Kleine Anfrage der Linken

Bei welchen Indikationen wird Cannabis verordnet?

Stuttgart - 15.04.2020, 15:10 Uhr

Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion wollten von der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage wissen, wie es aktuell um die Versorgungssituation und den Bedarf an medizinischem Cannabis bestellt ist.(c / Foto: imago images / epd)

Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion wollten von der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage wissen, wie es aktuell um die Versorgungssituation und den Bedarf an medizinischem Cannabis bestellt ist.(c / Foto: imago images / epd)


Abgeordnete der Fraktion Die Linke im Bundestag haben sich in einer Kleinen Anfrage bei der Bundesregierung nach der Versorgungssituation und dem Bedarf an medizinischem Cannabis erkundigt. Unter anderem wollten sie wissen, bei welchen Beschwerden cannabishaltige Arzneimittel verordnet werden und wie der Stand der Dinge bei der Versorgung aus deutschem Anbau ist.

Seit dem 10. März 2017 können Cannabisarzneimittel wie Blüten oder Dronabinol als Therapiealternative bei Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen zulasten der GKV verordnet werden. Allerdings muss bislang der Bedarf an Blüten noch importiert werden. Immer wieder wird von Lieferschwierigkeiten bestimmter Cannabissorten berichtet, die Versorgung aus deutschem Anbau befindet sich erst im Aufbau. Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion wollten nun von der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage wissen, wie es aktuell um die Versorgungssituation und den Bedarf an medizinischem Cannabis bestellt ist. Die Antworten liegen nun vor.

Unter anderem interessierten sich die Linkenpolitiker dafür, welche Diagnosen in den Begleiterhebungen angegeben wurden und wie viele Datensätze hierzu vorliegen. Denn mit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes wurde das BfArM beauftragt, eine nicht-interventionelle Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln durchzuführen. Das betrifft Cannabisblüten und Cannabisextrakte sowie den Off-Label-Use der Fertigarzneimittel Sativex® und Canemes®, wenn die Verordnung zulasten der GKV erfolgt. Ärzte müssen dafür dem BfArM die erforderlichen Daten in anonymisierter Form übermitteln – erstmals nach einem Jahr Therapie oder, wenn die Therapie vorher beendet wird, nach deren Beendigung.

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Vor allem gegen Schmerz

Aus der Antwort geht hervor, dass (Stand 6. März 2020) 8872 vollständige Datensätze in der Begleiterhebung vorliegen. Die erfassten Indikationen wurden in einer Tabelle zusammengefasst (Mehrfachnennungen möglich). Demnach wurden Cannabisarzneimittel in folgenden Indikationen verordnet:

Erkrankung bzw. Symptomatik,

alle vollständigen Datensätze, Stand 6. März 2020

Fälle (n=8.872)Prozentualer Anteil
Schmerz6.374ca. 72 Prozent
Spastik940ca. 11 Prozent
Anorexie/Wasting590ca. 7 Prozent
Übelkeit/Erbrechen341ca. 4 Prozent
Depression259ca. 3 Prozent
Migräne181ca. 2 Prozent
ADHS111ca. 1 Prozent
Appetitmangel/Inappetenz111ca. 1 Prozent
Darmkrankheit, entzündlich, nichtinfektiös
DDarmkrank 55 ca. 1 Prozent
113ca. 1 Prozent
Ticstörung inkl. Tourette-Syndrom79< 1 Prozent
Epilepsie97ca. 1 Prozent
Restless Legs Syndrom78< 1 Prozent
Insomnie/Schlafstörung74< 1 Prozent

Quelle: BfArM

Bei 3.177 der genannten 8.872 Fälle (36 Prozent) sei die Therapie vor Ablauf eines Jahres beendet worden, heißt es weiter. MS als Grunderkrankung habe bei 557 (ca. 6 Prozent) der erfassten Patienten vorgelegen, bei 1.683 (ca. 19 Prozent) eine Tumorerkrankung.

Wann gibt es Cannabis aus Deutschland in der Apotheke?

Außerdem fragt die Linke nach den Mengen an importierten Cannabisarzneimitteln. Die Mengen der in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 aus dem Ausland nach Deutschland importierten Cannabisarzneimittel, darunter die zugelassenen Fertigarzneimittel Sativex® und Canemes® sowie verschiedene cannabishaltige Zubereitungen, getrocknete Medizinalcannabisblüten und den Wirkstoff Dronabinol, legt die Bundesregierung vor. 

 

2017

(ab 10. März

2017)

20182019

2020

(Stand:

6. März 2020)

Canemes® 1 mg Kapseln86.912 Stück4.340 Stück73.640 Stück3920 Stück

TILRAY THC 10 : CBD

10 Zubereitung (25 ml)

3.168 Stück5.902 Stück27.719 Stück-

TILRAY THC 25

Zubereitung (25 ml)

3.763 Stück1.497 Stück1.924 Stück4.839 Stück

Pedanios 5/1

Zubereitung

--61,980 kg-

Cannabisblüten zu medi-

zinischen Zwecken

1.130,5 kg3.128,8 kg6.728,0 kg1.095,9 kg

Cannabisblüten zur Her-

stellung von Dronabinol und Zubereitungen

501,9 kg1.274,4 kg1.052,5 kg311,8 kg
Dronabinol4,328 kg4,614 kg5,544 kg0,468 kg

Diese entsprächen aber zumindest was die Blüten betrifft nicht dem tatsächlichen Verbrauch. Weil ein Teil der importierten Medizinalcannabisblüten für die Weiterverarbeitung und Herstellung von Dronabinol und cannabishaltigen Zubereitungen eingesetzt werde, entspreche die importierte Menge nicht der verschriebenen. Zudem werde ein Teil der importierten Blüten auch wieder exportiert. Für die direkte Versorgung von Patienten durch Apotheken in Deutschland seien somit im Jahr 2017 insgesamt rund 1200 kg, im Jahr 2018 rund 3000 kg, im Jahr 2019 rund 6500 kg und im Jahr 2020 zum Stand 6. März 2020 rund 1000 kg Cannabisblüten importiert worden, heißt es. 

Der zukünftige Bedarf der einzelnen Medizinalcannabis-Produkte, nach dem ebenfalls gefragt wird, ließe sich prospektiv allerdings nicht abschließend beziffern. Da er von vielen ineinandergreifenden Faktoren abhänge, unter anderem Anzahl der behandelten Patienten, Dauer der Behandlung, Häufigkeit der Verordnung sowie verordnete Mengen, so die Bundesregierung.

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Lieferbeginn ab dem vierten Quartal 2020

Mit einem Lieferbeginn von medizinischem Cannabis aus Anbau in Deutschland werde ab dem vierten Quartal 2020 gerechnet, heißt es in der Antwort auf die entsprechende Nachfrage der Linkenpolitiker. Somit werde im Jahr 2020 nur ein Teil der jährlich vorgesehenen Vertragsmenge abgenommen werden können – vorgesehen seien laut dem Vergabeverfahren 2600 kg medizinische Cannabisblüten im Jahr. Die Verfügbarkeit von Cannabis aus deutschem Anbau in den Apotheken werde unter anderem von der dortigen Nachfrage abhängen. Eine Preisfestlegung sei derzeit nicht möglich. Der Abgabepreis werde vom Abnahmepreis (losspezifisch ein Ergebnis des Vergabeverfahrens und im Einzelnen von den produzierten und freigegebenen Mengen Cannabisblüten abhängig) sowie von Distributionskosten abhängen, so die Bundesregierung



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Falsche Headline

von Markus am 01.05.2020 um 20:19 Uhr

"Bei welchen Indikationen wird Cannabis verordnet?"

Darauf finden wir im Artikel keine brauchbare Antwort. Konkret müsste es heißen

"Das sind die Indikationen nach § 31 Absatz 6 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bei denen vollständige Datensätze vorliegen"

Ein kurzer Blick auf das Schriftstück beantwortet auch weitere Fragen:

" 8. Wie viele Patienten und Patientinnen werden in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung mit Cannabis als Medizin versorgt?

Der Bundesregierung liegen hierzu keine Angaben vor. [..]"

Privatrezepte ( z. B. von Politikern) sind hier auch nicht eingerechnet, dazu liegen keine Daten vor, das bleibt unbekannt.

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