BfArM genehmigt klinische Studie

Mit Micro-RNA gegen COVID-19

Stuttgart - 26.05.2020, 13:00 Uhr

Abivax prüft einen potenziellen Wirkstoff gegen COVID-19: ABX464 soll die Virusvermehrung hemmen und einen Zytokinsturm verhindern. (x / Foto: nobeastsofierce / stock.adobe.com)

Abivax prüft einen potenziellen Wirkstoff gegen COVID-19: ABX464 soll die Virusvermehrung hemmen und einen Zytokinsturm verhindern. (x / Foto: nobeastsofierce / stock.adobe.com)


Ein weiterer Wirkstoff soll bei COVID-19 geprüft werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte genehmigte Abivax eine klinische Studie für ABX464. Der Wirkstoff, der sich hinter diesem Kürzel verbirgt, soll zur vermehrten Produktion einer microRNA (miR-124) führen, die für antivirale, entzündungshemmende und gewebeheilende Effekte sorgt. Bei frühzeitiger Gabe könne dieses die SARS-CoV-2-Replikation, Zytokinstürme und eine akute Atemnotsymptomatik (ARDS) bei COVID-19-Patienten verhindern. Abivax untersucht ABX464 bereits bei Rheumatoider Arthritis und Colitis ulcerosa.

Abivax darf ein potenziell gegen SARS-CoV-2 wirksames Präparat – ABX464 – in einer klinischen Studie (Phase 2b/3) prüfen. Nach Angaben des Biotechnologieunternehmens hat das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie (miR-AGE-Studie; NCT04393038) am gestrigen Montag genehmigt. Hauptziel der Studie ist die Evaluierung des Potenzials von ABX464, um die Virusreplikation bei 1.034 älteren COVID-19-Patienten oder Hochrisikopatienten zu unterbinden, sowie die schwere Entzündung, die zum akuten Atemnotsyndrom (ARDS) führt, zu verhindern. Die Patienten sollen den Wirkstoff möglichst früh bei Diagnosestellung und danach für 28 Tage erhalten. 344 Patienten erhalten Placebo, 690 Patienten ABX464.

Mehr zum Thema

Die gute Nachricht des Tages

Erster Erfolg mit Corona-Impfstoff in China

Erst jüngst hatten auch die französischen Arzneimittelzulassungsbehörde (Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé, ANSM) und die Ethikkommission die europaweit angelegte COVID-19-Studie genehmigt. Weitere Anträge liefen in besonders schwer von COVID-19 betroffenen Ländern wie Spanien, Italien, Belgien und Großbritannien, so Abivax-CEO Professor Hartmut Ehrlich. Für den Fall, dass die miR-AGE-Studie den klinischen Nutzen von ABX464 bei COVID-19-Patienten bestätigt, bereite man sich parallel darauf vor, die Produktion zügig ausbauen zu können und eine Marktzulassung zu beantragen. Studienergebnisse erwartet Abivax bis Ende 2020. Die Kosten der klinischen Phase-2b/3-Studie sowie für den Ausbau der Produktion und zusätzliche Entwicklungskosten würden durch die französische Investitionsbank Bpifrance mit einer Finanzierung in Höhe von 36 Millionen Euro getragen.

ABX464 bei Colitis ulcerosa und Rheumatoider Arthritis

ABX464 ist kein speziell für COVID-19-Patienten entwickelter Wirkstoff. So laufen bereits klinische Studien zu ABX464 in anderen Indikationen: eine Phase-2b-Studie mit ABX464 zur Behandlung von Colitis ulcerosa und eine Phase-2a-Studie mit ABX464 zur Behandlung von Rheumatoider Arthritis. Abivax betont, dass diese Studien unbenommen der nun zusätzlich untersuchten Corona-Indikation weiterlaufen. Vorteilhaft sei, dass ABX464 in der Entwicklung weit fortgeschritten ist und dessen gutes Sicherheitsprofil bei Colitis ulcerosa bereits bestätigt wurde, so Abivax in einer Mitteilung.

Wie wirkt ABX464?

Doch wie wirkt ABX464? ABX464 führt Abivax zufolge zur vermehrten Produktion einer microRNA, miR-124, die für antivirale, entzündungshemmende und gewebeheilende Effekte sorgt. Der leitende Prüfarzt der miR-AGE-Studie in Deutschland, Dr. Christoph Boesecke (Oberarzt im Bereich Infektiologie am Universitätsklinikum Bonn), erklärt den Ansatz hinter ABX464. Durch die ABX464-vermittelte Überexpression von miR-124 sollen wichtige pro-inflammatorische Chemo- und Zytokine wie TNF-alpha, IL-6, MCP-1 und IL-17 heruntergefahren werden. Dadurch verspricht man sich, die Replikation des SARS-CoV-2-Virus zu begrenzen, die Hyperinflammation, den Zytokinsturm und die akute Atemnotsymptomatik („acute respiratory distress syndrome“, ARDS) zu verhindern und damit mögliche langfristige Lungenschäden zu vermeiden.

Mehr zum Thema

Auch andere Arzneimittel werden derzeit erforscht, um einem möglichen Zytokinsturm bei COVID-19-Patienten beizukommen. Tocilizumab ist ein humanisierter, monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor, Sarilumab bindet als humaner monoklonaler Antikörper selektiv an Interleukin-6-Rezeptor-α. Baricitinib zählt zu den Tyrosinkinaseinhibitoren und hier zu den JAK-Inhibitoren. Alle drei Wirkstoffe werden bei Rheumatoider Arthritis eingesetzt, als einziger hat Tocilizumab die Zulassung zusätzliche beim Zytokinfreisetzungssyndrom durch CAR-T-Zelltherapien wie Tisagenlecleucel (Kymriah®) oder Axicabtagen-Ciloleucel (Yescarta®). In der vergangenen Woche wurde eine klinische Studie zu Fluvoxamin in den USA genehmigt. Auch in den SSRI (Selektiver Serotonin-Reuptake-Inhibitor) werden Hoffnungen gesetzt, Zytokinfreisetzungssyndrome bei COVID-19 zu mildern.

COVID-19: kein Arzneimittel in Deutschland zugelassen

In Deutschland ist derzeit kein Arzneimittel zur Behandlung von COVID-19-Patienten zugelassen. Allerdings steht die Genehmigung des RNA-Polymeraseinhibitors Remdesivir kurz bevor: Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) plant kurzfristig die bedingte Marktzulassung von Remdesivir für die Behandlung von COVID-19-Patienten. Das erklärte jüngst der Direktor der Europäische Arzneimittel-Agentur, Guido Rasi, bei einer Anhörung im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit des Europäischen Parlamentes. In den Vereinigten Staaten und Japan darf Remdesivir bereits bei COVID-19 eingesetzt werden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.