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Keine Sprays bei der Desinfektion von Flächen
Können Desinfektionsmittel der Gesundheit schaden?
Es ist eine Frage, die sich im Alltag vielleicht schon viele Apotheker gestellt haben: „Ist das noch gesund?“ Es geht um den erheblich gestiegenen Verbrauch an Desinfektionsmitteln. In der aktuellen DAZ 25/2020 wird die Toxikologie der Desinfektionsmittel beleuchtet – mit einem ganz praktischen Ratschlag als Konsequenz.
DAZ.online hat sich die Frage seit Beginn der Coronakrise gestellt: Werden Desinfektionsmittel teilweise vielleicht zu unkritisch eingesetzt? Auch in der Pharmazeutischen Technologie scheint der Einsatz von Desinfektionsmitteln ganz allgemein ein Thema zu sein: „Warum sind Desinfektionsmittelrückstände von Bedeutung?“, wurde etwa am 2. Juni die Frage auf www.pharmtech.com gestellt. Die toxikologischen Eigenschaften der verschiedenen Desinfektionsmittel hat Ulrich Schreiber (M. Sc. Toxikologie) für die aktuelle DAZ 25/2020 zusammengetragen. Dort geht es um
- Alkohole,
- Quartäre Ammonium-Verbindungen,
- Aldehyde,
- Phenole,
- Peroxide und
- Hypochlorit.
Ein praktischer Aspekt ist dabei besonders interessant: Es geht um die Gesundheit der Lunge, die man während der Corona-Pandemie aktuell ja besonders schützen möchte.
COPD durch Desinfektionsmittel?
„Eine Ende 2019 im Fachmagazin JAMA Network Open publizierte Arbeit untersuchte einen möglichen Zusammenhang zwischen der regelmäßigen Exposition gegenüber Desinfektionsmitteln und dem Auftreten chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen (COPD) bei US-amerikanischen Pflegekräften“, erklärt Schreiber. Dabei ging es unter anderem um die Exposition gegenüber sechs desinfizierenden Substanzen (Formaldehyd, Glutaraldehyd, Hypochlorit-Bleiche, Wasserstoffperoxid, Alkohol, quartäre Ammonium-Verbindungen).
Bei 582 der 73.262 Probandinnen der Nurses Health Study diagnostizierte schließlich ein Arzt eine COPD: Der wöchentliche Gebrauch von Desinfektionsmitteln war dabei mit einer erhöhten COPD-Inzidenz assoziiert. „Pflegekräfte, die vier- bis siebenmal in der Woche desinfizieren mussten, hatten das höchste Risiko, an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung zu erkranken, im Vergleich zu Probandinnen, die seltener desinfizierten.“ Besonders im Fokus stehen dabei der Einsatz von Hypochlorit und Wasserstoffperoxid. Für Alkohole, quartäre Ammonium-Verbindungen und Aldehyde sei keine Assoziation beobachtet worden.
Was kann man also tun, wenn die Lunge (indirekt durch Desinfektionsmittel) doch eigentlich geschützt werden soll?
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Fachleute des Verbands Pneumologischer Kliniken wiesen in einer Pressemeldung im Januar 2020 darauf hin, dass weitere Untersuchungen nötig sind, bevor endgültige Schlüsse gezogen werden können. Sie empfahlen aber, keine Sprays bei der Desinfektion von Flächen einzusetzen. Schreibers Fazit lautet wie die ganz allgemeine Empfehlung dieser Tage – immer gut lüften, nicht nur wegen SARS-CoV-2: „Eine gute Raumbelüftung kann gleichzeitig dabei helfen, Beschäftigte in Pflegeberufen, die auf das Desinfizieren nicht verzichten können, vor der chronischen Exposition gegenüber versprühten Desinfektionsmitteln zu schützen.“
Wie steht es eigentlich um Resistenzen?
Auch ein anderer Aspekt könnte vielleicht zum bewussteren Umgang mit Desinfektionsmitteln anregen, angesichts der Bilder aus den Nachrichten, in denen im Ausland ganze Straßenzüge desinfiziert wurden: Wie steht es eigentlich um die Resistenzentwicklung? Beispielsweise war Triclosan unter den Desinfektionsmitteln immer wieder Gegenstand breiter Diskussionen, über die auch die DAZ berichtet hat.
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Auch wenn vor allem Antibiotika-Resistenzen zu den Hauptproblemen der modernen Medizin zählen, in der DAZ 22/2018 hieß es beispielsweise auch: „Pseudomonas aeruginosa ist natürlich resistent gegen eine Vielzahl von Antibiotika, auch Resistenzen gegen Desinfektionsmittel und Detergenzien sind beschrieben.“
Um Missverständnisse zu vermeiden: Desinfektion – vor allem in Krankenhäusern – ist natürlich wichtig und richtig. So hieß es in einem anderen Beitrag der DAZ 22/2018: „Die wichtigsten Erreger nosokomialer Infektionen werden unter dem Akronym ESKAPE zusammengefasst: Enterococcus faecium, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumannii, Pseudomonas aeruginosa und Enterobacteriaceae. Eines haben alle ESKAPE-Keime gemeinsam: Sie werden durch direkten Kontakt übertragen. Pseudomonaden und Acinetobacter können auch durch indirekten Flächenkontakt übertragen werden. Ein wichtiger Ansatz ist daher die Händedesinfektion in Krankenhäusern.“
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So wichtig also die Desinfektion in Krankenhäusern ist, eine Toleranz gegen Desinfektionsmittel ist dennoch möglich. Das meldete auch die Pharmazeutische Zeitung im August 2018. Dort hieß es, dass eine Untersuchung aus Australien von der Universität Melbourne im Fachjournal „Science Translational Medicine“ besagt, dass der multiresistente Darmkeim Enterococcus faecium in Krankenhäusern zunehmend tolerant gegen alkoholbasierte Desinfektionsmittel wird. „Die Forscher betonen, dass nur Daten aus zwei Krankenhäusern in Melbourne untersucht wurden, ob und in welchem Ausmaß Resistenzen gegen Desinfektionsmittel auch in anderen Regionen beziehungsweise Ländern vorkommen, müsse noch geprüft werden“, hieß es.
Dennoch: Es scheint genügend Anlass zu geben, vor allem im Alltag mit Desinfektionsmitteln sparsamer umzugehen und in der Wissenschaft auch die Resistenzbildung gegen Desinfektionsmittel genauer zu untersuchen. Nicht, dass bei der Bekämpfung eines Virus am Ende diverse neue Resistenzen gezüchtet werden, und auch, damit die Krankenhäuser sich in Zukunft nicht mehr sorgen müssen, dass ihnen Desinfektionsmittel gestohlen werden, wenn sie diese am dringendsten benötigen.
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