Nachlese zum DAT 2019

Noch viele offene Fragen zur Digitalisierung

Süsel - 22.06.2020, 16:30 Uhr

Was wurde aus den Anträge des DAT 2019? (c / Foto: Schelbert)

Was wurde aus den Anträge des DAT 2019? (c / Foto: Schelbert)


Über die Absage des Deutschen Apothekertages 2020 wird derzeit viel diskutiert. Doch was ist eigentlich aus den Anträgen des Vorjahres geworden? Der jüngste Rückblick der ABDA auf diese Anträge macht deutlich, dass damit noch viel zu tun bleibt - auch ohne neue Anträge aus diesem Jahr. Dies gilt auch für das aktuelle Thema Digitalisierung.

Wie immer im Juni hat die ABDA auch in diesem Jahr einen Bericht darüber erstellt, wie die Anträge des vorherigen Deutschen Apothekertages (DAT) bearbeitet wurden. Dieser Bericht dient stets als Arbeitsgrundlage für die Sommersitzung der ABDA-Mitgliederversammlung, die diesmal für den 1. Juli geplant ist. Was die ABDA selbst über ihre bisherige Arbeit berichtet und welche Konsequenzen sich daraus ergeben könnten, soll hier für die Anträge zur Digitalisierung gezeigt werden.

Digitalisierung auch bei pharmazeutischen Dienstleistungen

Zu dem allgemein formulierten Antrag, die Digitalisierung in den Apotheken voranzutreiben, verweist die ABDA auf das geplante Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz als Grundlage für künftige honorierte pharmazeutische Dienstleistungen. Dazu erklärt die ABDA: „Bei der Auswahl geeigneter pharmazeutischer Dienstleistungen durch die Apothekerschaft wird ihre mögliche Unterstützung durch digitale Mittel berücksichtigt.“ Damit gibt die ABDA einen kleinen Hinweis zu ihrem gut gehüteten Geheimnis, welche honorierten Dienstleistungen sie anstrebt. Digitale Mittel gehören also dazu.

Viel Arbeit für das E-Rezept

Ein anderer Antrag hatte gefordert, eindeutige und justiziable Rahmenbedingungen für das E-Rezept zu schaffen. In zwei weiteren Anträgen ging es um das erweiterte Makelverbot und ein ergänzendes Zugabeverbot. Dazu verweist die ABDA auf die laufende Gesetzgebung für das Patientendaten-Schutzgesetz. Das Makel- und das Zuweisungsverbot seien dort aufgegriffen worden. Dazu seien sozial- und apothekenrechtliche Änderungen vorgesehen. Die ABDA erklärt zudem, dass sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) als Sachwalter der Interessen von Patienten und Apothekern in der Gematik sehe. Dabei spiele die technische Umsetzung des Zuweisungs- und Makelverbotes eine zentrale Rolle. Die ABDA schreibt allerdings nicht, dass offenbar gerade dort noch viel zu tun.

Mehr zu tun, als ABDA-Bericht erkennen lässt

Dies wurde beispielsweise am 17. Juni bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein deutlich. Dort warnte Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, vor drohenden Problemen aufgrund der Regeln zur Übermittlung von E-Rezepten gemäß dem „Release 4.0.0“ der Gematik. Gegenüber der DAZ erläuterte Froese, dass nach dem aktuellen Entwurf der E-Rezeptdatensatz nicht mehr mit einem Ende-zu-Ende-Schlüsselpaar des Versicherten und des Arztes verschlüsselt werde, sondern nur noch „einfach“ durch Mechanismen innerhalb der „vertrauenswürdigen Anwendungsumgebung“ im Sinne der Gematik. Daraufhin warnte Froese vor drohenden Datenlecks.

Zu dem Antrag, einen diskriminierungsfreien Zugang zu E-Rezepten zu schaffen, berichtet die ABDA über die Web-App des DAV, die mit dem Ziel der staatlichen Beleihung kommuniziert werde. Die ABDA berichtet jedoch nicht, dass die Gematik nun den gesetzlichen Auftrag erhalten soll, eine solche App zu entwickeln. Doch dies wäre sogar als Erfolg zu werten, weil auch damit das inhaltliche Ziel eines diskriminierungsfreien Zugangs erreicht würde – vorausgesetzt, dass dies nicht durch technische Lücken durchkreuzt wird. Demnach ist bei den bis hier erwähnten Anträgen offenbar noch mehr zu tun, als der Bericht der ABDA vordergründig erkennen lässt.

Verhandlungen mit der GKV erledigt, aber auch erfolgreich?

Über „abgestimmte Vorgaben“ für das E-Rezept berichtet die ABDA, die gesetzlich vorgesehenen Anpassungen des Rahmenvertrags mit dem GKV-Spitzenverband seien fristgerecht vereinbart und der neue Rahmenvertrag sei im Mai 2020 von beiden Vertragsparteien gezeichnet worden. Es gibt also eine vertragliche Einigung zu den Rahmenbedingungen für das E-Rezept mit der GKV. Doch die ABDA berichtet nichts über die Inhalte der Vereinbarung. Insbesondere bleibt offen, ob die im Antrag formulierten Zukunftsaussichten damit realistisch erscheinen. Dort ging es um die Idee, fehlerfreie Verordnungen sicherzustellen und damit Retaxationen bei E-Rezepten weitgehend auszuschließen. So bleibt offen, ob bei dem Antrag nur ein formaler oder auch ein inhaltlicher Erfolg erzielt wurde.

Wer soll für digitale Arzneimittel zuständig sein?

Während die bisher erwähnten Anträge einstimmig oder mit sehr großer Mehrheit verabschiedet worden waren, hatte der DAT 2019 den Antrag zur Erweiterung des Arzneimittelbegriffs um digitale Arzneimittel in einen Ausschuss verwiesen. Hier bestand also intern Klärungsbedarf. Die ABDA berichtet nun, der geschäftsführende Vorstand sei zu dem Ergebnis gekommen, „digitale Arzneimittel“ seien entweder Arzneimittel oder Medizinprodukte. Er empfehle daher der Mitgliederversammlung festzustellen, dass hier kein Handlungsbedarf bestehe. Die ABDA bezieht sich damit offenbar auf die derzeit existierenden Produkte. Gemäß der Antragsbegründung ging es der Landesapothekerkammer Thüringen aber um künftige, rein digitale Arzneimittel ohne klassische Wirkstoffe. Für sie sollte die Zuständigkeit der Apotheker gesichert werden.

Erstaunlicherweise enthält der Bericht der ABDA keine Überlegungen zu der Frage, ob möglicherweise der nächste Antrag geeignet ist, das Anliegen auf andere Weise einfacher zu erreichen. Dabei geht es darum, digitale Anwendungen als apothekenübliche Ware einzustufen. Die ABDA berichtet dazu, sie habe dem Gesetzgeber das Anliegen zum Digitale-Versorgung-Gesetz unterbreitet. Nach den neuen Regeln sei es „nicht ausgeschlossen, dass digitale Gesundheitsanwendungen auch unter Einbindung öffentlicher Apotheken vertrieben und genutzt werden könnten“. Das bedeutet also, dass die Apotheken zumindest an dieser Versorgung beteiligt werden könnten. Doch sei daran erinnert, dass eine Einordnung als Arzneimittel eine automatische Apothekenpflicht bewirken und andere Anbieter damit erst einmal ausschließen würde.

Drängende Themen für einen DAT 2020

So bleibt sogar ohne einen DAT in diesem Jahr noch viel mit den Anträgen des Vorjahres zu tun, besonders bei der technischen Umsetzung des E-Rezepts. Doch es gibt auch ganz neue Fragen, die im Vorjahr noch nicht absehbar waren. Besonders wichtig erscheint die Beziehung zwischen E-Rezepten und Papierrezepten: Was wird wann für wen verpflichtend? Ist eine E-Rezept-Pflicht überhaupt akzeptabel? Welche Ausnahmen sind nötig? Wie sieht eine Notfallvariante für System- oder Stromausfälle aus? Solche Fragen hätten vermutlich breiten Raum bei einem DAT 2020 eingenommen. 



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Verursacherprinzip!

von Thomas Eper am 23.06.2020 um 12:09 Uhr

"...fehlerfreie Verordnungen sicherzustellen und damit Retaxationen bei E-Rezepten weitgehend auszuschließen."

Und wenn nicht, zahlt der Fehler-Verursacher und nicht wir!
Ist das so schwer zu kapieren?

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Wie ist es der ABDA eigentlich gelungen die "Anträge der letzten Jahre" unbemerkt "mit umziehen" zu lassen?

von Christian Timme am 22.06.2020 um 17:22 Uhr

Wenn Tonnen von "belastendem Material" zu Umzügen führen ... scheint der eigentliche Aufrag bereits in Vergessenheit geraten zu sein ... das scheint auch der tiefere Grund für die zügige Entwicklung neuerer Anliegen zu sein ...

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