Pharmaziestudium in Pandemiezeiten

BPhD: Änderung der Approbationsordnung für den Zeitraum der Pandemie

Stuttgart - 09.04.2020, 08:58 Uhr

Studieren in Zeiten von COVID-19: Mit Online-Vorlesungen alleine, werden leider nicht alle Probleme gelöst. (Foto: Rido / stock.adobe.com)

Studieren in Zeiten von COVID-19: Mit Online-Vorlesungen alleine, werden leider nicht alle Probleme gelöst. (Foto: Rido / stock.adobe.com)


Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V. macht in einer „Sonderstellungnahme“ vom vergangenen Dienstag darauf aufmerksam, dass die Studierenden der Pharmazie durch COVID-19 zunehmend in Bedrängnis geraten. Akut seien insbesondere Pharmazeuten im Praktischen Jahr, der Famulatur oder in der Prüfungsphase betroffen. Die Universitätsausbildung insgesamt – speziell bei Laborpraktika – stehe vor enormen Herausforderungen.

Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V. (BPhD) sieht es – angesichts der aktuellen Coronakrise – als zwingend notwendig an, „Regelungen zu schaffen, um die durch Einschränkungen während des Praktischen Jahres und des Studiums entstandenen und noch entstehenden Nachteile für den Studienfortschritt auszugleichen“. Das geht aus einer Pressemitteilung des BPhD vom Mittwoch hervor. Ilias Essaida, beim BPhD Beauftragter für Gesundheitspolitik, erkennt sogar ein gesamtgesellschaftliches Risiko: „Eine Verzögerung der Staatsexamensprüfungen stellt auch für das Gesundheitssystem ein Risiko dar.“ Es brauche jetzt bundeseinheitliche Beschlüsse, damit endlich Klarheit für die Studierenden geschaffen und ein Schaden für die Gesundheitsversorgung abgewendet werden könne. In einer „Sonderstellungnahme“  führt der BPhD schließlich weiter aus, dass die Apotheken schon vor dem Beginn der COVID-19-Pandemie vor dem Problem standen, dass nicht genügend Fachpersonal ausgebildet wird. Wenn die nun durch eine Quarantänephase entstehenden Fehlzeiten regulär angerechnet würden, könnte es vermehrt zu einer Überschreitung der zulässigen Fehlzeiten kommen, heißt es. 

Außerdem führe die derzeit in Apotheken oft praktizierte Schichtarbeit dazu, dass der Ausbildung nicht, wie es in der Apporbationsordnung (AAppO) gefordert wird, ganztägig in einer Apotheke oder anderen Ausbildungsstätte nachgegangen werden kann. Hinzu komme, dass die Arbeitszeiten dadurch teilweise unter 30 Stunden pro Woche sinken. In der Folge könnten Pharmazeutinnen und Pharmazeuten im Praktikum dazu genötigt werden, ihre Praktische Ausbildung zu verlängern. 

Studierende könnten nicht zur Prüfung zugelassen werden

Währenddessen falle an vielen Standorten gerade der Praktikumsbegleitende Unterricht (PBU) aus, auch wenn vereinzelt Seminare alternativ online angeboten würden. Es bestehe dennoch insgesamt das Risiko, dass die Studierenden schließlich nicht zur Prüfung zugelassen werden, da die Approbationsordnung auch einen Nachweis über die Absolvierung des PBU verlangt. 

Beim zweiten Staatsexamen sieht die Situation dem BPhD zufolge kaum besser aus: Ob die Prüfungen stattfinden, fortgeführt oder abgebrochen werden, sei je nach Universitätsstandort unterschiedlich. Viele Studierende seien derzeit schlecht oder gar nicht über die Planungen der Landesprüfungsämter, Universitäten und pharmazeutischen Fakultäten informiert.

Durch abgebrochene oder unterbrochene Famulaturen stünden schließlich auch die Studierenden, die sich kurz vor dem ersten Staatsexamen befinden, vor einem Problem: „Auch hier stellt sich die Frage nach der Anerkennung durch die Landesprüfungsämter.“

Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes nötig?

Für all diese Probleme meint der BPhD eine Lösung gefunden zu haben: In der umfangreichen Stellungnahme spricht er sich jetzt für eine temporäre Änderung der Approbationsordnung aus – für den Zeitraum der Pandemie. 

Allerdings heißt es dort auch: „Damit eine derartige ‘Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Apotheker bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite’ zügig und ohne Zustimmung des Bundesrates durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erlassen werden kann, bedarf es einer Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes.“

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Doch der BPhD sieht darin kein Hindernis: Er habe eine entsprechende Ergänzung für § 5 des Infektionsschutzgesetzes sowie einen möglichen Entwurf für die Zusatzverordnung als Teil seiner Stellungnahme ausgearbeitet.

So könnte der § 5 des Infektionsschutzgesetzes wie folgt ergänzt werden: 

Absatz 2 Nummer 7 wird um den Buchstaben c ergänzt: c) abweichend von der Approbationsordnung für Apotheker die Zeitpunkte und die Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Abschnitte der Pharmazeutischen Prüfung festzulegen und zu regeln, dass Pharmaziestudierenden infolge eines durch eine Epidemie nationaler Tragweite gestörten Studienablaufes und einer notwendigen Mitwirkung an der Gesundheitsversorgung keine Nachteile für den Studienfortschritt entstehen;

Für Medizinstudierende heißt es dort bereits unter b):  „abweichend von der Approbationsordnung für Ärzte die Zeitpunkte und die Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Abschnitte der Ärztlichen Prüfung festzulegen und zu regeln, dass Medizinstudierenden infolge einer notwendigen Mitwirkung an der Gesundheitsversorgung keine Nachteile für den Studienfortschritt entstehen;“ Allerdings ist diese Regelung nicht allen Medizinstudenten willkommen, wie beispielsweise ein Bericht in der „Frankfurter Allgemeinen“ zeigt. 

Studierenden sollen keine Nachteile entstehen

Auf Basis der Änderung des Infektionsschutzgesetzes könne das Bundesgesundheitsministerium eine Verordnung „zur Abweichung von der Approbationsordnung für Apotheker bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite“ erlassen, erklärt der BPhD. 

Sowohl Studierende der Medizin als auch die der Pharmazie scheinen sich vor allem nach Planungssicherheit zu sehnen. Und so liefert der BPhD den „Vorschlag für eine Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Apotheker bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite“ gleich mit. Im Entwurf heißt es beispielsweise: 

  • „Praktische Übungen können von denen in Anlage 1 der Approbationsordnung für Apotheker angegebenen Zeitumfängen um bis zu fünfzig Prozent abweichen, sofern die epidemische Lage nationaler Tragweite dies erfordert. Sie können zusätzlich durch digitale Lehrformate begleitet werden und in Teilen durch Simulationen ersetzt werden.“ 
  • „Ergänzend zu § 5 Absatz 2 ist das Fernbleiben von der Pharmazeutischen Prüfung aus Gründen, die in Zusammenhang mit der epidemischen Lage nationaler Tragweite stehen, als wichtiger Grund zu werten. Den zu Prüfenden entstehen dadurch keine Nachteile hinsichtlich der Anzahl der Prüfungsversuche oder der Prüfungswertung. “

Zusätzlich gezielte Forderungen an die Landesprüfungsämter 

Wenn es nach dem BPhD geht, bedarf es vielerlei Maßnahmen: Man richte sich deshalb auch mit einzelnen Forderungen gezielt an die Landesprüfungsämter sowie die Apothekerkammern. Beispielsweise sollen die Seminare des Praktikumbegleitenden Unterrichtes alternativ digital angeboten werden. „Wir fordern die Landesapothekerkammern und die Landesprüfungsämter auf, in jedem Fall eine Bescheinigung über die Teilnahme am Praktikumsbegleitenden Unterricht nach Anlage 6 der AAppO auszustellen“, macht der BPhD deutlich. „Für die Kommunikation mit den Studierenden fordern wir die Landesprüfungsämter auf, eine Person zu benennen und diese Ansprechperson den Fachschaften mitzuteilen.“

Prüfungen nicht aussetzen

Insgesamt wird dafür plädiert, die Prüfungen des Ersten, Zweiten und Dritten Teils der Pharmazeutischen Prüfung weiterhin durchzuführen und nicht über einen längeren Zeitraum auszusetzen. „Um auf personelle Engpasssituationen oder organisatorische Schwierigkeiten der Landesprüfungsämter oder der Universitäten angemessen reagieren zu können“, empfiehlt der BPhD, den Zeitraum von Unterbrechungen zwischen den einzelnen Prüfungen im ersten Staatsexamen auf bis zu acht Tage und im zweiten Staatsexamen von acht auf bis zu 14 Tagen zu erhöhen. So werde es den zuständigen Stellen ermöglicht, auf unvorhersehbare organisatorische Probleme zu reagieren. Bereits begonnene und abgebrochene Prüfungen sollten so schnell wie möglich fortgeführt werden. Die bereits erbrachten Leistungen sollen dabei ihre Gültigkeit beibehalten. 

Verkürzungen des praktischen Jahres ...

Verzögerungen in der pharmazeutischen Ausbildung könnten dem BPhD zufolge durch Verkürzungen des praktischen Jahres ausgeglichen werden. Ziel sei dabei, die geplanten Termine für das dritte Staatsexamen beibehalten zu können. 

… aber zusätzliche Prüfungsgegenstände 

Um die pharmazeutische Versorgung und Beratung kurzfristig durch zusätzliche Fachkenntnis zu unterstützen, soll laut BPhD – ergänzend zu den in Anlage 14 und 15 der Approbationsordnung für Apotheker festgeschriebenen Themenbereichen – in den Prüfungen des zweiten und dritten Staatsexamens auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse und berufspraktische Anforderungen, die im Zusammenhang mit der epidemischen Lage nationaler Tragweite stehen, eingegangen werden. 

Das Dokument des BPhD umfasst insgesamt elf Seiten und viele weitere Vorschläge.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Aufpassen, unbedingt dranbleiben

von Wolgang Müller am 09.04.2020 um 10:17 Uhr

Es ist sehr zu begrüßen, dass der BPhD hier streng die Verhältnismäßigkeit anmahnt, was das Fortkommen der Pharmaziestudierenden betrifft. Gerade derer, bei denen demnächst ein Staatsexamen ansteht, dass NATÜRLICH nicht "Durch Corona" verzögert werden darf. Das GEGENTEIL wäre richtig, eine SCHNELLERE Verfügbarkeit des Nachwuchses in den kritisch systemrelevanten Öffentlichen Apotheken! Um dort frisch motiviert die bestmögliche Arzneimittelversorgung entscheidend unterstützen zu können!

"Die Krise" hat ja an vielen Stellen in der Gesellschaft, ja gerade auch im Gesundheitswesen, zu einer - wenn auch oft nur erschreckend zaghaften - Renaissance des gesunden Menschenverstandes geführt. Gerade, was das katastrophale Ausbremsen überlebensnotwendiger Maßnahmen für normale Apotheken durch vollkommen sinnleere Friedhofs-Bürokratie, oder das Setzen absurder Prioritäten betrifft.

Es sollte keinesfalls der Prüfungsrhythmus für Pharmaziestudierende gefährdet werden dürfen, wegen nicht durch die Studierenden zu vertretenden Ausfällen, seien es nun Arbeitszeiten, seien es vor Allem aber auch: "Wegen Corona-Kontaktverbot und -Arbeitsschutz" ABGESAGTE PRÜFUNGEN.

Letzteres wäre - zumindest was die mündlichen Prüfungen in kleinsten Gruppen von 2 - 3 Prüfern und 1 - 2 Prüflingen betrifft - nichts weniger als ein Skandal.

Kürzlich wurde hier ja schon berichtet, dass in offensichtlich überforderter Konfusion bereits erste mündliche Examina - mitten am Tag, glaube ich sogar mich zu erinnern - abgesagt bzw. abgebrochen wurden. Gut, dass sei den anfänglichen panischen Unklarheiten und daraus resultierenden Haftungs-Unsicherheiten der Verantwortlichen geschuldet und verziehen.

Inzwischen scheint sowas nicht mehr zu passieren. Inzwischen werden meines Wissens unsere mündlichen Examina regulär und ohne Rückzieher aus minderen, vorgeschobenen Gründen kollegial regulär durchgeführt. Zum Vorteil der Studierenden, der Apotheken, und der bestmöglich zu versorgenden Bevölkerung.

Es muss aber in diesem unseren unberechenbar verwalteten Umfeld, dass immer wieder gerade im rein formal/bürokratischen Bereich zu bizarren Auslegungen und damit desaströsen Überraschungen fähig ist, auf diese Entwicklung sicher weiter ein wachsames Auge geworfen werden. Und es ist sehr gut, dass es auch die Studierenden selber tun!

PS Mein Dank geht der Vollständigkeit halber noch ausdrücklich an alle Prüfenden, die sich ganz konkret, gerade auch hier in Berlin, in den aktuell laufenden und in den kommenden 2. und 3. Staatsexamina nicht zur Fahnenflucht entschieden haben.

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