Wärmebehandlung möglich

Desinfektion von N95-Atemschutzmasken

Stuttgart - 10.08.2020, 09:15 Uhr

Einer Untersuchung von kanadischen Wissenschaftlern zufolge genügen 70 °C, um N95-Masken zu desinfizieren und gleichzeitig ihre Schutzwirkung zu erhalten. (x / Foto: Guntar Feldmann / stock.adobe.com)

Einer Untersuchung von kanadischen Wissenschaftlern zufolge genügen 70 °C, um N95-Masken zu desinfizieren und gleichzeitig ihre Schutzwirkung zu erhalten. (x / Foto: Guntar Feldmann / stock.adobe.com)


Ein kanadisches Forscherteam hat herausgefunden: Eine Wiederverwendung von N95-Atemschutzmasken nach einer thermischen Desinfektion könnte eine kostengünstige Lösung für Krankenhäuser darstellen.

Noch immer ist die Nachfrage nach Atemschutzmasken groß. Doch auch Monate nach dem COVID-19-Pandemieausbruch mangelt es in manchen Bereichen an hochwertigem Atemschutz. Die größte Infektionsgefahr besteht für Personal im Gesundheitswesen, das förderte jüngst auch eine Kohortenstudie mit Ärzten und Pflegekräften mit Patientenkontakten, publiziert in Lancet, zutage. Sie hatten trotz Schutzkleidung ein höheres Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, als andere Personen.

Mehr zum Thema

Auch ohne CE-Kennzeichen verkehrsfähig?

Masken, Masken und … immer noch Masken

Im medizinischen Bereich ist der Bedarf an Atemschutz besonders groß. Bereits Anfang Mai waren in Deutschland mehr als 10.000 Beschäftigte im Gesundheitswesen mit COVID-19 infiziert. Personen aus dem medizinischen Bereich sind besonders auf Atemschutzmasken vom Typ N95 angewiesen. Diese Art von Maske hat eine teilchenfiltrierende Funktion und schützt den Träger vor Viren. Eigentlich müsste dieser Mundschutz nach einmaligen Tragen entsorgt werden. Doch in Zeiten von Lieferengpässen sieht sich das Krankenhauspersonal weltweit gezwungen, diese länger zu tragen – manchmal sogar eine einzige Maske für die gesamte Schicht. Die Gefahr hier: Auf der Oberfläche der Maske sammeln sich Viren, die sowohl den Träger als auch den Patienten infizieren können. Wenn ein häufiger Wechsel nicht möglich ist, stellt sich die Frage, ob eine Wiederverwendung des Mundschutzes durch Desinfektion erreicht werden kann.

70 °C Wärme genügen

Dazu hat ein kanadisches Team um Dr. Gregory Borschel vom Institute of Biomaterials and Biomedical Engineering an der Kinderklinik „SickKids“ eine Studie durchgeführt. SIe veröffentlichten ihre Ergebnisse Ende Juli im Canadian Medical Association Journal (CMAJ). Getestet wurden vier verschiedene Typen der N95-Masken (8110, 9105, 8210 und 1860 von 3M). Das Team unterzog die Masken einer thermischen Desinfektion bei 70 °C für 60 Minuten. Dabei wurde die Luftfeuchtigkeit variiert zwischen 0 Prozent, 25 Prozent, 40 Prozent und 50 Prozent. Vorher wurde der Mundschutz mit SARS-CoV-2 versetzt. Als Kontrollprobe dienten Atemschutzmasken, die ebenfalls mit dem Virus inokuliert, jedoch keiner thermischen Wärmebehandlung unterzogen wurden. Dies erfolgte in einem Labor der Biosicherheitsstufe 3. 

Anschließend wurde bewertet, ob eine Inaktivierung von SARS-CoV-2 gelungen war. Dazu wurden die gewonnenen infektiösen Viruspartikel in 300 μl Transportmedium für 30 Minuten eingeweicht. Es folgte eine Titration der Flüssigkeit. Das Ergebnis: Nach einer Wärmebehandlung bei 70 °C für 60 Minuten konnte in keiner der zuvor mit dem Virus versetzten Atemschutzmasken infektiöses SARS-CoV-2-Material nachgewiesen werden. Im Vergleich dazu: Die Schutzmasken, die keiner thermischen Wärmebehandlung unterzogen worden waren, zeigten eine hohe Zahl an SARS-CoV-2 auf der Oberfläche. Dies gilt für alle vier Arten der getesteten Masken. Angemerkt wurde jedoch, dass 155 statt vier Masken pro Gruppe hätten getestet werden müssen, um eine Nicht-Unterlegenheit sicher nachweisen zu können.

Bakterielle Inaktivierung

Um zu testen, ob die Hitzebehandlung auch E. coli abtöten kann, wurden N95-Atemschutzmasken in kleine Stücke geschnitten. Die Oberfläche dieser Fragmente wurde anschließend mit E. coli versetzt. Als Negativkontrolle dienten zerschnittene Masken, die lediglich mit reinem Luria-Bertani-Medium, ein Nährmedium zur Kultivierung von Bakterien, versetzt wurden. Auch hier unterzog man das Probematerial den gleichen Desinfektionsbedingungen: 70 Grad für 60 Minuten bei einer Luftfeuchtigkeit von 0 Prozent, 25 Prozent, 40 Prozent und 50 Prozent. Nach 24 Stunden folgte das Auszählen der Kolonien aller Proben. Als Ergebnis zeigte sich, dass nach 60 Minuten thermischer Desinfektion bei 70 °C und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit keine E. coli auf der Maske zu finden waren.

Qualität der Faserstruktur nach thermischer Desinfektion

Es stellte sich jedoch die Frage, ob das Material der Masken unter den thermischen Behandlungen leiden würde und wenn ja, ob dies dann kritisch für den Träger wäre. Untersucht wurde die Mikrostruktur der N95-Filterschicht. In einem Rasterelektronenmikroskop wurden die Fasern genau analysiert. Das Resultat: Die hohen Temperaturen hatten die physikalische Struktur des Filters nicht beeinträchtigt. Die Durchmesser der Faser hatten sich kaum verändert. Auch die Passform, der Atemwiderstand und der Tragekomfort waren selbst nach zehn Wärmebehandlung in gutem Zustand.

Ethanol, Chlorlösung, Autoklavieren: schädigt Filter

Nicht nur das Team vom Institute of Biomaterials and Biomedical Engineering untersuchte Methoden zur sicheren Wiederverwendung von Atemschutzmasken. Auch andere Forscherteams versuchten aufgrund des Mangels Wege zu finden, bereits getragene Masken zu dekontaminieren. Getestet wurden Verfahren wie das Behandeln der Masken mit ultraviolettem Licht, das Autoklavieren und das Reinigen mit 70-prozentigem Ethanol oder 2-prozentiger Chlorlösung. Das Problem hier: Die Qualität des Filters der 95N-Masken litt unter der Prozedur. Eine sichere Wiederverwendung war hier nicht gegeben.

Ergebnis der Studie

Das Team in Toronto kam zu dem Ergebnis: Eine Desinfektion von N95-Atemschutzmasken ist möglich. Die Wiederverwendung von Schutzmasken nach einer thermischen Wärmebehandlung wäre eine Lösung, trotz Lieferengpässen Beschäftigte im medizinischen Bereich kostengünstig mit funktionsfähigen Atemschutzmasken zu versorgen. In Ländern wie Afrika oder Indien, die besonders unter dem Mangel an hochwertigen Schutzmasken leiden, könnte diese Desinfektionsmethode Abhilfe schaffen. Erst kürzlich wurden Zahlen veröffentlicht, die das Ausmaß offenbaren: In Südafrika sind mehr als 24.000 Mitarbeiter im Gesundheitswesen positiv auf das Coronavirus getestet worden. 181 von ihnen starben. Mit als Grund wurde der Mangel an Atemschutzmasken genannt. Eine thermische Behandlung dieser Schutzausrüstung könnte nicht nur das Land, sondern den gesamten Weltmarkt immens entlasten.



Regina Huwa, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Das ging ja schnell.

von Rainer W. am 11.08.2020 um 14:28 Uhr

Super.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.