wunsch an das Christkind
von Anita Peter am 22.12.2019 um 9:27 Uhr
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Becker
von Conny am 22.12.2019 um 8:42 Uhr
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Olafs Lieblingssound als MP3-Datei gesucht ...
von Christian Timme am 22.12.2019 um 8:32 Uhr
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Jahresende
von May, Andreas am 22.12.2019 um 8:21 Uhr
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