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Modellprojekte in den Apotheken
Grippeimpfung: Was machen Brandenburg und Thüringen?
Kaum war das Masernschutzgesetz unter Dach und Fach, suchte die Apothekerkammer Brandenburg den Schulterschluss mit den Ärzten im Land. Gemeinsam erteilten sie Modellprojekten zur Grippeimpfung in den Apotheken eine Absage. Thüringen konnte sich bisher nicht zur notwenigen Änderung der Berufsordnung durchringen. Der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) hat dazu eine klare Meinung.
Die Grippeschutzimpfung in Apotheken im Rahmen von Modellvorhaben steht vielerorts in den Startlöchern: In den vergangenen Monaten änderten fast alle Landesapothekerkammern ihre Berufsordnungen, sofern nötig. Das Rennen um die bundesweit erste Vereinbarung zwischen Pharmazeuten und Kassen machten der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) und die AOK Rheinland/Hamburg. Doch nicht alle Standesvertretungen stehen solchen Projekten offen gegenüber.
Resolution in Brandenburg gegen Pilotprojekte
Im November 2019 unterzeichnete die Landesapothekerkammer Brandenburg gemeinsam mit der Landesärztekammer eine Resolution gegen impfende Apotheker, die weiterhin Bestand hat. Sie sehen einen Grenzübertritt der medizinischen Kompetenzen und fürchten eine Verschlechterung für den Verbraucherschutz durch die Modellvorhaben:
Im Sinne des Patientenschutzes müssen Impfungen […] da stattfinden, wo eine ärztliche Überwachung und notfalls auch Behandlung gewährleistet ist. Auf der anderen Seite ist die Beratung zu Arzneimitteln bei der Abgabe – unabhängig von Verordnung oder Selbstmedikation – Aufgabe der Apotheker. […] Es liegt nicht im Interesse des jeweiligen Berufsstandes, die Profession des jeweils anderen auszuüben.“
Gegenüber der DAZ verweist die Kammer zudem auf die vergleichsweise hohe Influenza-Impfquote bei Über-60-Jährigen in Brandenburg. In der Grippesaison 2018/19 lag die Quote mit 60 Prozent weit über dem Bundesdurchschnitt von 35 Prozent (Impfquoten bei Erwachsenen in Deutschland. Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts 2019;44:459).
Berufsordnung in Brandenburg steht nicht im Weg
Laut Olaf Behrendt, Vorsitzender des Landesapothekerverbands Brandenburg, besteht vonseiten der Apothekerschaft in diesem Bundesland bisher kein Interesse, an solchen Modellvorhaben teilzunehmen. Man habe aktuell ein gut funktionierendes System mit Hausärzten, die eine hohe Impfquote garantieren. Sollten dennoch Apotheker Interesse am Impfen äußern, wäre es Aufgabe des Verbands, Gespräche mit den Krankenkassen zu organisieren, so Behrendt. Anders als in anderen Bundesländern muss die Berufsordnung in Brandenburg nicht geändert werden, damit Apotheker impfen könnten.
BVDAK: Nicht auf Chancen-Verpasser hören!
Eine andere Situation ergibt sich in Thüringen. Auch hier wurde das Thema bei der letzten Kammerversammlung im November 2019 intensiv diskutiert. Die Delegierten lehnten letztlich das Impfen in der Apotheke ab, wenn die Ärzteschaft dem nicht zustimmt. Nach derzeitigem Stand würde sich die Mehrheit der Thüringer Apotheker aus grundsätzlichen Erwägungen nicht an derartigen Pilotprojekten beteiligen.
Die Berufsordnung wurde daher nicht angepasst. Thüringen ist somit das einzige Bundesland, in dem die Teilhabe an möglichen Modellprojekten mit einem Verstoß gegen die Berufspflichten des Apothekers einhergehen würde. Laut Ronald Schreiber, Präsident der Landesapothekerkammer Thüringen, hat auch das bundeseinheitliche Curriculum der ABDA und das Bekanntwerden des bundesweit ersten Vertrags in Nordrhein nichts an dieser Haltung geändert. Die Entscheidung der letzten Kammerversammlung sei jedoch nicht in Stein gemeißelt: Bei der nächsten Kammerversammlung im November 2020 könne diese Frage erneut diskutiert werden.
BVDAK stärkt Nordrhein den Rücken
Anders als die Standesvertreter in Brandenburg und Thüringen steht der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) voll hinter der Möglichkeit, in den Apotheken gegen Grippe zu impfen. „Damit sieht der BVDAK sein Engagement in den letzten Jahren von Erfolg gekrönt“, betont der Verbandsvorsitzende Dr. Stefan Hartmann einer Pressemitteilung zufolge. Denn schließlich sei es sein Verband gewesen, der sich – im Gegensatz zur ABDA – für das Impfen in den Apotheken stark gemacht habe.
Das Abkommen zwischen dem Apothekerverband Nordrhein und der AOK Rheinland/Hamburg begrüßt der BVDAK ausdrücklich. „Es ist meine große Hoffnung, dass nun sehr schnell andere Landesapothekerverbände nachziehen“, so Hartmann. Dabei gebe es einige wichtige Aspekte zu berücksichtigen: „Der Preis ist für ein Modellprojekt nicht entscheidend, wichtig ist, dass viele Apotheken mitmachen.“ Die Leistung müsse künftig mehrwertsteuerfrei angeboten werden, sonst seien die Pharmazeuten gegenüber den Ärzten mit 16 Prozent im Nachteil. „Hier muss das BMG nachbessern“, fordert der BVDAK-Chef.
Zukunftschancen in Gefahr
Hartmann setzt große Hoffnungen in die Modellprojekte. Es biete sich den stationären Apotheken eine „Riesenchance“, heißt es in der Mitteilung. Das Image der Apotheker werde signifikant steigen und die stationäre Apotheke würde auch jüngere Patienten wieder an sich binden können. Der Versandhandel könne das nicht leisten.
Die Verweigerungshaltung in Brandenburg und das Zögern in Thüringen hält Hartmann für einen Bärendienst an dem Berufsstand. „Alle, die immer nur warten, dass Politik und Kassen uns angeblich Gutes tun wollen, statt selbst aktiv zu werden, gefährden unsere Zukunftschancen,“ warnt der BVDAK-Vorsitzende. Da falle ihm nur noch Dante Aleghieri ein: „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt kräftig an.“
1 Kommentar
Was wäre wenn ...
von Christian Timme am 16.07.2020 um 10:21 Uhr
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