Rezeptfreie Schlafmittel

Doxylamin und Diphenhydramin: Was ist das Problem bei Älteren?

29.01.2020, 07:00 Uhr

Senioren nehmen oft mehrere Arzneimittel, deren anticholinerge Last sich addiert. (Foto: Printemps / stock.adobe.com)

Senioren nehmen oft mehrere Arzneimittel, deren anticholinerge Last sich addiert. (Foto: Printemps / stock.adobe.com)


Was ist bei Älteren anders?

Bei älteren Menschen sind anticholinerge Nebenwirkungen aus zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einen sind sie besonders empfänglich für anticholinerge Wirkungen, da es zu einem altersabhängigen Verlust an cholinergen Neuronen oder Rezeptoren im Gehirn kommt und sie eine reduzierte hepatische oder renale Clearance vieler Arzneistoffe aufweisen. Zudem wird die Blut-Hirn-Schranke durchlässiger im Alter, sodass es zu höheren Arzneimittelkonzentrationen im zentralen Nervensystem kommen kann. Die alten Antihistaminika haben daher besonders starke anticholinerge Effekte auf die Kognition (sogenannte anticholinerge Last).

Kumulative anticholinerge Last

Zum anderen nehmen Ältere oft einen ganzen Arzneimittelcocktail ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass darin auch Wirkstoffe mit anticholinergen Eigenschaften enthalten sind, ist groß, weil diese in vielen Arzneistoffgruppen vertreten sind, wie Antidepressiva, Antiparkinsonmittel, urologische Spasmolytika und eben Antihistaminika. Zwar ist das Risiko unter der Therapie mit Anticholinergika Kognitionseinschränkungen zu erleiden patientenindividuell unterschiedlich, es konnte aber gezeigt werden, dass eine Abhängigkeit zu der Anzahl gleichzeitig verabreichter Anticholinergika und ihrer anticholinergen kognitiven Last besteht. Man kann den Effekt der Anticholinergika durchaus als kumulativ bezeichnen. In der Summe können dann Wirkstoffe, die einzeln verabreicht nur für einen „möglichen anticholinergen Effekt“ stehen, klinisch relevante, kognitionseinschränkende Effekte hervorrufen. Die zusätzliche Gabe der allein schon kritischen alten Antihistaminika kann dies befeuern. Neben der anticholinergen kognitiven Last der einzelnen Wirkstoffe scheint der Effekt auf die Kognition auch in direktem Zusammenhang mit der Anwendungsdauer zu stehen. Insbesondere ältere Patienten haben aber oft dauerhaft das Gefühl, schlecht zu schlafen, und greifen daher nicht selten regelmäßig zu den rezeptfreien Schlafmitteln, was auch aufgrund des Abhängigkeitspotenzials keine gute Idee ist – die Empfehlung lautet, diese Wirkstoffe nicht länger als 14 Tage anzuwenden. Über die Gründe, warum die Empfehlungen nur für Doxylamin und Diphenhydramin in der Indikation Schlafstörungen ausgesprochen wurden, kann man derzeit nur spekulieren. Die Anwendungsdauer könnte aber mit eine Rolle spielen, warum die Sachverständigen sich zunächst auf dieses Anwendungsgebiet fokussiert haben. So ist bei Übelkeit und Erbrechen, für das Diphenhydramin (Emesan®) auch eine Zulassung besitzt, eine längerdauernde Anwendung eher ungewöhnlich. Und auch Dimetinden, das ausschließlich als Antiallergikum verwendet wird, wird eher selten zur systemischen Dauerbehandlung von Allergiesymptomen eingesetzt – da gibt es mit den moderneren Antihistaminika besser verträgliche Alternativen.

Für Kinder ist Doxylamin zur Behandlung von Schlafstörungen übrigens bereits seit etwas mehr als einem Jahr verschreibungspflichtig. Hier kennt man die Gründe für die Änderung bereits: Es waren Sicherheitsbedenken. So scheinen insbesondere Säuglinge und Kleinkinder unter einem Jahr – ebenso wie ältere Patienten – manchmal besonders empfindlich auf Anticholinergika zu reagieren. Am Status von Diphenhydramin, das bei Kindern nur bei Übelkeit und Erbrechen zugelassen ist, hat sich hingegen nichts geändert. Es ist weiter rezeptfrei zu haben, allerdings wurden die Anwendungsgebiete eingeschränkt.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Doxylamin

von Alexander Zeitler am 30.01.2020 um 3:43 Uhr

sind das denn die brennensten Probleme?

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