Verordnungsentwurf des Wirtschaftsministeriums

BMWi will EU-ausländische Übernahmen von Herstellern künftig prüfen

Süsel - 29.04.2020, 09:00 Uhr

Wenn EU-ausländische Firmen in Zukunft deutsche Hersteller (u.a. von Arzneimitteln und Medizinprodukten) übernehmen wollen, will das BMWi die Übernahmen vorher prüfen. (Foto: imago images / photothek)

Wenn EU-ausländische Firmen in Zukunft deutsche Hersteller (u.a. von Arzneimitteln und Medizinprodukten) übernehmen wollen, will das BMWi die Übernahmen vorher prüfen. (Foto: imago images / photothek)


Unternehmen, die bestimmte Arzneimittel oder Medizinprodukte herstellen, sollen künftig unter eine besondere Regel der Außenwirtschaftsverordnung fallen. Wenn diese Unternehmen oder Beteiligungen daran an EU-Ausländer verkauft werden, soll das Bundeswirtschaftsministerium regelmäßig prüfen, ob dadurch die Ordnung oder Sicherheit gefährdet werden. In solchen Fällen kann das Geschäft untersagt werden. Darum geht es in einer neuen Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums.

Wenn deutsche Unternehmen oder Beteiligungen daran von Investoren außerhalb der EU gekauft werden, kann das Bundeswirtschaftsministerium prüfen, ob dies die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Das Ministerium kann einen solchen Kauf mit Zustimmung der Bundesregierung innerhalb von vier Monaten nach Eingang der zu prüfenden Unterlagen untersagen oder Anordnungen dazu erlassen. 

Die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) enthält dazu in § 55 einen Kriterienkatalog, der beschreibt, bei welchen Unternehmen besonders mit einer solchen Gefährdung zu rechnen ist. Bisher geht es dabei insbesondere um die Sicherheit der Informationstechnik, die Telekommunikation und die Medienwirtschaft. Doch am Montagabend hat das Bundeswirtschaftsministerium den Entwurf einer neuen Verordnung vorgelegt, mit der diese Liste erweitert werden soll. Vor dem Hintergrund der Pandemie geht es dabei insbesondere um Unternehmen, die Arzneimittel, Medizinprodukte, Schutzausrüstung oder Diagnostika herstellen.

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In der Begründung der Verordnung heißt es, Erwerbe von Unternehmen der neuen Fallgruppen würden in besonderem Maße das Grundinteresse der deutschen Bevölkerung und des Staates an der Aufrechterhaltung kritischer Infrastrukturen berühren. Vor dem Hintergrund der Pandemie und möglicher künftiger vergleichbarer Krisensituationen gehe es um einen „Beitrag zur dauerhaften Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitssystems“. Grundsätzlich könne ohnehin jeder Einzelfall geprüft werden, aber mit der Zugehörigkeit zu einer Fallgruppe in § 55 AWV seien eine Meldepflicht und ein niedrigerer Schwellenwert bei Beteiligungen verknüpft. Außerdem werde in Verbindung mit einer geplanten Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes die zivilrechtlich schwebende Unwirksamkeit des Geschäfts auf alle diese meldepflichtigen Erwerbe ausgedehnt. 

Das Ministerium betont, dass die Maßnahmen im Rahmen umfassender Änderungen der AWV geplant gewesen seien und nun schneller umgesetzt würden. Anders als die Eilverordnungen aufgrund der Pandemie ist diese Verordnung nicht befristet.

Erweiterter Katalog für zu prüfende Unternehmensübernahmen

Ein zentraler Inhalt des Verordnungsentwurfs ist die Liste der zusätzlichen Kriterien für die betroffenen Unternehmen. Demnach geht es um folgende Unternehmen:

  • Unternehmen, die Dienstleistungen erbringen, die für staatliche Kommunikationsinfrastrukturen erforderlich sind.
  • Unternehmen, die persönliche Schutzausrüstung im Sinne der Verordnung (EU) 2016/425 entwickeln oder herstellen oder Vorprodukte dafür liefern. Dies betrifft beispielsweise FFP2- und FFP3-Masken, Schutzhandschuhe und -anzüge.
  • Unternehmen, die Arzneimittel oder deren Ausgangsstoffe entwickeln, herstellen oder in Verkehr bringen, die für die Gewährleistung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung wesentlich sind. Dazu gehören auch die Inhaber der betreffenden arzneimittelrechtlichen Zulassung.
  •  Unternehmen, die Medizinprodukte zur Diagnose, Verhütung, Überwachung, Prognose oder Behandlung von lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten entwickeln, herstellen oder vertreiben oder Vorprodukte dafür liefern.
  • Unternehmen, die In-vitro-Diagnostika liefern, entwickeln, herstellen oder vertreiben, die zur Feststellung oder Überwachung therapeutischer Maßnahmen bei lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten dienen. Dies gilt auch für Zulieferer von Vorprodukten.
  • Unternehmen, die Rohstoffe oder deren Erze gewinnen oder verarbeiten, die von der Europäischen Union als kritische Rohstoffe eingestuft werden.

In der Begründung wird ergänzt, die persönliche Schutzausrüstung umfasse auch austauschbare Bestandteile und Verbindungssysteme. Diese Ausrüstungen seien für das medizinische Fachpersonal und Pflegekräfte erforderlich. Darüber hinaus sei die Versorgung wichtig bei der Herstellung lebenswichtiger Arzneimittel und bei der Produktion von Grundchemikalien zur Herstellung von Desinfektionsmitteln.

Sehr viele Arzneimittel betroffen

Außerdem wird in der Begründung zunächst erklärt, dass es speziell um solche Arzneimittel, Medizinprodukte und Diagnostika geht, die im Zusammenhang mit lebensbedrohlichen und hochansteckenden Infektionskrankheiten stehen. Dann heißt es jedoch weiter, die Regelung für Arzneimittel beziehe sich „insbesondere“ auf solche, deren Wirkstoffe auf einer „Liste versorgungsrelevanter und versorgungskritischer Wirkstoffe“ aufgeführt sind, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemäß § 52b Abs. 3c Satz 1 AMG erstelle. Diese Regelung und die daraufhin erstellte Liste beziehen sich allerdings auf den Umgang mit Lieferengpässen. Diese Liste enthält Hunderte Wirkstoffe und sie ist keineswegs auf die Behandlung von Infektionskrankheiten beschränkt. Damit geht die neue Verordnung an dieser Stelle offenbar weit über die Sicherstellung der Behandlung von Infektionskrankheiten hinaus. Allerdings enthält die Liste derzeit keine Impfstoffe. In der Begründung zur Verordnung werden hingegen auch Impfstoffe als mögliche betroffene Arzneimittel erwähnt.

Hintergründe

Die Verordnung bezieht sich auch auf Fälle, bei denen nur selbstständige Betriebsteile oder alle wesentlichen Betriebsmittel des Unternehmens übernommen werden. Durch die Verordnung werden außerdem die Regeln für die Prüfung konkretisiert. Sie beziehen sich wesentlich auf eine diesbezügliche EU-Screening-Verordnung mit Prüfkriterien. Maßgeblicher Tatbestand sei dabei, dass der Investor direkt oder indirekt von der Regierung eines Drittstaates kontrolliert werde. Außerdem gehe es um das Risiko, dass der Erwerber an illegalen Aktivitäten beteiligt sei.

Die betroffenen Verbände sind aufgefordert, bis Mittwochnachmittag um 16 Uhr zum Verordnungsentwurf Stellung zu nehmen. Der Tenor der Verordnung dürfte den Bemühungen der Apotheker entgegenkommen, zumindest die wichtigsten Arzneimittel innerhalb der EU zu produzieren. Doch bleibt festzuhalten, dass viele der von der Verordnung erfassten Produkte seit langem außerhalb der EU hergestellt werden.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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