Zuckersüßes Beratungswissen – Teil 3

Warum Obst essen gesünder ist als Smoothies trinken

Stuttgart - 04.02.2020, 07:00 Uhr

Niemand sollte aufs Obstessen verzichten, nur um den negativen Auswirkungen von Fructose auf den Stoffwechsel zu entgehen. (Foto: sonyakamoz/stock.adobe.com)

Niemand sollte aufs Obstessen verzichten, nur um den negativen Auswirkungen von Fructose auf den Stoffwechsel zu entgehen. (Foto: sonyakamoz/stock.adobe.com)


Fructose ist alles andere als ein „gesunder“ Zucker. Ein Zuviel an Fructose begünstigt Übergewicht und Stoffwechselstörungen. Andererseits sind Früchte und Obst unverzichtbarer Bestandteil einer gesunden Ernährung. Wie passt das zusammen?

Alle Obst- und viele Gemüsesorten enthalten Fructose, deshalb auch der Name „Fruchtzucker“. Der wunderbare Wohlgeschmack der Fructose versüßt uns den Verzehr der gleichfalls in Früchten enthaltenen sauren Ascorbinsäure, die unser Körper dringend braucht. Aber wir profitieren nicht nur vom Vitamin C, sondern gleichzeitig von vielen anderen Vitaminen, von Mineralien, von sekundären Pflanzenstoffen und den für die Darmflora bedeutsamen Ballaststoffen, die in Früchten versammelt sind. Wer sich abwechslungsreich mit viel frischem Obst und Gemüse ernährt, verfügt über eine wertvolle Quelle für eine ganze Reihe lebenswichtiger und gesundheitsfördernder Mikronährstoffe.

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Im Apfel stecken sechs Gramm Fructose

Der Fructose-Gehalt in Obst und Gemüse ist eher gering – im Vergleich zu den Zucker- und Fructosemengen, die sich in industriell gefertigten Lebensmitteln verstecken können. Ein mittelgroßer Apfel enthält knapp sechs Gramm Fructose. Mit 50 Gramm = 1 Portion Frühstücksmüsli aus der Packung kann man sich leicht 15 bis 30 Gramm Zucker zuführen. Mit einer Fertigpizza verzehrt man circa zehn Gramm Zucker, ohne das Gefühl zu haben, etwas Süßes gegessen zu haben. Ein halber Liter Softgetränk enthält sogar 45 Gramm Zucker, vermutlich die Hälfte davon Fructose. Die Angaben „Glucose-Fructose-Sirup“ oder „Invertzuckersirup“ (was ebenfalls ein Glucose-Fructose-Gemisch ist) lassen den Verbraucher im Unklaren, wie hoch der Fructose-Anteil wirklich ist. Wie sparsam ist dagegen das Fructose-Angebot von knappen sechs Gramm in einem Apfel! Aber Achtung, 100 ml Apfelsaft enthalten bereits ungefähr sieben Gramm Fructose und haben keinen vergleichbaren Sättigungseffekt wie ein Apfel, ganz zu schweigen von den fehlenden Ballaststoffen.

Besser kein Obst?

Niemand sollte aufs Obstessen verzichten, nur um den negativen Auswirkungen von Fructose auf den Stoffwechsel zu entgehen. Ernährungsmediziner warnen sogar: Die meisten Menschen essen viel zu wenig Obst. Gemeint ist damit das rohe und unverarbeitete Obst, das gekaut wird, zum Beispiel der tägliche Apfel. Selbst Menschen, die an einer Fructose-Unverträglichkeit bzw. Malabsorption (siehe weiter unten) leiden, können Obst verzehren, sofern sie bewusst andere Fructose-Quellen meiden. Es ist eher unwahrscheinlich, dass man nur durch den Verzehr von Früchten (in normalen Portionen!) schädlich hohe Mengen an Fructose zu sich nimmt. Die Natur hat es so eingerichtet, dass die Fructose in Früchten eine Menge Begleitstoffe hat. Ganz wichtig dabei sind die Ballaststoffe. Gelangt der durchs Kauen zerkleinerte Obst-Speisebrei in den Verdauungstrakt, tragen die Ballaststoffe aufgrund ihres Volumens nicht nur zur erwünschten Sättigung bei. Sie wirken auch normalisierend auf die Darmperistaltik und helfen, die Resorptionsmechanismen zu entschleunigen und zu entlasten. So wird beispielsweise die Fructose weniger schnell in die Leber geschleust, als wenn sie in Gestalt flüssiger Drinks schwallartig in den Dünndarm gespült wird. 

Warum Smoothies inzwischen kritisch gesehen werden

Das erklärt auch, warum man die Zufuhr von Obst in Form von Smoothies inzwischen kritisch beurteilt. Auch wenn diese einen guten Ruf haben und als gesund gelten – für den Körper sind sie eher eine Last. Durch den maschinellen Zerkleinerungsprozess werden die Zellstrukturen der Begleitstoffe zerstört, sodass das verflüssigte Obst – ohne Kauprozess – als konzentrierter Saft in den Körper hineinrauscht. Wenn man zum Beispiel eine Banane, ein Viertel Ananas und eine halbe Mango als Smoothie schlürft, gelangen rund 60 Gramm Fructose mit hoher Geschwindigkeit in den Körper.

Wenn man sich diese beschleunigte Zufuhr vor Augen hält, ist es kein Wunder, dass immer mehr Menschen nach dem Verzehr Fructose-haltiger Nahrung Blähungen, Magenschmerzen und/oder Durchfall bekommen. Die Beschwerden können auch bei völlig Gesunden auftreten, wenn diese über längere Zeit größere Mengen an Fructose (35 bis 50 Gramm pro Tag) aufnehmen, was praktisch nur über den Konsum gesüßter Fertigprodukte, Fruchtsäfte, Smoothies und Fruchtdrinks möglich ist. Vergleichbare Beschwerden allein durch Obstverzehr würden voraussetzen, dass man über einen langen Zeitraum täglich ein ganzes Kilo Äpfel verdrückt.

Die Transportmechanismen sind überfordert

Der dauerhafte Fructose-Überschuss im Körper kann dazu führen, dass auch bei gesunden Menschen die Transport-Proteine knapp werden, die die Fructose-Moleküle vom Dünndarm über die Pfortader in die Leber geleiten. Ein Teil der Fructose bleibt dann im Dünndarm zurück und gelangt mit dem Speisebrei weiter in den Dickdarm. Dort wird Fructose durch die Darmbakterien in Kohlendioxid, Methan und Wasserstoff zerlegt – alles Gase, die unangenehme und schmerzhafte Blähungen erzeugen. Gleichzeitig entstehen kurzkettige Fettsäuren mit üblem Geruch. Langfristig verändert sich durch alle diese Vorgänge auch die Darmflora. Durchfälle, Verstopfung, Bauchschmerzen – wer unter diesen Beschwerden leidet, für die der Arzt keine Ursache findet, kann leicht Abhilfe schaffen: den Fructose-Verzehr verringern. Das bedeutet nicht, auf den täglichen Apfel, die Portion Beeren oder die Orange zu verzichten – die sollten weiter auf dem Speisezettel stehen. Gestrichen werden sollten süße Getränke, auch Fruchtsaftschorlen, süße Fruchtjoghurts und Süßkram aller Art. Anstelle des gesüßten Frühstücksmüslis einfach eine ungesüßte Variante wählen – daran kann man auch schon Kinder gewöhnen!

Fructose-Malabsorption: Lästig, aber nicht bedrohlich

Wenn ein Mensch weniger als 25 Gramm Fructose pro Tag aufnimmt und trotzdem Beschwerden auftreten, liegt eine meist genetisch bedingte Fructose-Malabsorption vor.  Als Malabsorption bezeichnet man die mangelhafte Aufnahme (= Absorption) von Substraten, in diesem Fall Fructose, aus dem bereits vorverdauten Speisebrei. Ein Enzymdefekt (keine Allergie!) ist dafür verantwortlich, dass nicht genügend Fructose-Transport-Proteine zur Verfügung stehen und die Fructose deshalb nicht aus dem Dünndarm heraustransportiert wird, sondern in den Dickdarm gelangt. Häufig liegt zugleich eine funktionelle Störung vor, die den Speisebrei zu schnell durch den Dünndarm wandern lässt, was die Beschwerden zusätzlich anfacht. Eine weitere Ursache für die verminderte Fructose-Absorption kann eine krankhafte Veränderung der Darmschleimhaut sein. Vermutet wird auch ein Zusammenhang mit Stress und hormonellen Schwankungen sowie mit der Zusammensetzung der Darmflora. Menschen mit einer Fructose-Malabsorption müssen Fructose nicht komplett meiden, sollten sich aber sehr bewusst ernähren. (Sinnvoll wäre es auch hier, nicht Früchte generell aus der Nahrung zu streichen, sondern industriell hergestellte Lebensmittel und Getränke mit Zuckerzusätzen.)  Denn auch wenn es sich um keine lebensbedrohliche Erkrankung handelt, können die Beschwerden sehr unangenehm sein. Außerdem kann es bei langfristigen Darmstörungen zu Veränderungen der Darmflora kommen, die zum Beispiel einen Mangel an Folsäure, Zink oder der Aminosäure Tryptophan zur Folge haben.

Fructose-Malabsorption versus Hereditäre Fructose-Intoleranz

Die Diagnose Fructose-Malabsorption stellt der Arzt mit Hilfe eines Wasserstoff-Atemtests. Hierbei wird nach dem Trinken einer definierten Fructose-Lösung in gewissen Zeitabständen der Wasserstoffgehalt der Atemluft gemessen. Dieser ist ein Maß für die bakterielle Fructose-Verdauung im Dickdarm. Wasserstoff (und andere Gase) werden nur im Dickdarm erzeugt und gelangen von dort ins Blut und in die Atemluft. Je mehr Fructose also nicht im Dünndarm resorbiert wird und stattdessen in den Dickdarm gelangt, umso höher ist der gemessene Wasserstoffwert. Übrigens lässt sich bei rund 30 Prozent aller Europäer eine Fructose-Malabsorption diagnostizieren, interessanterweise hat jedoch nur ein Drittel dieser Menschen tatsächlich Beschwerden. Dies zeigt, dass hier noch Forschungsbedarf ist, um die Zusammenhänge zu klären.

Sehr selten: ein schwerer Enzymdefekt

Abzugrenzen von der Fructose-Malabsorption, die im Volksmund auch häufig als Fructose-Intoleranz bezeichnet wird, ist die sehr seltene Hereditäre Fructose-Intoleranz, abgekürzt HFI. Bei dieser schweren, bereits im Säuglingsalter auftretenden Krankheit kann aufgrund eines angeborenen Enzymdefekts die Fructose in der Leber nicht abgebaut werden. Beim Nichterkennen kommt es zu dramatischen Folgen mit Leber- und Nierenversagen. Eine medikamentöse Behandlung gibt es nicht. Einzige Therapieform ist die vollständige Eliminierung von Fructose aus der Nahrung.

Auf einen Blick

Wer sich abwechslungsreich mit viel frischem Obst und Gemüse ernährt, verfügt über eine wertvolle Quelle für eine ganze Reihe lebenswichtiger und gesundheitsfördernder Mikronährstoffe. Dabei ist der Fructosegehalt von Früchten eher gering im Vergleich zu industriell hergestellten Lebensmitteln und Getränken.

Für den Verdauungstrakt ist es vorteilhaft, wenn die Fructose als Bestandteil eines Ballaststoff-haltigen Speisebreis aufgenommen wird. So werden die Resorptionsmechanismen entschleunigt und entlastet. Beim Trinken von Smoothies gelangen hohe Mengen an Fructose viel zu schnell in den Körper, was Verdauungsstörungen begünstigen kann.

Ein dauerhafter Fructose-Überschuss im Körper kann dazu führen, dass auch bei gesunden Menschen die Transport-Proteine knapp werden. Die Folge sind Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall, Veränderungen der Darmflora. In diesem Fall nicht das Obst weglassen, sondern süße Getränke und gesüßte, industriell hergestellte Lebens- und Genussmittel vom Speisezettel streichen.

Genetisch oder funktionell bedingt kann eine Fructose-Malabsorption vorliegen. Es handelt sich nicht um eine Allergie! Um lästige, aber nicht lebensbedrohliche Beschwerden zu lindern, müssen Betroffene auf ihre Ernährung achten. Obst in kleinen Mengen ist erlaubt, auf Fructose-haltige Fertigprodukte und vor allem Getränke wie Softdrinks, Fruchtsäfte, Smoothies verzichten.

Die Hereditäre (=erbliche) Fructose-Intoleranz, HFI, ist sehr selten. Es handelt sich um einen schweren Enzymdefekt, der zu Leber- und Nierenversagen führen kann. Betroffene Menschen, meist schon Säuglinge, dürfen keine Fructose zu sich nehmen.

Unsere Serie „Zuckersüßes Beratungswissen“ wird fortgesetzt!


Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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