Medikamentenübergebrauchskopfschmerz

Neue europäische Leitlinie soll den Teufelskreis brechen

Remagen - 23.06.2020, 17:49 Uhr

Kopfschmerzen durch zu viele Schmerztabletten – kein seltenes Phänomen. Eine neue Leitlinie befasst sich mit dem Problem. (m / Foto: imago images / Westend61)

Kopfschmerzen durch zu viele Schmerztabletten – kein seltenes Phänomen. Eine neue Leitlinie befasst sich mit dem Problem. (m / Foto: imago images / Westend61)


Wann geht es nicht mehr ohne Spezialisten oder Schmerzzentrum?

Als Mittel zur MOH-Prävention mag die intensive Beratung zwar ausreichend sein, führt die Leitlinie weiter aus, nicht aber, wenn es um die MOH-Behandlung geht. Bei größeren psychiatrischen Komorbiditäten oder beim Übergebrauch von Opioiden, Barbituraten oder Tranquilizern wird auf jeden Fall zur Überweisung an einen Kopfschmerzexperten oder in ein spezialisiertes Schmerzzentrum geraten. Denn grundsätzlich müsse immer ein Entzug oder zumindest eine sanfte Reduzierung der Übergebrauchsmedikamente erfolgen, um den MOH langfristig zu therapieren, so die Begründung. Und um die Schmerzmedikation erfolgreich auszuschleichen oder abzusetzen, brauche es fast immer eine Betreuung, die je nach Komplexität und Zustand des Patienten stationär, teilstationär oder ambulant durchgeführt werden könne. Außerdem müssten neben Neurologen und Schmerzmedizinern auch Verhaltenspsychologen darin eingebunden sein.

Erst entwöhnen, dann spezifische Migränetherapie

Die Leitlinie äußert sich auch zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt bei Patienten mit MOH und chronischer Migräne eine gezielte Migränetherapie, zum Beispiel durch Onabotulinumtoxin Typ A oder CGRP (calcitonin gene-related peptide)-Antikörper sinnvoll ist. „Im Prinzip ist es ratsam, die Patienten zunächst vom Schmerzmittelübergebrauch zu entwöhnen, bevor man diese spezifischen Migränemittel einsetzt“, erklärt Diener dazu, „auch um beurteilen zu können, wie stark und häufig die Kopfschmerzen sind, wenn der Übergebrauchskopfschmerz wegfällt. Auf der anderen Seite seien gerade Patienten mit chronischer Migräne stark leidgeprüft und eine wirksame Medikation dürfe ihnen nicht über eine längere Zeit vorenthalten werden. Die Entscheidung, wann die Migränetherapie initiiert wird, sei demzufolge immer nur individuell zu treffen.

Ärzte für das Problem sensibilisieren

„Die Bedeutung der vorliegenden Leitlinie liegt darin, dass sie auf das Problem des MOH aufmerksam macht und auch Ärztinnen und Ärzte für das Phänomen sensibilisiert“, kommentiert der Generalsekretär der DGN Peter Berlit, Essen, die Publikation. Angesichts von geschätzt über eine halbe Million Menschen, sei der Medikamentenübergebrauchskopfschmerz ein relevantes Gesundheitsproblem, das eine gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit verdiene. Die europäische Leitlinie trage dazu bei und werde hoffentlich vielen Betroffenen zur Schmerzfreiheit oder zumindest einer deutlichen Verbesserung der Kopfschmerzen verhelfen, so seine Hoffnung.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

Mük, Migräne-Therapie und der Onlinehandel

von M. M. am 24.06.2020 um 0:16 Uhr

Natürlich sind gerade chronisch Kranke eher dazu geneigt einen MÜK zu entwickeln. Dies sieht man vor allem bei Migränepatienten.
Migräniker müssen zum Einen darauf achten nicht mehr als 10 Tage pro Monat zu behandeln um nicht in den Mük zu gelangen, zum Anderen müssen sie aber auch funktionieren. Kein Arbeitnehmer akzeptiert auf Dauer monatliche Krankmeldungen. Also flüchten viele zum Versandhandel. Er stellt selten nervige Fragen, wenn man direkt mehrere Packungen an Triptanen bestellt (zwischen 3 unf 10 Packungen je nach Händler) und es erfolgt keine als lästig empfundene Beratung am HV. Manche PTAs und Apotheker haben da noch Nachholbedarf.

Die andere Sache ist, dass leider nicht immer optimal berichtet wird: Es stimmt, dass Botox und Antikörper eine Therapie-Option bei chronischer Migräne ist. Doch hier kommt das aber: Beide Therapien benötigen erst 5 vorhergegangen, missglückten Therapieversuche mit Arzneimitteln, wie zB. Amitriptylin, Metoprolol, Flunarizin, Topiramat und Valproat. Wer genaueres wissen will, darf sich gerne auf der Homepage der Schmerzklinik Kiel informieren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Schmerztabletten-Konsum

von Heiko Barz am 23.06.2020 um 19:04 Uhr

Solange diese Thematik den holländischen Pseudoapos völlig abgeht, braucht darüber nicht viel diskutiert zu werden.
Je mehr Packungen, in diesem Fall eben Schmerztabletten, um so besser für die Aktionäre.
Der Patient und seine Gesundheit spielen dabei keine Rolle. Auch hier gilt eigentlich nur das RXVV, um die Ernsthaftigkeit pharmazeutischer Bemühungen zu dokumentieren.
Ob sich der Herr Spahn darüber mal Gedanken macht?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.