Papillomviren tricksen das Immunsystem aus

Listige Köder schnappen Antikörper weg

Remagen - 13.08.2020, 09:15 Uhr

Papillomviren in der äußeren Hornhaut (Stratum corneum) eines Hauttumors einer Mastomys coucha (Vielzitzenmaus). (Foto: Michelle Neßling / DKFZ)

Papillomviren in der äußeren Hornhaut (Stratum corneum) eines Hauttumors einer Mastomys coucha (Vielzitzenmaus). (Foto: Michelle Neßling / DKFZ)


Ob spezifische Antikörper uns wirklich vor einer viralen Infektion schützen, ist im Hinblick auf das neuartige Coronavirus gerade ein großes Thema. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben die adaptive Immunantwort von Mäusen auf Papillomviren untersucht und dabei einen bislang unbekannten Mechanismus gefunden mit dem die Erreger das Immunsystem überlisten.

Das menschliche Immunsystem geht mit vielfältigen Abwehrstrategien gegen Erreger vor. Das klappt aber häufig mehr schlecht als recht, auch weil die Erreger im Laufe der Zeit raffinierte Methoden entwickelt haben, um dem Immunsystem zu entkommen.  
Frank Rösl und seine Mitarbeiter vom Deutschen Krebsforschungszentrum haben unter der Federführung von Daniel Hasche einen neuen Mechanismus entdeckt, mit dem Haut-spezifische humane Papillomviren (HPVs) das adaptive Immunsystem austricksen. 

Weißer Hautkrebs durch kutane humane Papillomviren

Bestimmte kutane HPVs, wie etwa HPV5 oder HPV8, kommen als natürliche Infektionen auf der Haut vor. Sie werden nicht auf sexuellem Wege, sondern während der Geburt durch die Mutter auf das Neugeborene übertragen. Deshalb sind Familienmitglieder meist mit denselben HPV-Typen besiedelt. Weil der Körper die Erreger erfolgreich bekämpfen kann, werden solche Infektionen normalerweise nicht bemerkt. Manche kutanen HPV-Typen können ihre Wirtszellen jedoch zur Teilung anregen. Ob das gelingt, hängt von dem individuellen Status des Immunsystems, der genetischen Vorbelastung, dem Alter und anderen externen Faktoren wie z.B. UV-Strahlung ab. Das Ergebnis sind Hautveränderungen und in seltenen Fällen die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms, auch bekannt als weißer Hautkrebs.

„Dummy“-Protein als Antikörper-Köder

Um den Mechanismus dieses Phänomens auf den Grund zu gehen, führten die DKFZ- Wissenschaftler Experimente an einer bestimmten Mausart durch. Das präklinische Modell „Mastomys coucha“ infiziert sich wie der Mensch bereits kurz nach der Geburt mit kutanen Papillomviren und bildet spezifische Antikörper gegen das Virus. In Kombination mit UV-Strahlung entwickeln infizierte Tiere verstärkt weißen Hautkrebs. Das Immunsystem der Tiere bildete Antikörper gegen die beiden viralen Proteine L1 und L2, aus denen sich die Virushülle zusammensetzt. Diese sollten den Eintritt der Viren in die Wirtszelle verhindern und das Virus damit eigentlich neutralisieren können. Die Forscher stellten jedoch fest, dass die Viren neben den üblichen Proteinen noch eine längere Variante des L1 Proteins produzierten, die am Aufbau der viralen Hülle gar nicht beteiligt ist. Stattdessen fungiert diese als eine Art Köder, gegen den das Immunsystem ebenfalls mit spezifischen Antikörpern anzugehen versucht.  

Eigentliche Abwehr kommt zu spät

Damit wird die adaptive Immunabwehr deutlich geschwächt. Statt den infektiösen Erreger durch eine Bindung an L1 zu neutralisieren, werden die Antikörper an das nicht-funktionelle Köderprotein fehlgeleitet und damit quasi verschwendet. Während das Immunsystem damit beschäftigt ist, diese „nutzlosen“ Antikörper zu produzieren, kann sich das ursprüngliche Virus weiter vervielfältigen und im Körper ausbreiten. Erst nach einigen Monaten entstehen dann neutralisierende Antikörper, die gegen die normale Variante des L1 Proteins und damit gegen die eigentlich infektiösen Viren gerichtet sind.  
„Ob Nager oder Mensch, bei fast allen HPV-Typen, die Krebs auslösen können, ist das L1 Gen so gestaltet, dass auch eine längere Variante des Proteins gebildet werden könnte“, erläutert Daniel Hasche. „Dies gilt auch für Hochrisiko-HPV-Typen, wie HPV16 oder HPV18, die Gebärmutterhalskrebs verursachen können.“ Hasche vermutet, dass es sich um einen verbreiteten Mechanismus handelt, mit dem Viren sich in der frühen Infektionsphase effizient vermehren und ausbreiten können.  

Antikörper bedeuten nicht unbedingt Infektionsschutz

„Dass Antikörper gegen Papillomviren nachweisbar sind, muss also nicht zwangsläufig mit einem Schutz vor einer Infektion einhergehen“, gibt Frank Rösl angesichts dessen zu bedenken. Nach Meinung der Autoren sprechen ihre Beobachtungen für einen neuartigen humoralen Immun-Escape-Mechanismus, der auch wichtige Auswirkungen auf die Interpretation epidemiologischer Daten in Bezug auf Seropositivität und Schutz vor Papillomaviren im Allgemeinen haben kann.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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