- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch, das...
Was weiterhin eine Baustelle sein wird
Das Aus für die Importförderklausel haben wir immer noch an der Backe. Obwohl man Anfang des Jahres noch große Hoffnung hatte, dieses anachronistische Monstrum aus früheren Zeiten, in denen es noch keine Rabattverträge gab, endlich aus dem Gesetzeswerk streichen zu können, musste man mit ansehen, wie aus dem Saarland kommende Wirtschaftspolitiker in alter Verbundenheit zu ihrer Heimat und der dort ansässigen Importfirma sich für die Beibehaltung der Arzneiimporte stark machten – und damit Erfolg hatten. Obwohl selbst der GKV-Spitzenverband für eine Abschaffung dieser Vorschrift plädierte – es nutzte nichts. Das Bundesgesundheitsministerium schraubte stattdessen nur ein wenig am Wortlaut der Importförderklausel herum, machte gefühlt alles noch komplizierter und hielt eisern an den Importen fest. Der innige Dank aus dem Saarland ist dem Ministerium gewiss.
Nachdem es so aussah, als ob sich außer ein paar wackeren Apothekers keiner, weder bei der ABDA noch in der Politik, dem Thema Lieferengpässe ernsthaft annimmt, ist dieses Desaster 2019 endlich in der Öffentlichkeit und in der Politik angekommen. Gegen Ende des Jahres erscheinen gefühlt sogar jede Woche mehrere Berichte und Beiträge in den TV-Medien, in den Tageszeitungen und Magazinen, die auf die Nichtverfügbarkeit von zum Teil äußerst notwendigen Arzneimitteln aufmerksam machen. Und ja, sogar die ABDA äußert sich öffentlich dazu. Sie wagt sich endlich aus der Deckung und sucht nach den Schuldigen für diese Misere. Sie fordert sogar mehr Honorar für Apotheken wegen des Mehraufwands bei Lieferengpässen. Und die Gesundheitspolitiker arbeiten an einem Maßnahmenkatalog, wie man Lieferengpässe zurückdrängen könnte. Spruchreif ist da allerdings noch lange nichts – zu komplex sind die Ursachen. Und obwohl mehrere Experten aus der Industrie, aus der Politik und von Berufsorganisationen überzeugt sind, dass auch die Rabattverträge einen nicht unerheblichen Anteil an den Lieferengpässen haben, wehrt sich der Vater der Rabattverträge Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, vehement gegen diese Vorwürfe. Nur ganz zurückhaltend räumt er ein, es sei, wie er sagt, „mittlerweile eine Menge Druck im Kessel, der von den Rabattverträgen erzeugt wurde“. In der Tat! Lieferengpässe – die Apotheken werden auch im neuen Jahr ihre Patienten vertrösten müssen: Tut uns leid, Ihr Präparat ist zurzeit nicht lieferbar.
Nur einen kleinen Schritt weiter sind wir in Sachen Digitalisierung gekommen, also beim Aufbau einer Telematik-Infrastruktur, mit denen wir auf sicherem Weg Patientendaten, Apotheken- und medizinische Daten austauschen können. Eine solche „Datenautobahn“ ist u. a. die Voraussetzung dafür, dass wir das E-Rezept einführen können, das, so will es der Bundesgesundheitsminister, Ende 2020 an den Start gehen soll. Wird eng, verdammt eng! Die ABDA hat vorsorglich schon mal um eine kleine Verlängerung der Frist gebeten, bis zu der alle Apotheken an die Telematik-Infrastruktur angebunden sein müssen.
Derzeit soll es über 50 Modellprojekte der unterschiedlichsten Organisationen und EDV-Häuser geben – sie alle wollen die Super-App herausbringen, mit der die Patienten dann ihre E-Rezepte an die Apotheken weiterreichen sollen. Denn die Apotheken, die mit der App arbeiten, die den Patienten am besten gefällt, ja, diese Apotheken bekommen die meisten E-Rezepte. Auch DocMorris ist dabei und bastelt an seiner App. Und natürlich der Deutsche Apothekerverband, der hofft, dass seine Web-App das Rennen machen wird als zentrale E-Rezept-Plattform. Noch ist offen, wer als Sieger aus diesem Wettstreit hervorgeht, zumal alle noch auf die Gematik warten müssen, die erst Mitte 2020 die verbindlichen Spielregeln fürs E-Rezept herausgeben wird.
Immerhin, die Ausgabe des elektronischen Heilberufsausweis scheint jetzt in die Gänge zu kommen, er ist der Schlüssel zum Zugang zur Telematik-Infrastruktur. Fragt sich nur, mein liebes Tagebuch, wie EU-Versender wie DocMorris an diesen Heilberufsausweis kommen, der eigentlich nur an Mitglieder deutscher Apothekerkammern ausgeben wird. Eigentlich. Man munkelt, dass das Bundesgesundheitsministerium bereits an Lösungen arbeitet, um auch die EU-Versender auf unsere Datenautobahn zu lassen, damit sie E-Rezepte empfangen dürfen.
Eine Baustelle, die in diesem Jahr so gut wie nicht bearbeitet wurde: Von der ABDA kamen keine Vorschläge, wie unser Grundhonorar von 8,35 Euro pro abgegebener Arzneipackung dynamisiert, sprich an die Inflation und an die steigenden Kosten angepasst werden könnte. Überhaupt warten wir gefühlt eine halbe Ewigkeit auf ein zukunftsweisendes Konzept für unsere Honorierung, obwohl sich bereits seit Jahren eine eigens dafür ins Leben gerufene Arbeitsgemeinschaft der ABDA damit auseinandergesetzt haben soll. Ergebnisse aus dieser AG wurden bisher nie bekannt. Werden die Apotheken auch in Zukunft noch nach Anzahl der abgegebenen Arzneimittelschachteln bezahlt? Werden wir unser Honorar irgendwann aus den Dienstleistungen erhalten? Wird es eine Mischung aus beiden Formen geben? Oder hat eine neue Arbeitsgruppe eine zündende Idee, wie wir Apothekers in Zukunft honoriert werden?
Und dann der Aufreger am Jahresende: Ab 1. Januar 2020 wird die Bon-Pflicht eingeführt: Bei jedem Verkauf im Einzelhandel, also auch in Apotheken, muss ein Bon ausgedruckt und dem Kunden angeboten werden – unabhängig davon, ob der Kunde diesen Bon will, mitnimmt oder gleich wegwirft. Ab Januar startet somit die sinnloseste Papiervernichtung! Proteste aus der Wirtschaft und von Umweltverbänden nützten bisher nichts. Der Finanzminister will den Bon, weil er davon ausgeht, nur so den Betrug von Händlern unterbinden zu können. Mein liebes Tagebuch, als ob so ein Stückchen Papier den Betrug verhindern könnte! Auch der Deutsche Apothekerverband protestierte gegen die Bon-Pflicht und forderte Ausnahmen davon für die Apotheken, bisher ohne Erfolg. Man kann sich auch fragen: Warum protestiert der Verband erst jetzt – das Gesetz wurde bereits vor drei Jahren beschlossen.
Endlich ist die Frage in der Politik angekommen: Werden eigentlich die EU-Arzneiversandhäuser, z. B. die in den Niederlanden, die unmittelbar an der deutschen Grenze sitzen, überwacht? Und wenn ja, wie? Welche Behörde fühlt sich dafür zuständig? So, wie es sich gegen Ende 2019 herauskristallisierte, scheint hier ein Vakuum zu herrschen: Keiner der EU-Versender im Grenzland wird von einer deutschen Behörde überwacht. Und wohl auch nicht von einer niederländischen Behörde. Unglaublich! Wie geht dieses Theater weiter?
12 Kommentare
Jahresrückblick
von Gregor Nelles am 02.01.2020 um 9:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Vorgelesen
von Bernd Jas am 29.12.2019 um 19:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
mit 7-Meilenstiefeln in amerikanische Verhältnisse
von Christiane Patzelt am 29.12.2019 um 17:43 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: mit 7-Meilenstiefeln in amerikanische
von Conny am 29.12.2019 um 18:45 Uhr
AW: Lieber America first als europäisches Gänse rupfen
von Bernd Jas am 29.12.2019 um 19:19 Uhr
Anfang
von Reinhard Rodiger am 29.12.2019 um 13:41 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Jahr 2019
von Dr. Radman am 29.12.2019 um 12:28 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
POLITIK2020
von Dr.Diefenbach am 29.12.2019 um 12:23 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
2020
von Conny am 29.12.2019 um 11:48 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das war's w i e d e r ?
von Christian Timme am 29.12.2019 um 9:07 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Die geschärfte journalistische Feder
von Ulrich Ströh am 29.12.2019 um 9:01 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
?
von Anita Peter am 29.12.2019 um 8:25 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.