Was ist zu beachten?

Wie steht es um den Versicherungsschutz bei Grippeimpfung in der Apotheke?

Hamburg - 10.08.2020, 07:00 Uhr

Bevor die Apotheker mit dem Impfen anfangen, sollten sie prüfen, ob sie ausreichend versichert sind, falls etwas schief geht. (Foto: imago images / Jochen Tack) 

Bevor die Apotheker mit dem Impfen anfangen, sollten sie prüfen, ob sie ausreichend versichert sind, falls etwas schief geht. (Foto: imago images / Jochen Tack) 


Aktiv auf Versicherung zugehen

Manche Gesellschaften de­finieren sogar in abschließender Auflistung, welche Tätigkeiten erfasst sind. Beispielhaft einmal der aktuelle Bedingungstext der Württembergischen:

„Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus 

  • fehlerhafter Beratung;
  • der Verwechslung bei der Abgabe von Arzneimitteln und anderen Apothekenwaren;
  • der Abgabe von und der Beratung über Antikonzeptionsmittel und Schwangerschaftstests;
  • dem Mitwirken in der Arznei­mittelkommission;
  • Tätigkeiten aufgrund eines Krankenhausversorgungsvertrages (z. B. aus Falschlieferung von Arzneimitteln, Prüfungspflichten von Arzneimitteln auf ordnungsgemäße Verwaltung und einwandfreie Beschaffenheit);
  • der Vertretung eines vorübergehend verhinderten Berufskollegen;
  • der Beschäftigung eines vorübergehend bestellten Vertreters (z. B. bei Urlaub, Erkrankung, Wehrdienstübung, Geschäfts­reisen, Teilnahmen an Messen und Kongressen).
  • Nicht versichert ist die persön­liche Haftpflicht des Vertreters.“

(Quelle: Württembergische Versicherung AG, Formular 3058 – Stand 01.06.2019, Ziffer A1-1.2)

Eine Impfung ist in dieser Aufzählung nicht vorgesehen. Impfende Pharmazeuten mit derartigen Bestimmungen in ihren Verträgen sollten unbedingt aktiv auf ihre Versicherung zugehen. Manchmal kann das Impfen noch unter die mitversicherten Nebenrisiken fallen, ansonsten muss eine zusätz­liche Deckung vereinbart werden.

Ausschlüsse und Ent­schädigungsgrenzen

Selbst wenn das Impfen grundsätzlich unter die versicherten Tätigkeiten subsumiert werden kann, so droht Ungemach, wenn diese Tätigkeitserweiterung nicht an den Versicherer gemeldet wird – einige Gesellschaften sehen als Konsequenz für solche Ob-liegenheitsverletzungen nämlich den Wegfall des Versicherungsschutzes vor.

Viel gefährlicher und verbreiteter sind indes die bedingungsgemäßen Leistungsausschlüsse. Zahlreiche Bedingungswerke schließen die Haftung aufgrund einer „Heilbehandlung“ aus. Beispielhaft sei hier der Wortlaut der Concordia angeführt:

„Nicht versichert sind Ansprüche wegen Schäden aus Heilbehand­lungen.“

(Quelle: Concordia Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit, Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtver­sicherung für Apotheken – Fassung Oktober 2008, Ziffer 4.18 Nr. 3 lit. c)

Was eine Heilbehandlung ist, kann – wie so vieles in der Juristerei – unterschiedlich bewertet werden. Nach der vorherrschenden Meinung stellt das Impfen keine Heilbehandlung dar, sondern eine Maßnahme der Prophylaxe. Als Heilbehandlung gilt demnach jede Maßnahme zur Heilung oder Linderung eines, wenn auch nur vermeintlich bestehenden, körperlichen Übels. Diese Voraussetzungen erfüllt das vorsorgliche Impfen nicht. Allerdings besteht dennoch durchaus Streitpotenzial, wenn der Versicherer eine abweichende Bewertung vornimmt und im Impfen gleichwohl eine Heilbehandlung sieht. Die HDI Versicherung beispielsweise bezeichnet das Impfen ausdrücklich als Heilbehandlung (so etwa im HDI MedLetter November 2013). Auch hier besteht folglich Klärungsbedarf.



Jascha Arif, Rechtsanwalt, Hamburg
redaktion@daz.online


Steffen Benecke, Versicherungsmakler, Hamburg
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Impfen & Versicherung

von AM am 14.08.2020 um 16:47 Uhr

Vielen vielen Dank den beiden Fachleuten(!) für ihren treffenden, für uns juristische Laien einfach verständlichen Kommentar zu dieser Problematik. Dieser beleuchtet sehr viele interessante Aspekte & bestätigt die vielen kritischen Ansichten einiger Apotheker eindrucksvoll!

Impfen wird i.d.R. in >90% der Policen nicht unter apothekentypische Tätigkeiten bzw. Risiken fallen - d.h. Zusatzversicherung, was definitiv nicht ohne Mehrkosten von statten gehen wird, da zusätzliche(!) Deckung zum bereits bestehenden Versicherungspaket. Wie war nochmal das angeplante Impf"honorar"? Wie wird die Prämienerhöhung ausfallen? Fragen über Fragen...

Dann der Punkt mit der ärztlichen Tätigkeit, der immer wieder von Kritikern erwähnt wurde bezüglich Impfen = Heilen. Juristisch absolutes Glatteis, wie hier bestätigt wird. Das wird zu Klagewellen seitens der Versicherer führen - und meint ihr ernsthaft, dass dies gut für Apotheken ausgehen wird? ...

"Auch wenn dann impfimmanente Risiken abgesichert sind, muss sich die Apothekerschaft darüber hinaus bewusst machen, dass das Haftungsrisiko bei der Übertragung von Krankheiten nach den am Markt vorhandenen Bedingungswerken gegenwärtig nicht zufriedenstellend versicherbar ist und weitestgehend selbst getragen werden muss. Dabei ist zu befürchten, dass die strengen Grundsätze des Arzthaftungsrechts mit der Umkehr der Beweislast Anwendung finden." - Puuuuh.

Der Punkt bezüglich der Übertragung von Krankheiten - vor allem im Hintergrund der derzeitigen Situation - hat mich ehrlich gesagt etwas erschreckt, da ich dies noch gar nicht so weit bedacht habe. Vor allem, dass der Versicherungsschutz als Inhaber gegen 0 geht (arzttypische Haftungsregeln bzw. Beweis gegenüber Geschädigtem) & mit der Rechtsform "e.K." bei Auftreten eines solchen Falls durch den Punkt der Beweislastumkehr gleich die Privatinsolvenz angemeldet werden kann (v.a. s. Repräsentantenklausel, denn keiner wird alle Approbierten als "Impfer" versichern (Kosten?))... Alles natürlich abgerundet durch eine dreiseitige Impfdokumentation - logischerweise, wie allseits bekannt, unvergütet...

Ich, als 27-jähriger Apotheker-Frischling, würde mir gerne mehr kritisch-hinterfragendes Denken von vielen meiner Fachkollegen wünschen. Vieles wird meiner Meinung nach einfach gedankenlos bejubelt (pharm. Dienstleistungen, Boni-Deckel usw.), ohne auch nur im Ansatz die Folgen zu durchdenken.

Auch wünsche ich mir eine rein nüchterne Analyse bzw. Diskussion dieser ganzen Impf-Sache (auch gerne zu anderen disruptiven Umbrüchen im Apothekenwesen) - angefangen von Versicherungsgeschichten über bauliche Maßnahmen, Schulungen/Dokumentationen, Verantwortung/Personal vereinbartes Impfhonorar, führend zu einer betriebswirtschaftlichen Analyse - man arbeitet ja nicht für Luft & Liebe - durch unsere Standesvertretung.
Allerdings müsste man ja dann befürchten, dass dieser ganze Schwachsinn - ebenfalls wie die pharm. Dienstleistungen (da könnte ich Romane zu schreiben...) - höchst defizitär für alle Apotheken ausfallen würde...

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Versicherungsschutz bei Impfen durch Apotheker

von Uwe Hansmann am 11.08.2020 um 17:08 Uhr

DANKE!

Dieser Bericht war überfällig und öffnet hoffentlich die Augen derer, die sich im vorauseilenden Gehorsam auch auf diesem Gebiet schon wieder ganz weit vorne wähnen.

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