CHMP-Empfehlung

Gilenya wird generisch, Novorapid bekommt Biosimilar-Konkurrenz

Stuttgart - 06.05.2020, 14:45 Uhr

Erteilt die Europäische Kommission „Fingolimod Accord“ die Zulassung, wie das CHMP empfiehlt, bekommt das MS-Arzneimittel Gilenya erstmals generische Konkurrenz. (s / Foto: Novartis)

Erteilt die Europäische Kommission „Fingolimod Accord“ die Zulassung, wie das CHMP empfiehlt, bekommt das MS-Arzneimittel Gilenya erstmals generische Konkurrenz. (s / Foto: Novartis)


Das zur Behandlung einer hoch aktiven remittierend-schubförmigen Multiplen Sklerose eingesetzte orale Arzneimittel Gilenya bekommt generische Konkurrenz: Am 30. April 2020 empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) Fingolimod Accord zur Zulassung, allerdings hat Novartis für Gilenya noch bis Frühjahr 2022 die Marktexklusivität. Auch Novorapid mit dem schnellwirksamen Insulin aspart könnte es künftig als Sanofi-Biosimilar geben.

Fingolimod, ein Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator, wird als krankheitsmodifizierende Monotherapie eingesetzt – zur Behandlung von hochaktiver remittierend-schubförmig verlaufender Multipler Sklerose (RRMS, relapse-remitting multiple sclerosis). 2011 erhielt „Gilenya® 0,5 mg“ von Novartis die EU-Zulassung, zunächst nur für erwachsene MS-Patienten. Seit November 2018 dürfen auch Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis 17 Jahren, die an hochaktiver schubförmig-remittierender multipler Sklerose leiden, mit Fingolimod behandelt werden. Kindern, die weniger als 40 Kilogramm wiegen, steht „Gilenya® 0,25 mg“ zur Verfügung. Alle übrigen Kinder und Jugendlichen dürfen mit „Gilenya® 0,5 mg“ therapiert werden.

Mehr zum Thema

Fingolimod bei Kindern und Jugendlichen

Gilenya erhält Zulassung für schubförmige MS bei Kindern

Anwendungsbeschränkung bei MS-Arzneimittel

Gilenya nur mit sicherer Verhütung

Nun bekommt „Gilenya® 0,5 mg“ Konkurrenz: Accord Healthcare S.L.U. hatte bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA die Zulassung für „Fingolimod Accord® 0,5 mg“ beantragt, das CHMP sprach sich in seiner letzten Sitzung vom 30. April für die Zulassung des ersten Fingolimod-Generikums aus. Dem „Committee for Medicinal Products for Human Use“ (Humanarzneimittelausschuss der EMA) zufolge haben Studien eine ausreichende Qualität von Fingolimod Accord® und Bioäquivalenz zum 
Referenzprodukt Gilenya® bestätigt. Fingolimod Accord® wird, so die Europäische Kommission die Zulassung erteilt, anders als das Novartis-Präparat nur in einer Stärke verfügbar sein und somit erst bei Kindern ab 40 Kilogramm eingesetzt werden können.

Allerdings dauert es noch eine gewisse Zeit, bis  Accord Healthcare sein Fingolimod auf den Markt bringen darf: Wie Novartis gegenüber DAZ.online bestätigt, besitzt das Unternehmen für das Original Gilenya® 0,5 mg noch bis Frühjahr 2022 die Marktexklusivität.

Wie wirkt Fingolimod?

Fingolimod zählt zu den selektiven Immunsuppressiva. Als Prodrug wird Fingolimod durch die Sphingosin-Kinase zum aktiven Metaboliten Fingolimod-Phosphat metabolisiert. Es bindet an den Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor (S1P-Rezeptor) auf Lymphozyten und wirkt dort als funktioneller Antagonist und blockiert deren Migration. Dadurch verhindert Fingolimod, dass Lymphozyten aus den Lymphknoten wandern können. 

Die Wirkung von Fingolimod auf Lymphozyten lässt sich somit eher als Umverteilung von Lymphozyten beschreiben als durch eine Depletion. Aufgrund des Festhaltens der Lymphozyten in den Lymphknoten sollen auch weniger pathogene Lymphozyten (Th17-Zellen) das Zentralnervensystem infiltrieren, die dort neuronale Entzündungen und Nervendestruktion fördern. Letzteres konnte in tierexperimentellen Studien gezeigt werden. Nach Gabe von Fingolimod (oral) sinkt bereits nach wenigen Stunden die Lymphozytenzahl im Blut auf 75 Prozent des Ausgangswertes. 

Gilenya wirkt vorwiegend auf Lymphozyten (B- und T-Lymphozyten), die regelmäßig durch die Lymphknoten zirkulieren, wohingegen T-Lymphozyten mit Effektor-Memory-Phänotyp in den peripheren Geweben nicht beeinflusst werden (15 bis 20 Prozent). Darüber hinaus kann Fingolimod-Phosphat auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden und dort direkt an den S1P-Rezeptor auf Nervenzellen binden. 

Anwendungsgebiet von Fingolimod Accord

Fingolimod Accord® ist angezeigt als krankheitsmodifizierende Monotherapie von hochaktiver remittierend-schubförmig verlaufender Multipler Sklerose bei Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen ab einem Alter von zehn Jahren und einem Körpergewicht über 40 Kilogramm:

  • Patienten mit hochaktiver Erkrankung trotz Behandlung mit einem vollständigen und angemessenen Zyklus mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie oder 
  • Patienten mit rasch fortschreitender schwerer schubförmig-remittierend verlaufender Multipler Sklerose, definiert durch zwei oder mehr Schübe mit Behinderungsprogression in einem Jahr, und mit einer oder mehr Gadolinium anreichernden Läsionen im MRT des Gehirns oder mit einer signifikanten Erhöhung der T2-Läsionen im Vergleich zu einer kürzlich durchgeführten MRT.

Novorapid-Biosimilar: „Insulin aspart Sanofi“

In derselben Sitzung erteilte der Ausschuss für Humanarzneimittel zusätzlich einem Insulinanalogon einen positiven Bescheid: „Insulin aspart Sanofi“. Es ist ein Biosimilar zu Novorapid, das bereits seit September 1999 in der EU zugelassen ist, und wird als Injektionslösung mit 100 Einheiten/ml zur Therapie des Diabetes mellitus verfügbar sein.

Als schnell wirksames Insulinanalogon wird Insulin aspart nach Injektion rascher vom Körper aufgenommen als Humaninsulin. Der CHMP erklärt: „Insulin Aspart Sanofi ist dem Referenzprodukt Novorapid sehr ähnlich. Die Daten zeigen, dass Insulin aspart Sanofi eine vergleichbare Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit wie Novorapid zeigt.“

So die Europäische Kommission die Zulassung erteilt, lautet die vollständige Indikation des neuen Insulin-Analogons: „Insulin Aspart Sanofi ist indiziert für die Behandlung von Diabetes mellitus bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kinder im Alter von 1 Jahr und älter.“

Mehr zum Thema

Ultraschnelles Insulin

Fiasp erhält Zulassung

Wegen Verwechslungsgefahr

Insulin Fiasp wird rot-gelb



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.