Interview Sabine Dittmar (SPD)

„Beim Apothekenkontakt ist das Social Distancing gut einzuhalten“

Berlin - 21.04.2020, 07:00 Uhr

Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, findet es richtig, dass die Lieferungen von Schutzmasken zuerst in anderen Berufsgruppen ankommen und danach die Apotheker beliefert werden. (c / Foto: Külker)

Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, findet es richtig, dass die Lieferungen von Schutzmasken zuerst in anderen Berufsgruppen ankommen und danach die Apotheker beliefert werden. (c / Foto: Külker)


Dittmar: Man kann nur zufrieden sein mit den Apotheken

DAZ.online: Die Apotheker beschweren sich ja, dass sie in der Liste der Schutzausrüstungsempfänger sehr weit unten stehen und bislang nichts bekommen haben.

Dittmar: Dazu muss ich allerdings sagen, dass ich es schon verstehe, dass andere Berufsgruppen vor den Apothekern versorgt werden. Beim normalen Apothekenkontakt ist das Social Distancing ja gut einzuhalten, zudem schützen sich die Apotheker ja derzeit zusätzlich mit Plexiglas.

DAZ.online: Sind Sie denn zufrieden mit den Reaktionen der Apotheker auf die Krise? Viele stellen Desinfektionsmittel her, haben ihre Apotheken rasch umgebaut und ihre Botendienste massiv ausgebaut.

Dittmar: Ja, wenn ich sehe, was alleine in den Apotheken hier im Wahlkreis passiert ist, kann man nur zufrieden sein. Die Schutzmaßnahmen aber auch die Versorgung sind wie immer sehr gut geregelt. Ich finde es auch gut, wie schnell die Apotheken ihre Botendienst-Tätigkeiten ausgebaut haben, es ist auch richtig, dass sie für diese zusätzliche Belastung jetzt während der Krise eine zusätzliche Vergütung erhalten.

DAZ.online: Kommen wir zu den Lehren, die man aus dieser Krise ziehen könnte. Eine der ersten Umstellungen gab es ja bei den Rabattverträgen: Apotheker müssen jetzt nicht mehr unbedingt ein Rabattarzneimittel beim Erstkontakt in der Apotheke abgeben, wenn dies gerade nicht verfügbar ist. Ist es nicht bezeichnend, dass gerade die Rabattverträge als erstes, teils auch freiwillig von den Kassen, gelockert werden? Sagt dies nicht einiges über das System aus?

Dittmar: Es ist sicherlich sinnvoll, die Patienten zu schützen und ihnen mehrere Apothekenbesuche zu ersparen und jetzt diese Regelung vorübergehend zu lockern. Das heißt aber nicht, dass wir das gesamte Rabattvertragssystem umstellen müssen. Die Verträge haben eine sehr wichtige finanzielle Wirkung, auf die wir nicht verzichten können.

DAZ.online: Ihr Koalitionspartner scheint das anders zu sehen. Georg Nüßlein, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Unionsfraktion, fordert die Streichung der Exklusivverträge und dass mindestens ein Hersteller in Europa herstellt.

Dittmar: Wir hatten das Thema doch erst kürzlich im Gesetzgebungsverfahren des GKV-FKG. Wir haben da neue Austauschmöglichkeiten für Apotheker beschlossen, deren Wirkung aus meiner Sicht erst einmal abzuwarten ist. Herr Nüßlein hätte mal viel lieber die Streichung der Importförderklausel ansprechen sollen, die aus meiner Sicht viel dringender wäre.

DAZ.online: Eng damit verknüpft ist das Thema der Lieferengpässe. Finden Sie, dass uns die Krise nun nochmals verdeutlicht hat, wie sehr wir dieses Thema angehen müssen?

Dittmar: Das Thema Arzneimittelproduktion war schon vor der Coronakrise ein brennendes. Aus meiner Sicht hat die Krise die Versorgung aber nicht verschärft, das hat auch gestern erst das BfArM wieder festgestellt. Nein, wir müssen das Problem im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ansprechen und eine europäische Lösung finden. Klar ist, dass die Abhängigkeiten von Märkten in Asien weniger werden muss – aber in ganz Europa.

DAZ.online: Welche gesundheitspolitischen Forderungen haben Sie sich denn noch aufgeschrieben für die Zeit nach der Krise?

Dittmar: Erstens müssen wir dafür sorgen, dass die Pandemiepläne von Bund, Ländern und Kommunen regelmäßiger aktualisiert, aufeinander abgestimmt und erprobt werden, damit wir nicht noch einmal so spontan und schnell Regelungen zum Umgang mit einer solchen Infektion finden müssen. Und es muss klar geregelt sein, wer wo was in welcher Menge zu bevorraten hat. Zweitens müssen wir unbedingt an den Bereich der Altenpflege. Einige Bundesländer haben einen Aufnahmestopp in Pflegeheimen verhängt. In Deutschland werden circa 150.000 Pflegebedürftige von osteuropäischen Betreuungskräften versorgt, die jetzt nur unter erschwerten Bedingungen einreisen können. Wir stehen vor einem Pflege-Tsunami! Ich hoffe, dass sich die aktuelle Wertschätzung für Pflegekräfte, die sich jetzt in Corona-Prämien manifestiert, auch über die Krise hinweg verstetigt und in entsprechenden Tarifabschlüssen widerspiegeln wird. Es muss endlich in den Köpfen der Menschen ankommen, dass wir die Pflege ordentlich bezahlen müssen.

Zur Person

Die 55-jährige Sabine Dittmar ist ausgebildete Kinderpflegerin. Nach ihrer Ausbildung holte sie das Abitur nach, studierte dann kurzzeitig Physik und wechselte dann ins Medizinstudium. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst als angestellte Ärztin und eröffnete später eine Hausarztpraxis mit ihrem Mann. 2008 wurde Dittmar im unterfränkischen Wahlkreis Bad Kissingen erstmals in den Bayerischen Landtag gewählt. 2013 kandidierte sie dann über die Landesliste der SPD Bayern für den Bundestag und zog kurze Zeit später auch ins Parlament ein. In ihrer ersten Wahlperiode war sie in der SPD-Bundestagsfraktion Berichterstatterin für Apothekenpolitik. Nach der Regierungsbildung im Jahr 2018 kandidierte sie in ihrer Fraktion als gesundheitspolitische Sprecherin und gewann die Wahl. Dittmar ist ordentliches Mitglied in den Ausschüssen für Gesundheit und für Tourismus. 

Sabine Dittmar im DAZ.online-Geschichtentaxi



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Frau Dittmar

von Roland Mückschel am 21.04.2020 um 9:50 Uhr

Hättet ihr sie mal nach dem ausländischen Versand
gefragt. Da hättet ihr sicher ne Plexiglas-Antwort
bekommen.

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