Interview mit Emmi Zeulner

Zeulner (CSU): „Es gibt gute Gründe für das Rx-Versandverbot“

Berlin - 17.06.2020, 07:00 Uhr

Die Arzneimittelproduktion zurück nach Europa holen und gleichzeitig die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten EU-Versendern überlassen? Das passt nicht zusammen, findet die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner. (s / Foto: imago images / Christian Spicker)

Die Arzneimittelproduktion zurück nach Europa holen und gleichzeitig die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten EU-Versendern überlassen? Das passt nicht zusammen, findet die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner. (s / Foto: imago images / Christian Spicker)


Die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner will weiterhin für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneien kämpfen – „bis zum Schluss“, wie sie im Gespräch mit DAZ.online bekräftigt. Sie ist überzeugt, dass sich zumindest innerhalb ihrer Bundestagsfraktion eine Mehrheit dafür finden ließe. Gegenüber DAZ.online plädiert sie dafür, die Diskussion erneut aufzurollen.

DAZ.online: Frau Zeulner, gemeinsam mit Ihrem Fraktions- und Parteikollegen Wolfgang Stefinger haben Sie sich zuletzt nochmals öffentlich für die Umsetzung des Rx-Versandverbots ausgesprochen. In der Apothekenbranche war der Glaube an das Verbot zuletzt stark geschrumpft. Welches sind die Beweggründe Ihrer Initiative zu diesem Zeitpunkt?

Zeulner: Es gibt viele gute Gründe für das Rx-Versandverbot. Für mich war es immer das Mittel der Wahl, um auf den Wettbewerbsnachteil für die Vor-Ort-Apotheken zu reagieren. Einer der wichtigsten Beweggründe für mich persönlich ist der Koalitionsvertrag, der vorsieht, dass wir uns für das Verbot einsetzen werden. Das dann auch zu tun und nochmal initiativ zu werden, ist für mich ein Zeichen von verlässlicher Politik.

DAZ.online: Sie haben damals für die CSU an den Verhandlungstischen 
gesessen …

Zeulner: Richtig. Ich war dabei und kann mich erinnern, wie wir Fachpolitiker der Union für das Verbot gekämpft haben. Ich bin vertragstreu und würde die Diskussion rund um das Rx-Versandverbot jetzt gerne erneuern und wieder anstoßen.

DAZ.online: Warum fordern Sie das gerade jetzt? Liegt das auch am Einsatz der Apotheken in der Coronakrise?

Zeulner: Wie gesagt, das Verbot war für mich schon vorher das Mittel der Wahl. Aber die Krise hat mir nochmals verdeutlicht, wie wichtig der Einsatz für eine Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung mit Apotheken vor Ort ist. Denn die Apotheken sind ein Grund dafür, dass wir aus der Krise bisher so glimpflich wieder herausgekommen sind. Gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten haben die Apotheker durchgehend dafür gesorgt, dass wir einen niedrigschwelligen Zugang zu jeder Tageszeit zu Heilberuflern hatten und haben. Außerdem stellten die Apotheker innerhalb kürzester Zeit große Mengen Desinfektionsmittel her, einmal mehr haben sie sich als absolut systemrelevant erwiesen. Es geht mir aber auch um weitere politische Forderungen in diesem Zusammenhang.

Versandhandel hat nichts mit Digitalisierung zu tun

DAZ.online: Was meinen Sie?

Zeulner: Wir können aus meiner Sicht nicht einerseits fordern, dass die Medikamentenherstellung aus Gründen der Versorgungssicherheit wieder nach Deutschland und Europa zurückgeholt werden soll und andererseits einen größeren Teil der Versorgung durch Versandhändler ins Ausland verlagern. Wenn Sie sich das von der ABDA bei dem ehemaligen Verfassungsrichter  Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio in Auftrag gegebene Rechtsgutachten anschauen, dann werden Sie auch feststellen, dass es beim Rx-Versandverbot keineswegs um Protektionismus geht, sondern um das Interesse der Bundesrepublik, die eigene Arzneimittelversorgung zu sichern und sie kontrollieren zu können. Der Staat hat einen Versorgungsauftrag an die Apotheken weitergegeben. Es ist also in seinem Interesse und auch in seiner Verantwortung, dass die Arzneimittelversorgung zu jeder Zeit gewährleistet ist. Erster Ansprechpartner in der Arzneimittelversorgung müssen daher auch die Apotheken bleiben.

DAZ.online: Das Thema „Kontrollieren“ ist ja ein bekanntes im Versandhandelskonflikt. Denn die deutschen Behörden haben keinerlei Kontrollmöglichkeiten in den großen Versandkonzernen hinter der Grenze. Wie bewerten Sie das?

Zeulner: Selbst wenn in den Versandhäusern noch alles gut und richtig läuft, haben wir auch hierzulande keinen Einblick in die Versorgung – nämlich in dem Moment, wenn das Paket an den Paket-Zustelldienst übergeben wird. Das viel zitierte Beispiel mit dem Insulin im sommerlichen Garten ist ja gut bekannt. Arzneimittel können nicht wie DVDs oder Bücher ausgeliefert werden, sie sind ein besonders schützenswertes Gut. Die Auslieferung ist ja übrigens genauso gut über den Botendienst der Apotheken vor Ort möglich, hier haben wir ja vorgegeben, unter welchen Qualitätsanforderungen der Botendienst angeboten werden muss.

DAZ.online: Viele Gegner des Rx-Versandverbots, darunter Ihr Fraktionskollege und Minister Jens Spahn, aber auch Ihre Parteikollegin Dorothee Bär, sagen ja, dass man das Verbot im Zeitalter der Digitalisierung nicht umsetzen könne, weil dies der digitalen Gesamtentwicklung widerspräche. Was entgegnen Sie diesem Argument?

Zeulner: Ganz einfach: Der Rx-Versandhandel hat für mich überhaupt nichts mit Digitalisierung zu tun, das ist klassischer Versandhandel, wie er schon seit Jahrzehnten auch von anderen Versandhäusern in anderen Wirtschaftszweigen betrieben wird.

DAZ.online: Sehr aufmerksam haben Sie ja sicher auch die Diskussionen innerhalb der Apothekerschaft verfolgt. Die ABDA erklärt, dass sie weiterhin „vorbehaltlos“ hinter dem Rx-Boni-Verbot von Minister Spahn steht und dass das Rx-Versandverbot nur noch eine Alternative sei. Fühlen Sie sich also etwas alleingelassen von den Apothekern an dieser Stelle?

Zeulner: Ich habe in meinen Gesprächen mit der ABDA und anderen Vertretern der Apothekerschaft auf Landesebene stets gehört, dass man weiterhin hinter dem Rx-Versandverbot steht. Auch für die ABDA ist das Rx-Versandverbot weiterhin das Mittel der Wahl. Aber natürlich ist es in der Politik so, dass man bei Meinungsunterschieden Kompromisse finden muss. Und aufgrund der Wichtigkeit des Themas lohnt es sich auch weiter dafür zu kämpfen.

Ist das RxVV politisch machbar?

DAZ.online: Es gibt ja weiterhin juristische Zweifel am Rx-Versandverbot, auf die auch Minister Spahn immer wieder verwiesen hat. Wie gehen Sie damit um?

Zeulner: Ich bin mir sicher: Jede Lösung, die wir finden und vorschlagen, wird letztlich beklagt. Deswegen würde ich es versuchen und es auf ein weiteres Verfahren ankommen lassen. Es wird dann die entscheidende Aufgabe sein, den Gerichten genügend Argumente für eine Legitimität des Versandhandelsverbots vorzulegen. Entscheidend ist, dass deutlich wird, dass wir in Deutschland bei der Arzneimittelversorgung ein komplexes ineinandergreifendes nationales System haben, das den Gesundheitsschutz der Bevölkerung als obersten Schutzzweck hat. Hier ist es meiner Ansicht nach ein berechtigtes nationales Interesse, dass der Zugriff der EU in unser Gesundheitssystem eingeschränkt wird. 

DAZ.online: Es bleiben aber die Widerstände in der Koalition und selbst in Ihrer eigenen Fraktion. Herr Spahn hat mehrfach klargestellt, dass mit ihm das Verbot nicht machbar sei.

Zeulner: Sowohl Gesundheitsminister Spahn und ich als auch die Unions- und die SPD-Fraktion haben eine feste, gemeinsame Grundlage: Es ist von allen anerkannt, dass die inhabergeführte Apotheke vor Ort ein wichtiger Bestandteil der flächendeckenden Versorgung ist und geschützt werden sollte. Die berufsethische Gemeinwohlverantwortung der Apotheker liegt unserem System zugrunde. Wir sind uns auch einig, dass wir die solidarischen Grundprinzipien unseres Gesundheitssystems erhalten wollen – das Gemeinwohl geht vor den Verdienstinteressen Einzelner, daher auch die Festpreisbindung. Wenn es um das Rx-Versandverbot geht, stelle ich fest, dass viele Fraktionskollegen diese Position weiterhin unterstützen. Und auch bei der SPD haben sich viele Landespolitiker bereits für das Verbot ausgesprochen. Dazu kommt, dass auch der Bundesrat im letzten Jahr mehrheitlich für ein Versandhandelsverbot gestimmt hat.

DAZ.online: Was werden Sie jetzt weiter unternehmen?

Zeulner: Wir werden das Thema koalitionsintern diskutieren. Aber ich bin mir sicher, dass es zumindest in meiner Fraktion eine Mehrheit für das Rx-Versandverbot gäbe. Ich möchte in die Debatte einbringen, dass es in dieser Diskussion eben nicht um eine Kleinigkeit geht, wir stehen an einem Scheideweg. Denn wenn wir jetzt unser solidarisches Gesundheitssystem mit Boni-Gewährung verwässern, wird das späteren Generationen auf die Füße fallen. Es lohnt sich für mich daher, bis zum Schluss für das Rx-Versandverbot zu kämpfen.

DAZ.online: Frau Zeulner, wir danken Ihnen für das Gespräch!



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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12 Kommentare

Tacheles reden

von Gunnar Ott am 17.06.2020 um 15:32 Uhr

Frau Zeulner, herzlichen Dank für ihre deutlichen Worte und ihren Einsatz für die Präsenzapotheke! Es ist höchste Zeit dass Herr Spahn Gegenwind zu spüren bekommt, schlimm genug, dass sich unsere kuschende Standesvertretung nicht daran beteiligt. Es spricht nichts gegen ein Rx-Versandverbot, drei Viertel aller EU-Mitgliedstaaten verbieten schließlich den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Warum soll das in Deutschland nicht möglich sein?? Die fadenscheinige Argumentation von Herr Spahn gegen das Verbot und die Halbherzigkeit seiner Handlungen zeigen deutlich seine Verbindung zum Versandhandel und dienen nur dem Schutz persönlicher Interessen und nicht dem Gemeinwohl. Für einen Minister ist diese Haltung absolut inakzeptabel. Hochmut kommt vor dem Fall...

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DocMorris-Connections

von Thomas Eper am 17.06.2020 um 13:24 Uhr

Sachliche Argumentation zählt hier nicht.
Was hier zählt sind die Kontakte von Spahn zu DocMorris.

Hier werden auf Kosten deutscher Apotheken Seilschaften beim ausländischen Kaptal gepflegt.

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AW: DocMorris-Connections

von Conny am 17.06.2020 um 15:44 Uhr

Ich verstehe auch nicht warum Spahn so von der Enthüllungspresse geschont wird. Liegt vielleicht an seinem Mann. Amthor ist da schlechter dran. Ps: alles friedlich geschrieben, kein Grund zur Löschung.

Schöne Worte

von Roland Mückschel am 17.06.2020 um 11:52 Uhr

Koalitionsinterne Diskussion.
Endlich, das gibt mir Hoffnung.
Die haben sich mit diesem Thema offenbar nie
befasst.

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AW: Schöne Worte

von Anita Peter am 17.06.2020 um 11:59 Uhr

Falsch. Das ist wie beim DAT. Spahn will zum Diskutieren kommen, das Ergebnis steht aber schon vorher fest.

AW: Frau Peter

von Roland Mückschel am 17.06.2020 um 12:28 Uhr

Meinen Sie? Das wäre aber schofel uns gegenüber.

AW: Schöne Worte

von Heiko Barz am 18.06.2020 um 11:49 Uhr

Ach was, Herr Mückschel, haben Sie den letzte APO-Tag denn verfolgt? Die Redezeiten der „schlangestehenden“ Kollegen waren mit 2 Min. so kurz, dass kaum ein Argument in der nötigen Klarheit vorgetragen werden konnte.
Das war von vornherein mit F.Schmidt und Spahn so vereinbart.
Was sollte dabei berufspolitisch schon Bedeutsames herauskommen??

Die Zukunft wird hoffentlich ...

von Christian Timme am 17.06.2020 um 8:12 Uhr

Anruf in China: Könnten wir einen Arzt bekommen? ... den Dolmetscher haben wir schon. Ach noch was ... kann der auch die Arzneimittel mitbringen? ...

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.

von Anita Peter am 17.06.2020 um 8:07 Uhr

Es gibt 2 Dinge, warum Menschen wie Spahn un Co. sich nicht hinter die Vor Ort Apotheken stellen: Macht und Geld. Beides haben wir nicht zu bieten.
Der Fall Amthor führt uns nur wieder zu deutlich vor Augen wie das Spiel heutzutage funktioniert. Aktienoptionen und Direktorenpöstchen als Gegenleistung für politisches Engagement.
Es gibt auch andere Politiker, wie hier z.B. Frau Zeulner, aber diese haben eben leider nichts zu melden. Spahn stellt sich gegen den Koalitionsvertrag, gegen den Willen des Bundesrates, er akzeptiert die Ungleichbehandlung von Versendern und Vor Ort Apotheken, er akzeptiert die Aushebelung des FBV usw usw.
Alles wäre mit einem RXVV sofort beendet.

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AW: .Nicht standhaft gebilieben

von Dr. Radman am 17.06.2020 um 11:23 Uhr

So ist das. Hätten die Delegierten auf dem DAT letztes Jahr vor Herrn Spahn nicht gekuscht und auf RXVV bestanden und standhaft geblieben, wären wir jetzt weiter.

AW: .

von Heiko Barz am 18.06.2020 um 11:40 Uhr

Mit Verlaub, Herr Kollege, das glaube ich nicht. Wir als Naturwissenschaftler - und ich hänge das diesmal ganz hoch - haben andere Idealvorstellungen als viele der Medien bekannten Politiker. Dass diese Leute ein eigenständiges Interesse haben, ihre Wiederwahl und auch ein anschließendes lukratives Weiterleben, auf wessen Kosten auch immer, zu generieren, ist nachvollziehbar.
Aber im Gesundheitswesen geht es um wesentlich mehr als nur um Partikularinteressen.
Die Apotheken sind durch staatliche Pressionen über die Maßen von der Politik beeinflußt, sodass sie, um ihrem gesundheitspolitischen auch juristischem Anspruch gerecht zu werden, in besonderem Schutz gesundheitspolitischer Organe zu stehen haben.
Das heißt, GM Spahn weiß ganz genau dass die Deutsche Apotheke, - und ich benutze absichtlich nicht das Wort „Vor Ort“, weil es für mich ein Negativum hat,- bei der Ausführung aller wirtschaftlichen Reserven nicht in der Verfassung ist, die Vorteile der hollandgrezüberschreitenden Pseudoapotheken in irgendeiner Weise zu erarbeiten.
Solange Spahn diesen ihm wohlbekannten Missstand nicht öffentlich anprangert und ändert, nenne ich ihn einen Pharisäer.
Sich in die Medien zu stellen, den Apothekern für ihre Pandemiezusatzarbeit Lob zu spenden und gleichzeitig seine „RX“ Manipulationen in Europa durchzusetzen, beweist seine Absicht, die Tradition der Deutsche Apotheke zu brechen.
Was ihn wirklich treibt, wissen wir, bundesweit unter 10000 Apotheken, die dann freiwerdenden Kapazitäten kapitalorientierten Hedgefonds anzubiedern und dann die Fläche mit Versendern „notversorgen“!
Na dann, Gute Nacht!

RX VV

von Andreas May, ADEXA- Die Apothekengewerkschaft am 17.06.2020 um 7:18 Uhr

Danke Frau Zeulner für diese klaren Worte.
Es geht um die Zukunft der Apotheken , Zukunft der wohnortnahen Versorgung und um die Zukunft der Inhaber*innen und Mitarbeiter*innen die Tag für Tag die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln sicherstellen.

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