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Corona-Woche 3: Ja, Vor-Ort-Apotheken sind von ganz besonderer Bedeutung, mehr denn je. Und daher sind mehr Befugnisse für Apotheken geplant, außerdem ein Honorar für Botendienste – was natürlich dem GKV-Spitzenverband nicht gefällt. Und, wichtig, das Apothekenpersonal gehört jetzt, offiziell vom Robert Koch-Institut bestätigt, zum „medizinischen Personal“, zum Personal von kritischen Infrastrukturen. Ist von Bedeutung, wenn Quarantäne droht. Und das Osterei der Woche: Eine Notverordnung mit Spahn als Ober-Apotheker und dem BMG als Apotheke. Geht das zu weit? C-Ostern 2020 – wir werden das nie vergessen!
6. April 2020
Einmalig 250 Euro für eine Schutzausrüstung zur Förderung des Botendienstes und 5 Euro pro Botendienst – das soll schon bald jede Apotheke erhalten, wenn der Referentenentwurf für eine „SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung“ aus dem Haus Spahn Gesetzeskraft erlangt. Ja, mein liebes Tagebuch, da reibt sich so mancher die Augen und glaubt, es sei ein verspäteter Aprilscherz. Aber nein, Spahn meint es vollkommen ernst. Er sieht, was Apotheken leisten, wie wichtig Botendienste gerade in Zeiten von Kontaktbeschränkungen sind – das muss gefördert und vergütet werden. So schnell möglich gemacht wird dies alles dadurch, weil sich Deutschland „in einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ befindet, was der Bundestag am 25. März offiziell festgestellt hat. Und in dieser Lage geht so einiges. Der Verordnungsentwurf stellt beispielsweise heraus, dass den Apotheken in der aktuellen Situation eine besondere Bedeutung zukommt. Er weist darauf hin, dass sich aus jedem Patientenkontakt in der Apotheke die Gefahr eines Infektionsrisikos für die in Apotheken beschäftigten Personen sowie für Patientinnen und Patienten ergibt. Um die Arzneimittelversorgung aufrechtzuerhalten, soll deshalb das Infektionsrisiko verringert werden, indem Patienten ihre Apotheken- und Arztkontakte reduzieren. Und ja, das Wirtschaftlichkeitsgebot in der GKV soll vorübergehend zurückzutreten. So ist es, mein liebes Tagebuch. Übrigens, was noch möglich gemacht werden soll: Apotheken dürfen auch ohne Rücksprache mit dem Arzt Teilmengen abgeben und bei der erstmaligen Abgabe von Teilmengen die volle Vergütung berechnen (Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,35 Euro zuzüglich 21 Cent). Bei jeder weiteren Abgabe von Teilmengen aus einer Arzneimittelpackung gibt’s dann allerdings nur das Fixum von 8,35 Euro je Abgabe. Also, mein liebes Tagebuch, da wird dann doch einiges ermöglicht. Allerdings, dies alles wird, sofern es Gesetz wird, nur vorübergehend gelten für die Zeit der epidemischen Lage. Wenn es nach uns Apothekers geht, sollte der Zuschlag für den Botendienst aber erhalten bleiben, oder?
Und damit nicht genug. Spahn möchte den Apotheken sogar noch weiterreichende Befugnisse einräumen, vor allem wenn ein verordnetes Arzneimittel in der Apotheke nicht verfügbar oder nicht lieferbar ist. Nach ärztlicher Rücksprache dürften dann auch Arzneimittel abgegeben werden, die nicht wirkstoffgleich sind, sondern nur pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar. Auch ein Aut-idem-Kreuz müsste nicht mehr beachtet werden. Und Packungsgrößen und Wirkstärken könnten sogar ohne Rücksprache mit dem Arzt geändert werden. Teilmengen einer Packung können ebenfalls abgegeben werden. Na, mein liebes Tagebuch, so geht Pharmazie, so läuft unsere Apothekerei. Wir können das! Und es zeigt: Wir sind mehr als nur Logistiker und Kassenerfüllungsgehilfen. Vielleicht hat dies auch Auswirkungen für die Zeit n.C.
Es geht noch mehr: Die „SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung“ soll weitere Neuerungen bringen. In der Planung sind beispielsweise Erleichterungen bei der Entlassmedikation, eine veränderte Preisbildung für Zytostatikazubereitungen, ein weiter Spielraum für Behörden, von Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Apothekengesetzes oder der Apothekenbetriebsordnung abzuweichen und Möglichkeiten für Verkaufs- und Verpflichtungsverbote. Bei der Entlassmedikation sollen Krankenhausärzte Packungen bis zum größten Packungskennzeichen verordnen dürfen, bei Zytostatika soll es möglich sein, die tatsächlichen Einkaufspreise unter Berücksichtigung von Rabatten und Teilmengen zu taxieren. Und Behörden könnten Abweichungen vom Apothekengesetz und von der Apothekenbetriebsordnung gestatten. Was auch immer das im Einzelnen heißen mag, werden wir noch sehen, falls die Lage es erfordert. Aber nicht vergessen: Über allem steht, dass in Deutschland die epidemische Lage von nationaler Tragweite gilt, längstens bis zum 31. März 2021.
7. April 2020
Und was hält die ABDA von der geplanten Arzneimittelversorgungsverordnung in Epidemie-Zeiten? Da es eine Eil-Verordnung ist, musste sich unsere Standesvertretung umgehend dazu äußern. Die Antwort: Alles im grünen Bereich. Die ABDA begrüßt in einem ersten Statement die vorgeschlagenen Maßnahmen. Denn die Regelungen entsprechen weitestgehend den eigenen Vorschlägen für die Absicherung der Versorgung, freut sich der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt: „Das ist gut.“ Na, mein liebes Tagebuch, da gibt's dann wohl nichts auszusetzen. Und Schmidt fügt hinzu: „Die Apotheken stehen im Kampf gegen das Corona-Virus mit an der Front und können jetzt effektiver handeln.“
Allerdings, so ganz zufrieden ist unsere Berufsvertretung dann doch nicht. Im Referentenentwurf stecken an manchen Stellen Detailungenauigkeiten, Formulierungen, die nachgebessert werden müssen. Nur ein Beispiel ist der Begriff der „Nichtverfügbarkeit“, der in den vorgesehenen Änderungen steht. Im Fall der Nichtverfügbarkeit des verordneten Arzneimittels soll es Apotheken erlaubt sein, an den Versicherten ein in der Apotheke verfügbares oder an die Apotheke lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abzugeben. Tja, mein liebes Tagebuch, was bedeutet in diesem Zusammenhang „nicht verfügbar“? Nicht verfügbar im Großhandel oder nicht verfügbar, sprich vorrätig in der Apotheke? Aus Sicht der ABDA sollte die Austauschmöglichkeit an die Nichtverfügbarkeit des verordneten Arzneimittels „in der Apotheke“ geknüpft sein. Vollkommen richtig, denn sonst müsste der Patient ja doch ein zweites Mal in die Apotheke kommen, was nicht dem Sinn dieser erleichterten Austauschmöglichkeit entspricht. Also, dran bleiben.
8. April 2020
Diese Frage poppte in den vergangenen Tagen immer wieder auf: Gelten erleichterte Quarantäne- Maßnahmen auch für pharmazeutisches Personal? Gehören auch Apotheker und PTA zum vom Robert Koch-Institut (RKI) umrissenen „medizinischen Personal“? Diese Frage ist z. B. von besonderer Bedeutung, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob die gesamte Apotheke schließen muss, wenn ein Apothekenmitarbeiter corona-positiv getestet wurde. Zahlreiche Nachfragen von verschiedener Seite, unter anderem auch von der Apothekerkammer und vom Apothekerverband Nordrhein, brachten nun endlich Klarheit. Jetzt hat das Robert Koch-Institut nachgebessert und für Klarheit gesorgt: Die erleichterten RKI-Empfehlungen bei Personalmangel gelten auch für Apotheken: Pharmazeutisches Personal wird jetzt explizit erwähnt als „essenzielles und/oder hoch spezialisiertes KritIS-Personal“ (also Personal von kritischen Infrastrukturen). Aber, mein liebes Tagebuch, diese nun möglichen offiziellen Erleichterungen gelten wirklich nur als Ausnahmeregelungen. Da müssen zuvor „alle anderen Maßnahmen zur Sicherstellung einer unverzichtbaren Personalbesetzung ausgeschöpft sein“.
Eigentlich war das zu erwarten: Der GKV-Spitzenverband, unser aller Freund, hält von den meisten der Vorschläge, die den Apotheken (und letztlich auch den Patienten) kleine Erleichterungen in der Arzneimittelversorgung während dieser schwierigen Zeit bringen sollen, nichts. Einfach nichts. Unglaublich, mein liebes Tagebuch, mit welchen Begründungen der Kassenverband in dieser Corona-Krisenzeit z. B. die vorgesehene Vergütung für den Botendienst oder die Abrechnung von Teilmengen ablehnt. Da vergleicht der GKV-Verband die Apotheken mit anderen Lieferdiensten, die ihre Schutzmaßnahmen selber finanzieren oder er argumentiert, dass Botendienste bereits heute in großem Umfang als Kundenbindungsinstrumente angeboten würden. Und ja, der LAV Baden-Württemberg habe doch schon mit der AOK Ba-Wü vereinbart, dass nur 2 Euro pro Botendienst bezahlt werden. Außerdem würden laut einer Umfrage mehr als zwei Drittel der Apotheker zwei Euro für den Botendienst für angemessen halten (was mag das für eine Umfrage gewesen sein?) Mein liebes Tagebuch, kann man solche Argumente des GKV-Spitzenverbands noch ernst nehmen? Natürlich nicht. Also, mein liebes Tagebuch, dieser Kassneverband kann einfach nicht anders als so zu reagieren wie er reagiert. Spahn weiß das. Hoffentlich. Und er weiß, was er an den Apotheken hat – oder doch nicht?
9. April 2020
Das hört sich richtig gewaltig an: Spahn will sich in Krisenzeiten mehr Machtbefugnisse sichern. Die sollen zum Beispiel so aussehen, dass sein Ministerium Produkte des medizinischen Bedarfs, also unter anderem Arzneimittel, selbst oder durch beauftragte Stellen beschaffen, lagern, herstellen und in den Verkehr bringen kann. Mit anderen Worten: Da könnte so ziemlich das gesamte Apothekengesetz und Arzneimittelrecht ausgehebelt werden. Alles natürlich unter dem erklärten Zweck der „Sicherstellung einer angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs im Zusammenhang mit der durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 ausgelösten epidemischen Lage“. Spahn als Ober-Apotheker der Nation und das BMG als Apotheke? Klar, eine gute Absicht hinter dem Referentenentwurf für eine „Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung“ lässt sich durchaus erkennen, aber wie weit darf so eine Ausnahmesituation gehen? Ziemlich weit, wie es scheint. Und es scheint eine Gratwanderung zwischen Gut und Böse zu werden. Diese Verordnung würde Spahn erlauben, während einer Krisenzeit, wie es die epidemische Corona-Lage derzeit ist, weitreichend in die gesamte Arzneimittelversorgung – von der Herstellung bis zur Abgabe des Medikaments – einzugreifen. Mein liebes Tagebuch, wir Apothekers wissen, das wird kein Spaß für ihn. Und gehen wir mal davon aus, dass er wohl kaum unseren Job übernehmen will: Genau hinschauen sollten wir dennoch, was hier unter dem Vorzeichen von Corona abläuft. Mein liebes Tagebuch, nicht nur wir stellen uns die Frage, ob das in der jetzigen Situation nicht alles zu weit geht?
Selbst wenn der worst case eintreffen sollte und eine „BMG-Apotheke“ die Versorgung übernimmt – wenn’s zu schlimm wird, könnte der Bundestag dem Spuk ein Ende machen – er muss nur die festgestellte „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ (die längstens bis zum 31. März 2021 gilt), vorzeitig aufheben.
Die Apotheken vor Ort machen eine echt guten Job! Auch und erst recht in dieser Krisenzeit. So lässt sich auf den Punkt gebracht das Ergebnis einer vom Wort&Bild-Verlag in Auftrag gegebenen Umfrage zusammenfassen. In der repräsentativen Umfrage schneiden die Vor-Ort-Apotheken extrem gut ab mit Bestnoten für Service, Verlässlichkeit und Beratung. Auf die Apotheken ist einfach Verlass. Auch in Corona-Zeiten sind Apotheken das Rückgrat der Gesundheits-Nahversorgung: Arzneimittel rund um die Uhr, Beratung mit Sicherheitsabstand, Medikamente per Bote und Schichtdienste. Mein liebes Tagebuch, mit diesen Bestnoten für die Apotheke kann Ostern kommen. Es wird ein Ostern werden, das wir nie vergessen. Machen wir das Beste daraus!
21 Kommentare
Daz Löschung Ehre
von Conny am 14.04.2020 um 9:30 Uhr
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AW: Daz Löschung Ehre
von H. Schmidt am 14.04.2020 um 11:35 Uhr
AW: Daz Löschung Ehre
von Comny am 14.04.2020 um 13:44 Uhr
Im Grunde sind wir alle Statisten mit gewissen Aufgaben in einem laufenden Wahlkampf ...
von Christian Timme am 13.04.2020 um 20:58 Uhr
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Nix wird sich ändern
von Barbara Buschow am 13.04.2020 um 17:36 Uhr
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AW: Nix wird sich ändern, wenn es keiner will.
von Reinhard Rodiger am 13.04.2020 um 19:52 Uhr
AW: Es wird sich alles ändern
von Bernd Jas am 13.04.2020 um 20:07 Uhr
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von Anita Peter am 13.04.2020 um 14:33 Uhr
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Maskenball
von Bernd Jas am 13.04.2020 um 12:46 Uhr
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AW: Maskenball ... der Demaskierten.
von Christian Timme am 13.04.2020 um 18:46 Uhr
EHRE
von Dr.Diefenbach am 13.04.2020 um 10:58 Uhr
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AW: EHRE ... Unverzichtbarkeit im Intervall ... im Aufstieg oder Absturz?
von Christian Timme am 13.04.2020 um 18:30 Uhr
Ehre
von Reinhard Rodiger am 12.04.2020 um 20:12 Uhr
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AW: Ehre ... der lange Weg der Erkenntnis kann nicht nur in der Selbstverständlichkeit enden ...
von Christian Timme am 12.04.2020 um 20:40 Uhr
AW: Ehre
von Bernd Jas am 12.04.2020 um 23:01 Uhr
AW: Wenn nicht jetzt...
von Gunnar Müller, Detmold am 13.04.2020 um 10:04 Uhr
Katzentoilette ersetzt Corona-Test?
von Christian Timme am 12.04.2020 um 9:04 Uhr
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AW: Da war doch mal was...!?
von Bernd Jas am 12.04.2020 um 11:08 Uhr
AW: Katzentoilette ersetzt Corona-Test ...
von Christian Timme am 12.04.2020 um 12:11 Uhr
Pfeiffer GVK
von conny am 12.04.2020 um 8:53 Uhr
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