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Coronavirus-Pandemie
Bund und Länder lockern Kontaktbeschränkungen
Wieler mahnt zur Vorsicht
Ein an die jeweilige regionale Lage angepasstes Vorgehen bei Lockerungen in der Coronakrise ist aus Sicht mehrerer Wissenschaftler gerechtfertigt. Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Professor Lothar Wieler, betonte am Dienstag in Berlin, dass die Gegebenheiten regional unterschiedlich seien, dem müsse man Rechnung tragen. Natürlich sei ein gemeinsamer Plan wünschenswert, aber Variationen in Anbetracht der jeweiligen Situation vor Ort halte er für „normal und selbstverständlich". Zugleich gab Wieler zu verstehen, dass Wissenschaftler mit weiteren Infektionswellen im Lauf der Pandemie rechnen, was Wachsamkeit erfordere.
Mit Lockerungen wachse natürlich das Risiko für erneut steigende Infektionszahlen, sagte der RKI-Chef. Deshalb seien in den vergangenen Wochen weitere Kapazitäten geschaffen worden, etwa für Behandlungen und Tests. Deutschland sei gut vorbereitet, betonte Wieler. Auch werde die Therapie für die Erkrankten besser, Ärzte hätten mehr Erfahrungen mit COVID-19-Patienten.
„Wir müssen Infektionen, die jetzt auftreten, früh erkennen", mahnte Wieler. Kontakte von Infizierten müssten schnell nachverfolgt werden. Ziel sei es, im „neuen Alltag" Ausbrüche schnell zu unterbinden. „Das ist eine Pandemie. Und bei einer Pandemie wird dieses Virus so lange Krankheiten hervorrufen, bis 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung infiziert sind", bekräftigte er. Es werde „mit großer Sicherheit" eine zweite Welle geben, dessen sei sich die Mehrheit der Wissenschaftler sicher. Viele gingen auch von einer dritten Welle aus. Angesichts dessen werde die geplante App zur Kontaktnachverfolgung auch noch zu einem späteren Zeitpunkt gebraucht, die Entwicklung dauere weiter an. Wann die App an den Start gehen könnte, sagte der RKI-Chef nicht.
Wieler betonte, lokale Entscheider sollten nun bestimmte Messparameter im Blick behalten, „wenn diese Parameter Signale geben, dann muss man wieder die Lockerungen zurücknehmen, und zwar lokal". Wieler zählte drei Felder auf: die Übertragbarkeit (Reproduktionszahl, Gesamtzahl nachgewiesener Fälle, Dynamik), die Krankheitsschwere (Anteil der Patienten im Krankenhaus) und die Kapazitäten im Gesundheitssystem (freie Intensivbetten, Möglichkeiten der Gesundheitsämter beim Ausbruchsmanagement, Testkapazitäten).
Nachverfolgen der Kontakte unerlässlich
„Angesichts der inzwischen deutlich gesunkenen Anzahl der täglichen Neuinfektionen erscheint es möglich, dass in wenig betroffenen Regionen teilweise Lockerungen stattfinden", erklärte der Direktor des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik vom Uniklinikum Halle (Saale), Professor Rafael Mikolajczyk, auf Anfrage der dpa. Eine Bedingung dafür sei aber, dass die Gesundheitsämter alle Neuerkrankten und deren Kontakte in diesen Regionen auch tatsächlich nachverfolgen, testen und isolieren könnten. Könnten Infektionsherde nicht zeitnah gestoppt werden, sei ein erneutes Aufflammen der Epidemie zu erwarten - und eine erneute Verschärfung der Maßnahmen.
Der Charité-Virologe Professor Christian Drosten sagte am Dienstag im NDR-Podcast, dass man etwa in derzeit wenig vom Virus betroffenen Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern zugestehen müsse, dass dort unter Umständen auch örtliche Regelungen getroffen werden können. Die Gefahr sei schließlich anders als in Gegenden mit deutlich mehr Infektionen. Generell sei aber eine zentrale Regelung immer wünschenswert, damit die Menschen wissen, woran sie sind.
In der Epidemie sind die Bundesländer bisher unterschiedlich stark betroffen: Bayern (330 Fälle pro 100.000 Einwohner) und Baden-Württemberg (293 pro 100.000) deutlich mehr als zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern (44 pro 100.000) und Sachsen-Anhalt (72 pro 100.000). Nach RKI-Daten (Stand 5. Mai, 0.00 Uhr) gibt es derzeit nur noch einen Landkreis bundesweit, in dem in den vergangenen sieben Tagen mehr als 50 Fälle pro 100.000 Einwohner erfasst wurden: den Landkreis Greiz in Thüringen. Aus Sicht Wielers ein Zeichen, dass die erste Welle der Epidemie „sehr erfolgreich" bekämpft worden sei.
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