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Reaktion auf Coronakrise
Union fordert Verbot von exklusiven Rabattverträgen
Welche Lehren sollte das deutsche Gesundheitswesen aus der Coronakrise ziehen? Bei der Beantwortung dieser Frage wird derzeit auch immer wieder über die Arzneimittelversorgung diskutiert. Ein Kritikpunkt: die Abhängigkeit von anderen, zumeist asiatischen Ländern. Dr. Georg Nüßlein, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Unionsfraktion, fordert nun, dass als Reaktion auf die Coronakrise exklusive Arzneimittel-Rabattverträge verboten werden. Und: Ein Teil der Rabattarzneimittel müsse künftig in der EU produziert werden.
Seit Beginn der Coronakrise hat die Diskussion rund um die Arzneimittel-Lieferengpässe, die sich auch davor schon zugespitzt hatte, noch weiter an Fahrt aufgenommen. An den Beispielen Ibuprofen und Paracetamol zeigte sich sehr schnell, wie empfindlich die Versorgung an vielen Stellen ist: Eine einzige gefälschte WhatsApp-Nachricht über eine mögliche Korrelation zwischen Ibuprofen und schweren Verläufen von COVID-19, sorgte dafür, dass die Menschen so viel Paracetamol kauften, dass das Bundesgesundheitsministerium eingriff und Jens Spahn (CDU) Hersteller, Großhandel und Apotheken aufforderte, Paracetamol nur im akuten, alternativlosen Behandlungsfall und der dafür benötigten Menge abzugeben. Paracetamol war in vielen Apotheken teilweise gar nicht mehr erhältlich. Und: In Baden-Württemberg fürchtet der Krisenstab der Landesregierung Engpässe bei Sedativa und starken Schmerzmitteln und ordnete die Apotheken an, solche Arzneimittel einzulagern.
Auch die Rabattverträge standen schon kurz nach dem Ausbruch des Coronavirus hierzulande im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Diskussion. Denn: Warum sollen Menschen in Zeiten einer Kontaktsperre mehrfach in die Apotheke kommen, nur weil diese das jeweilige Rabattarzneimittel gerade nicht vorrätig hat? In Nordrhein-Westfalen und Hamburg wurden daher schnell erste Vereinbarungen mit Krankenkassen geschlossen, in denen die Rabattverträge eingeschränkt wurden. Es folgten mehrere andere Kassen und schließlich eine vorübergehende Änderung des gesamten Rahmenvertrages zwischen den Apothekern und Kassen auf Bundesebene.
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Jetzt wird die Kritik an den Rabattverträgen aber auch noch einmal ein Politikum. Denn in einer Pressemitteilung hat sich etwas überraschend heute die Unionsfraktion im Bundestag zu diesem Thema geäußert. Der für alle Gesundheitsthemen zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dr. Georg Nüßlein (CSU) erklärt in der Mitteilung, dass eine „Facette“ der Krise sei, dass Medikamente knapp werden. Und weiter: „Dies liegt daran, dass ein beträchtlicher Teil an Wirkstoffen und lebenswichtigen Arzneimitteln wie etwa Antibiotika in Asien produziert werden. Dort sind die Produktionsbedingungen vielfach schlecht und die Umweltverschmutzung hoch. Ideale Bedingungen für die Entstehung multiresistenter Keime.“ Nüßlein fordert daher:
Dagegen müssen und können wir etwas tun. Wir müssen das derzeitige System der Rabattverträge anpassen. Die aktuelle Praxis, einen Rabattvertrag für ein Arzneimittel ausschließlich mit einem Hersteller zu schließen, mündet in Lieferengpässen, wenn dieser Hersteller – aus welchem Grund auch immer – nicht liefern kann. Rabattverträge sollten daher mit mindestens zwei Herstellern geschlossen werden. Außerdem muss in Zukunft mindestens ein Hersteller, der lückenlos eine europäische Lieferkette nachweisen kann, einen Zuschlag für einen Rabattvertrag erhalten. Das wird mittelfristig zu einer Verlagerung der Produktion nach Deutschland und Europa führen. Wir haben es selbst in der Hand, Lieferengpässe bei Arzneimitteln vorzubeugen.“
Änderungen an Rabattverträgen erst kürzlich im Bundestag abgelehnt
Mit dem Vorstoß der Unionsfraktion zum Thema Rabattverträge kommen nun Vorschläge auf den Tisch, die eigentlich erst vor sehr kurzer Zeit im Bundestag besprochen worden waren. Denn Mitte Februar hatte das Parlament das GKV-Faire-Kassenwettbewerbgesetz (GKV-FKG) beschlossen, das auch mehrere Passagen enthält, mit denen die Lieferbarkeit von Arzneimitteln verbessert werden soll.
Auch Änderungen an den Austausch-Möglichkeiten in der Apotheke sind dort vorgesehen: Konkret dürfen Apotheker in Engpass-Situationen jetzt auch vergleichbare, nicht rabattierte Arzneimittel abgeben. Ist das verfügbare vergleichbare Arzneimittel teurer als der Festbetrag, trägt nicht der Versicherte die Mehrkosten, sondern die Krankenkasse. Damit ist in der Apotheke in diesem Fall auch der Preisanker kein Thema mehr. Allerdings bleibt der Vorbehalt rahmenvertraglicher Detailregelungen.
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Allerdings: Während des Gesetzgebungsverfahrens hatten die Regierungsfraktionen mehrfach auch über die Exklusivität bei den Rabattvertragsausschreibungen diskutiert. Die Unionsfraktion hatte in einem Positionspapier weitgehende Änderungen gefordert: Exklusive Verträge sollte es demnach nicht mehr geben und Rabattverträge sollten nur noch regional und kassenübergreifend ausgeschrieben werden. Doch die SPD-Bundestagsfraktion und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellten sich quer. Aus Sicht der Sozialdemokraten und des BMG sind die Rabattverträge nicht Schuld an den Lieferengpässen. Zu Änderungen am Rabattvertragssystem kam es daher nicht. Vielleicht wird sich dies durch die Coronakrise bald ändern.
3 Kommentare
regionale Produktion
von Holger am 16.04.2020 um 8:30 Uhr
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Ein Vertrag hindert, zwei verhindern und drei sind schon einer zuviel ...
von Christian Timme am 15.04.2020 um 18:30 Uhr
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Alte HAV Forderung
von Dr.Diefenbach am 15.04.2020 um 17:02 Uhr
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