Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

07.06.2020, 07:55 Uhr

Die Apothekenzahlen sinken weiter – wo soll das hinführen? (Foto: Andi Dalferth)

Die Apothekenzahlen sinken weiter – wo soll das hinführen? (Foto: Andi Dalferth)


5. Juni 2020

Wo soll das hinführen? In Deutschland gibt es nun weniger als 19.000 Apotheken! Das ist die aktuelle Zahl fürs erste Quartal 2020. Ende März gab es nur noch 18.987 Betriebsstätten. Und der Trend setzt sich fort. Seit 2009 geht’s mit der Zahl der Apotheken kontinuierlich bergab. (Wir erinnern uns: Im Jahr 2000 hatten wir noch rund 21.600 Apotheken in Deutschland.) Allein im vergangenen Jahr haben rund 350 Apotheken für immer das Licht ausgemacht. Hält der Trend an, dann haben wir in Deutschland in drei bis vier Jahren noch 18.000 Apotheken und gegen Ende dieses Jahrzehnts vielleicht nur noch 17.000 Apotheken oder weniger. Und wer weiß, welche Einflüsse das E-Rezept und die Digitalisierung auf die Apothekenzahlen haben.

 

Nein, das war nicht gut, gar nicht gut: Unsere Hausbank, die Apobank, hat eine IT-Migration durchgeführt und ihre IT-Infrastruktur ausgetauscht und umgestellt. Und so nebenbei ein mittleres Chaos verursacht – natürlich nur aus Sicht vieler Kunden. Eine Stellungnahme der Bank dazu lässt nämlich wissen: „Die Migration am vergangenen Wochenende verlief erfolgreich“. Ja, mein liebes Tagebuch, so unterschiedlich kann man so ein Durcheinander bewerten. Nun ja, so ein Umzug der gesamten Infrastruktur hat es natürlich in sich. Gibt es überhaupt irgendwo eine Software-Änderung, die ohne Probleme abläuft? Na also. Nur das Ausmaß der Probleme ist wohl verschieden. Und da stand die Apobank wohl auf der Verliererseite, wenn man die Kundenstimmen verfolgt: „Eine einzige Katastrophe“, so heißt es immer wieder. Puh, mal vorsichtig formuliert: So eine Umstellung ist sicher komplex, aber ein bisschen besser hätte es schon laufen sollen. Vielleicht hätte man intern noch ein bisschen länger über sollen…

 

Nochmal zum milliardenschweren Konjunkturpaket unserer Bundesregierung zur Wirtschaftsförderung nach Corona (Nebenfrage: Haben wir eigentlich schon die Nach-Corona-Zeit?): Das Paket enthält auch eine auf ein halbes Jahr begrenzte Absenkung der Mehrwertsteuersätze. Mein liebes Tagebuch, klingt erstmal nett. Auch wenn’s fraglich ist, ob’s wirklich so viel bringt, um einen Effekt zur Ankurbelung der Wirtschaft spüren zu lassen. Was wird’s bringen? Werden die Waren nun ein paar Euro und Cent günstiger? Oder stecken es die Händler ein? Und wenn wir als Apothekers noch genauer hinschauen, dann kommen voraussichtlich große Mühen und sogar Einbußen auf uns zu, wie DAZ-Wirtschaftsexperte Thomas Müller-Bohn vorrechnet. Neben dem Zahlenchaos müssen wir mit finanziellen Einbußen rechnen. Angefangen beim Kassenabschlag: Wenn der Mehrwertsteuersatz auf 16 Prozent sinkt, vermindert der Kassenabschlag den Nettoumsatz um 1,526 Euro (bei 19  Prozent Mehrwertsteuer sind es nur 1,487 Euro weniger). Für jedes abgerechnete Arzneimittel nehmen die Apotheken also netto 4 Cent weniger ein. O.k., mein liebes Tagebuch, hochgerechnet aufs kommende Halbjahr, auf die Zahl der Packungen und der Apotheken macht das für die Durchschnittsapotheke etwa 650 Euro aus. Haben oder nicht haben. Weit größer dürften die Mühen ins Gewicht fallen, die mit den Preisänderungen anstehen und die Folgen für die sozialrechtlichen Regelungen. Und dann könnte es noch Probleme geben bei den Preisen für Importe, bei den Zuzahlungsregelungen, bei Festbetragsgruppen und vielem mehr. Und es stellt sich die Frage: Passen die Apotheken die Preise bei den frei kalkulierbaren Waren an? Mehrwertsteuersenkung für ein halbes Jahr – kostet es mehr als es bringt?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


9 Kommentare

Wo bitte ist hier der Ausgang

von Bernd Jas am 07.06.2020 um 19:34 Uhr

Schön dass es noch positive Nachrichten gibt.
6 Prozentpunkte mehr Vertrauen in der Bevölkerung seit dem letzten Jahr. Hurrraaa! Sonst nix.
Dafür aber knapp sechs Prozent weniger Umsatzrendite in den letzten Jahren. Weniger als nix.
Wo ist die weitere Unterstützung für Herrn Bühler der seit der Nebelkerze (mit 400000 Unterschriften) im Petitionsausschuss wieder völlig von der Bildfläche verschwunden ist. Beschämend viel nix.
Jetzt schon wieder mit der MwSt-Absenkung ein Schlag in die Magengeschwüre. Auch weniger als nix.
Securpharm; außer Ärger und Kosten nix.
Corona; wir stemmen das,.... ja` ; außer Ärger und kosten nix.
Antiquierter Kassenabschlag; weniger als nix
Eben so antiquiertes Inkasso des Zuzahlungsinkasso; außer Ärger und Kosten nix.
Kuschelkurs mit der Regierung; sonst nix.
Usw. ... nix.

Tag der (letzten) Apotheke kommt auch noch; sonst nix.

Das wird nix.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Wo bitte ist hier der Ausgang

von Karl Friedrich Müller am 07.06.2020 um 19:44 Uhr

super :-))
Wir sind doch Helden...... ist das nix (LOL)
vielleicht wird noch geklatscht....
Die Versender tun es, vor Freude...
Corona war und ist sauteuer
und wir bekommen nur weitere Bürokratie
und vermutlich bleibt auch bei der Standeszertretung alles beim Alten - also auch nix -

Bleischwer ist inzwischen alles. Undurchsichtig, zerfahren. Die Digitalisierung fördert das. Das niemand mehr durchblickt - nur die Absahner.

Digitalisierung ist ein Fehler

von Dr. Radman am 07.06.2020 um 12:09 Uhr

Unsere Abhängigkeit von der Digitalisierung ist genauso ein Fehler wie unsere Abhängigkeit von Ausgangsstoffen und Fertigprodukte aus China und Indien. Es muss für die Apotheke Vorort eine Möglichkeit geschaffen werden, die die Apotheke ermöglicht völlig unabhängig von eRezept und SecurePharm, die Patienten versorgen zu können. Laut BMG-Plan soll ja ab 2021 nur noch eRezepte geben.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Digitalisierung ist ein Fehler ...

von Christian Timme am 07.06.2020 um 13:16 Uhr

Wir könnten natürlich auch noch das analoge "lesen, schreiben und rechnen" abschaffen solange die Smartwatch auf Zuruf diese Dinge erledigt ... der Strom kommt ja automatisch aus der Steckdose ... wir schaffen das ...

gut gemeint

von Karl Friedrich Müller am 07.06.2020 um 9:20 Uhr

- vielleicht - ich noch nicht gut gemacht.
die Amateure und Dilettantenstadel in Berlin hat mal wieder versucht, sich zu profilieren mit Maßnahmen, die gut klingen, aber keineswegs das bringen, was sie sollen.
Die Mwst Änderungen werden in vielen Branchen mehr Ärger bringen, Aufwand. Entlastet werden mitnichten die Armen. Denn, wer wenig ausgeben kann, spart wenig. So kommt die Autoprämie oder für andere teure Dinge durch die Hintertür, auch wenn die Branche jammert (BWW nicht, die sehen das auch so).
Also: Schöner Schein und Propaganda auf Kosten der Bürger. Alles wie immer.
Durch den weiteren Anstieg von OTC im Versand steigt unsere Abhängigkeit von Rx, von Ulla und allen anderen Gesundheitsministern gewollt, um uns den garaus zu machen. (warum eigentlich? Sollte man nicht spätestens jetzt gemerkt haben, wie wichtig wir sind?)
Spahn engelszüngiges Gesülze ist nicht zu trauen. Auch in der Pflege werden nun Versprechungen eingedampft. Wort wird nicht gehalten. Das wird auch uns passieren. Digitalisierung und E-Rezept zur Freude des Versands. Mal sehen, was von uns übrig bleibt.
Hätte man uns OTC gelassen, oder wenigstens die Preise fest gelassen, hätten wir sehr viel weniger Probleme. Da wäre der Versand schon endgültig Pleite, auch wenn unsere Gericht mal Recht sprechen würden und nicht einseitig Kassen und Versand bevorzugen würden. Da könnten wir uns sogar diese schwache ABDA leisten....
Verdienen werden halt auch noch die Datenkraken. Unsere Datensicherer dringen mit ihren Mahnungen nicht durch. Da werden halt lieber mal ein paar Lehrer abgestraft für die Onlineschule....
Auch alles wie immer.....
Was für eine elende Kacke die Abhängigleit von der Digitalisierung ist, zeigt das Desaster der Apo Bank und das Problem mit den Konnektoren, das 80.000 Arztpraxen lahm gelegt haben soll,
Tolle Zukunft.... in der nix funktioniert....

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Notdienst durch Präsenzapotheken

von Ulrich Ströh am 07.06.2020 um 9:15 Uhr

Arzneimittelversorgung durch Präsenzapotheken kann sich nicht an Uhrzeiten oder Sonnenuntergänge halten dürfen.

Notfall hin oder her!

Wer als plötzlich Betroffener nachts für sein Kind mehr als 40 Kilometer zur Notdienstapotheke fahren soll,der bildet sich seine eigene Meinung...

Da werden Landapotheken in der Pflicht bleiben müssen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Notdienst durch Präsenzapotheken

von Anita Peter am 07.06.2020 um 9:24 Uhr

Politik und Versand fahren die Vor Ort Apotheken gegen die Wand. Die haben wenig Interesse an der Mutter mit ihrem kranken Kind.

Rückzugspräsident mit Zukunftsgeschenken ...

von Christian Timme am 07.06.2020 um 8:39 Uhr

Großzügigkeiten gehen zum Ende immer noch am besten von der Hand ... außer nur Testamentsfragmente zu hinterlassen und die verbleibenden Monate noch zu nutzen ... wird die bereits "höchstpersönlich verunstaltete Apothekenlandschaft" zum Abzug noch mit Tretminen garniert. Man möchte ja in "guter Erinnerung" bleiben ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 07.06.2020 um 8:15 Uhr

Eigentlich gehört der Kassenabschlag komplett abgeschafft. Aber als Unterstützung für die Apotheken gehört er zumindindest für die Zeit der USt Absenkung bis Ende des Jahres eingefroren.

Aber bei unserer erfolglosen Standesvertretung ( lässt sie sich jetzt wohl durch eine Unternehmenberatung bestätigen ) brauchen wir auf solche Dinge nicht hoffen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.