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Kopfschmerz-Report
TK wirbt für gezielten Einsatz der CGRP-Antagonisten
Die Versorgung von Menschen mit Migräne läuft aus Sicht der Techniker Krankenkasse (TK) nicht rund. Das zeigt sich anhand der Abrechnungsdaten der Versicherten der Kasse. Am heutigen Mittwoch informierten der Leiter der TK-Abteilung Arzneimittel, Apotheker Tim Steimle, und der Neurologe Professor Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel über die Ergebnisse ihres sogenannten Kopfschmerz-Reports.
Offenbar kommt es bei Migräne-Patienten besonders häufig zu Fehlversorgung: Den Ergebnissen des Kopfschmerz-Reports der TK zufolge leiden insgesamt 7 Prozent der Frauen und 2,2 Prozent der Männer an Migräne. Erfasst sind dabei jedoch nur diejenigen, die sich wegen ihrer Attacken in ärztlicher Behandlung befinden. Die Dunkelziffer dürfte folglich weitaus höher liegen. Für die Betroffenen ist die Erkrankung eine schwere Bürde: TK-Arzneimittelexperte Tim Steimle zitierte bei der Präsentation des Reports eine Forsa-Umfrage, wonach 59 Prozent von ihnen sich durch die wiederkehrenden Anfälle stark eingeschränkt fühlen.
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Manch ein Arzt meint es offenbar besonders gut mit seinen Migräne-Patienten und verordnet ihnen einen der brandneuen CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide)-Antagonisten. Als erster Vertreter eroberte Erenumab im Jahr 2018 den deutschen Markt. Es folgten Fremanezumab und Galcanezumab, sodass inzwischen drei Vertreter dieser Substanzklasse zur Verfügung stehen. Seit der Einführung steigen die Verordnungszahlen rasant. Allein im Oktober 2019 – der letzte Monat, der noch in die Auswertung eingeflossen ist – haben die Antikörper die Gesetzliche Krankenversicherung nach Hochrechnung der TK rund 9,4 Millionen Euro gekostet.
Zusatznutzen nur bei vorbehandelten Patienten
Steimle wies in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses hin, den das Gremium im Zuge der frühen Nutzenbewertung gefasst hat. Demnach ist ein Zusatznutzen der CGRP-Antagonisten nur gegeben bei Patienten, die mehrere Vorbehandlungen erhalten haben, mit denen sich die Zahl der Kopfschmerz-Tage pro Monat jedoch nicht ausreichend verringern ließ. „Diese Vorschrift wird oft nicht umgesetzt“, sagte Steimle. Und Nervenarzt Hartmut Göbel unterstrich, dass die Wirkstoffe die Zahl der Kopfschmerz-Tage um etwa drei bis vier im Monat reduzieren können – ebenso viele seien es mit der Gabe prophylaktisch wirksamer Mittel wie Propranolol oder Flunarizin. Daher sei eine Verordnung erst angezeigt, wenn andere Optionen versagt hätten oder wegen einer bestehenden Kontraindikation nicht infrage kämen.
Darüber hinaus gelte es, nach drei Monaten den Therapieerfolg zu überprüfen und falls sich keiner eingestellt habe, die Behandlung abzubrechen. Zudem sollte der Arzt nach neun bis zwölf Monaten einen Auslassversuch starten, um zu testen, ob der Patient das Präparat wirklich noch benötige. Göbel zufolge können die Betroffenen auch selbst viel dazu beitragen, dass es ihnen besser geht, etwa mit einem möglichst strukturierten Tagesablauf, gesunder und regelmäßiger Ernährung und Entspannungsübungen.
Steimle sieht Werbung für OTC-Schmerzmittel kritisch
Wer an Migräne leidet, bringe meist eine genetische Veranlagung dazu mit, informierte Göbel weiter. Das erkläre, warum bereits manche Kinder Attacken erlebten. Auslöser können zum Beispiel bestimmte Reize und Emotionen sein. Deshalb seien Mädchen deutlich häufiger betroffen als Jungen, so der Neurologe. Denn ihre Nerven funktionierten anders als die der männlichen Gleichaltrigen. Sie differenzierten Reize stärker und ihre Empfindungen seien stärker sozial eingefärbt als bei ihren Altersgenossen. „Ihr Gehirn muss viel leisten“, betonte Göbel.
Die Therapie von Kindern mit Migräne lässt sich dem Experten zufolge nicht mit der von Erwachsenen vergleichen. Die Gabe prophylaktischer Mittel etwa sei bei ihnen wirkungslos. Und auch Studien, in der die Heranwachsenden Triptane erhalten hatten, hätten keine guten Wirksamkeitsnachweise geliefert. Die einzigen Ausnahmen stellten Zolmitriptan und Naratriptan als Nasenspray verabreicht dar, berichtete Göbel.
Apotheker sind gefragt
Nicht im Report erfasst sind jene Medikamente, die Kopfschmerzpatienten in der Apotheke kaufen. Da Ibuprofen, Paracetamol und Co. in bestimmten Dosierungen nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, dürfen die Hersteller dafür Werbung schalten – und darin sieht Apotheker Steimle ein großes Problem. Die Reklame sei oft so aufgebaut, dass die Verbraucher sich von der Einnahme eine leistungssteigernde Wirkung versprechen. In einer Forsa-Umfrage hätte fast jeder vierte Teilnehmer (24 Prozent) angegeben, schon einmal mehrere Tage hintereinander Schmerzmittel angewendet zu haben. „Hier sind die Apotheker täglich gefragt, vernünftig zu beraten“, sagte Steimle.
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