Mehr Liefersicherheit

Schärfere Auflagen für AOK-Rabattverträge

Berlin - 21.07.2020, 14:30 Uhr

Johannes Bauernfeind, Chef der AOK Baden-Württemberg, will den bundesweiten Rabattverträgen eine neuen Schnitt geben und somit für mehr Liefersicherheit sorgen. (Foto: AOK Baden-Württemberg)

Johannes Bauernfeind, Chef der AOK Baden-Württemberg, will den bundesweiten Rabattverträgen eine neuen Schnitt geben und somit für mehr Liefersicherheit sorgen. (Foto: AOK Baden-Württemberg)


Um Lieferengpässen zu begegnen, setzen die Allgemeinen Ortskrankenkassen nicht auf eine Abkehr von ihren exklusiven Rabattverträgen. Sie wollen vielmehr die Hersteller stärker in die Pflicht nehmen: Unter anderem müssen diese künftig Arzneimittelreserven für drei Monate anlegen, wollen sie Vertragspartner der AOKen werden. Diese und weitere neue Bedingungen fordern die Kassen bereits in ihrer am gestrigen Montag gestarteten 24. Ausschreibungsrunde für Generika-Rabattverträge ein.

Angesichts anhaltender Arzneimittel-Lieferengpässe und der Abhängigkeit Europas von Drittländern will die Bundesregierung ihre EU-Ratspräsidentschaft dazu nutzen, die Arzneimittel-Lieferketten in Europa sicherer zu machen. 

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Die AOKen sind nun auf diesen Zug aufgesprungen. „Die Corona-Pandemie zeigt überdeutlich, wie sehr die Arzneimittelversorgung in Europa von den weltweiten, krisenanfälligen Produktions- und Lieferketten der global aufgestellten Pharmaindustrie abhängig ist“, erklärte am gestrigen Montag Johannes Bauernfeind, Nachfolger von Christopher Hermann als Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg und bundesweiter Verhandlungsführer für die AOK-Arzneimittelrabattverträge. Die AOKen begrüßten daher das Ziel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die Liefersicherheit wichtiger Medikamente in der EU zu stärken. Um das zu erreichen, brauche es allerdings Anreize, an denen die Arzneimittelhersteller nicht vorbei können.

Und eben solche Anreize will die AOK jetzt in ihrer 24. Tranche der Generika-Rabattverträge setzen. Dabei sieht AOK sieht die Lösung nicht in einer Abkehr von ihren stets vehement verteidigten Exklusivverträgen, wie es viele fordern. Auch in der jüngsten Ausschreibung, die 119 Wirkstoffe in 120 Fachlosen umfasst, sollen 98 im Einpartner-Modell vergeben werden. 

Die jüngste AOK-Ausschreibung im Überblick:

Die Ausschreibung zur 24. Tranche der bundesweiten AOK-Rabattverträge umfasst 119 Wirkstoffe in 120 Fachlosen. Sie löst die 21. Tranche ab. Die neuen Verträge laufen zum 1. Juni 2021 an und haben eine Laufzeit bis 31. Mai 2023. Das AOK-Umsatzvolumen beziffern die Ortskrankenkassen auf rund 2,0 Milliarden Euro pro Jahr (Apothekenverkaufspreis). Geboten werden kann bis zum 22. September 2020.

Allerdings werden die Hersteller laut AOK ab sofort vertraglich verpflichtet, als Absicherung gegen Produktions- und Lieferausfälle dauerhaft Arzneimittelreserven für drei Monate anzulegen. Erst im letzten Vertragsquartal dürfe dieser Lagerbestand aufgebraucht werden.

Jetzt zählt auch die Einhaltung von Arbeitsschutz und Umweltstandards

Zudem wollen die AOKen einen „Beitrag leisten, die auf Kosten der Menschen und der Umwelt etablierten Angebotsvorteile durch klare Haftungsregelungen abzubauen“: Wolle ein Unternehmen einen Rabattvertrag mit der AOK schließen, müsse es zukünftig sicherstellen, dass weder seine eigene Produktion noch die seiner Zulieferer die Gesundheit der Beschäftigten oder die Umwelt gefährden. „Kurz gesagt: Wer nicht liefert oder die vor Ort geltenden Arbeitsschutz- oder Umweltstandards nicht einhält, riskiert, den laufenden Vertrag unmittelbar zu verlieren und seine Chancen mit Blick auf künftige Ausschreibungen aufs Spiel zu setzen“, erklärt Bauernfeind.

Die AOKen sind überzeugt, dass Arzneimittelrabattverträge „ein starkes und in dieser Form derzeit einzigartiges Steuerungsinstrument“ sind. Mit den veränderten Auflagen werde es nun gezielt in Richtung Versorgungssicherheit weiterentwickelt.  Bauernfeind kündigte überdies eine Ausschreibung zu fünf antibiotischen Wirkstoffen an. Diese ist noch in Vorbereitung, doch hier will man noch höhere Hürden stellen: In den Blick nehmen werde man dabei „marktnahe Produktionsstätten sowie weitere Umweltaspekte“, hieß es auf Nachfrage bei der AOK Baden-Württemberg.

Bauernfeind setzt aber auch weiterhin auf eine EU-weite Initiative während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die die Pharmaunternehmen in die Pflicht nimmt: „Es muss dort im Interesse der Versicherten darum gehen, die marktnahe Produktion durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen umweltgerecht zu fördern.“



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

schärfere Auflagen?

von pille62 am 22.07.2020 um 9:37 Uhr

.........kein Problem, es gilt die Vorort geltenden umweltrechtlichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen einzuhalten!
Hört, hört, der niedrigste Standard wird Goldstandart!
Die AOK tritt also für weitere Zerstörung der Umwelt und arbeitschutzrechtliche Ministandarts ein und möchte weiterhin zu menschenverachtenen Tiefstpreisen liefern.
Also bei Politikern jeglicher Couleur und Herrn Spahn hörte sich das ganz anders an!

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Das ist nur der Beginn der Katastrophe

von ratatosk am 21.07.2020 um 18:57 Uhr

Verpflichtungen hätten die bisherigen Lieferanten auch schon gehabt, aber weder von GKV Seite noch von staatlicher Seite hat das irgendjemanden interessiert, daher leider wieder mal eine Lach - oder Weinnummer ! Hier die typischen medialen Nebelkerzen mit den üblichen Schlagwörtern.
Sicher werden die sich das von jeder Hinterindischen Waschküche mit tausend Eiden schriftlich geben lassen - und gut isses.
Aber wie die USA mit ihren Zuständen, dürfen wir über die Lage bei der Versorgung nicht klagen, wir haben dies bewußt so herbeigeführt, zugunsten von Politik und Ministerialen und der GKV Führung. auf Kosten der Bevölkerung.
Billig - alles andere zählt nicht und Boni.

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Rabattverträge und Lagerverpflichtung

von Uwe Hansmann am 21.07.2020 um 16:22 Uhr

Die Kassen werden mit dieser Art pressing bei der Industrie nur noch weiter dafür sorgen, das Deutschland, als ehemalige "Apotheke der Welt", in die ohnehin schon massive Abhängigkeit von asiatischen Zuliefer- und Herstellungsbetrieben noch weiter hineingetrieben wird.

Als wenn Corona nicht gezeigt hätte, daß man hier auf dem absoluten Holzweg ist.

Aus meiner Sicht ist dieses Gebahren völlig verantwortungslos im Sinne der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.

Ja: Es konterkariert geradezu den gesetzlich verankerten Auftrag.

Ein Trauerspiel!

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