Friedemann Schmidt im Apotheken-Umschau-Podcast

Profitieren Apotheken von der Coronakrise?

Stuttgart - 08.05.2020, 12:45 Uhr

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt im Podcast „Klartext Corona“. Bei COVID-19-Impfungen stehen Apotheken bereit. (m / Foto: Wort & Bild Verlag / Andreas Müller)

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt im Podcast „Klartext Corona“. Bei COVID-19-Impfungen stehen Apotheken bereit. (m / Foto: Wort & Bild Verlag / Andreas Müller)


ABDA-Präsident Friedemann Schmidt war Gast im Podcast der Apotheken Umschau „Klartext Corona“. Er erklärt, warum Apotheken mitnichten die Nutznießer der Coronapandemie sind, warum Apotheken vor Ort jedoch gestärkt aus der Krise hervorgehen. Absolut sicher ist sich der ABDA-Präsident zudem, dass Apotheken, wenn es erstmal eine Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 gibt, eine der ersten Adressen für COVID-19-Impfungen werden.

Noch ist kein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 in greifbarer Nähe. Wann eine Schutzimpfung gegen COVID-19 tatsächlich verfügbar sein wird, darüber wird umso eifriger spekuliert. Wenn es soweit ist, stehen die Apotheken bereit, das erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt am Donnerstag im Podcast der Apotheken Umschau „Klartext Corona“. Denn Schmidt ist sich absolut sicher, dass Apotheken das können und dass Apotheken eine der ersten Adressen für die anstehende COVID-19-Impfung sind.

Apotheken haben früh in Schutzmaßnahmen investiert

Doch auch ohne Zusatzaufgaben, wie potenzielle Impfungen, waren die Apothekenteams in den letzten Wochen pausenlos im Einsatz und mächtig gefordert. Nach Ansicht von Schmidt haben die Apotheken die Coronakrise bislang gut gemeistert. Es gebe nur wenig Infizierte zu beklagen. Die Apotheke profitiere hier natürlich von ihren „qualifizierten Mitarbeitern“: „Jeder in der Apotheke weiß, wie mit einem infektiösen Patienten umzugehen ist“, erklärt Schmidt. Und weiter: „Das ist unser Alltag“. Man habe frühzeitig Eigenschutzmaßnahmen etabliert, Abstandsregeln und Zugangsbeschränkungen zu den Apothekenräumen eingeführt und Plexiglasabtrennungen installiert – soweit sinnvoll und möglich. „Und wir haben natürlich dafür gesorgt, dass Mitarbeitern und Patienten hinreichend Möglichkeiten zur Desinfektion der Hände hatten und haben.“ So sei es gelungen, über 99 Prozent der Betriebe im Versorgungsnetz zu halten. „Wir hatten etwa 30 Betriebe, also nur sehr wenig Apotheken, die zeitweise geschlossen waren.“ Man könne sagen:


 Wir waren die ganze Zeit flächendeckend verfügbar.“

Friedemann Schmidt, ABDA-Präsident


Nach Einschätzung der Podcast-Moderatorin sagen „viele“, dass die Apotheken von der Krise profitieren. „Wie sehen Sie das?“, interessiert sie Schmidts Erfahrung. Schmidt antwortet: „Wir hatten zu Beginn der Krise, Anfang März, einen enormen Patienten- und Nachfrage-Anstieg zu bewältigen.“ Chronisch Kranke versuchten, sich zu bevorraten, indem sie Rezepte einlösten und sich zusätzliche Verordnungen ausstellen ließen. „Der März war ein Monat, in dem wir unfassbar viel zu tun hatten.“ Doch gibt der ABDA-Präsident zu bedenken: Der Arzneimittelbedarf, insbesondere bei verschreibungspflichtigen Präparaten, sei nicht frei, er sei vorgegeben. „Deswegen erleben wir jetzt, dass alles, was im März vorgezogen wurde, nun fehlt.“ Und weiter: „Wir sind jetzt bestenfalls im Regelbetrieb.“ 

Keine finanzielle Unterstützung von Staat und Gesundheitsämtern

Viele Kollegen berichteten sogar, dass aktuell viel weniger Patienten als vor der Krise in die Apotheke kämen. „Wirtschaftlich hat das keinen Vorteil gebracht.“ Im Gegenteil: „Die Apotheken haben all die Schutzmaßnahmen – Desinfektionsmittel herstellen, Plexiglasscheiben anbringen – auf eigene Kosten ermöglicht. Wir haben keinerlei Unterstützungsmittel seitens des Staates oder der Gesundheitsämter bekommen, das ist alles aus den Mittel der Apotheke selbst bezahlt worden“, das habe natürlich Geld gekostet, erklärt der ABDA-Präsident. Trotz der finanziellen Zusatzkosten erkennt Schmidt dennoch einen Vorteil:


Wirtschaftlich haben Apotheken in keiner Weise profitiert, aber es ist allen nochmals deutlich geworden, wie wichtig Apotheken vor Ort für die Bevölkerung sind.“

Friedemann Schmidt, ABDA-Präsident


Schmidt hat eine weitere Beobachtung in der Coronakrise gemacht. In seiner Leipziger Seume-Apotheke kämen deutlich mehr Bestellungen über die Apotheken-App als früher. Es sei jedoch kein „Massenphänomen“, die allermeisten Patienten suchten nach wie vor den persönlichen Kontakt in der Apotheke. Im Moment des Social Distancings versuche man, Rezepte über die App oder per Post oder per WhatsApp in die Apotheke zu schicken. All diese Dinge sind heute möglich, solange das Originalrezept nachher in der Apotheke landet. „Natürlich wäre es gut, wenn wir jetzt schon ein E-Rezept hätten“, so Schmidt. Denn dadurch könnte man heute schon Risikopatienten den Weg zum Hausarzt und in die Apotheke ersparen. 

Corona könnte die Digitalisierung jedoch auch weiter verzögern, denn einerseits gebe es nun zwar einen äußeren Druck auf die Digitalisierung, doch stünden die Kontaktbeschränkungen auch den technischen Herausforderungen – beispielsweise der Installation von Konnektoren – im Wege.

Apotheke vor Ort geht gestärkt aus der Krise hervor

Ob eher Vor-Ort-Apotheken oder Versandapotheken aus der Coronakrise gestärkt hervorgehen werden, da gingen die Meinungen auseinander, so Schmidt. „Manche sagen, Versandapotheken werden nun erst gefährlich, ich nehme das nicht so wahr.“ Und die Zahlen zeigten, „dass der Versandhandel genau das ist, was er sein soll: ein ergänzendes Versorgungssystem für einige wenige Patienten.“ Die allermeisten Versorgungsfälle seien „kompliziert, individuell und eilbedürftig“ und für alle diese Patienten sei der Versandhandel per se ungeeignet.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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