Desinfizieren mit UV-C

Corona wirft neues Licht auf alte Technik

Düsseldorf - 01.09.2020, 10:30 Uhr

UV-Licht, besonders das UV-C-Spektrum, kann Bakterien und Viren wirksam abtöten. Für den Gebrauch daheim sind die Systeme jedoch nicht geeignet, warnen Experten. (x / Foto: marchsirawit / stock.adobe.com)

UV-Licht, besonders das UV-C-Spektrum, kann Bakterien und Viren wirksam abtöten. Für den Gebrauch daheim sind die Systeme jedoch nicht geeignet, warnen Experten. (x / Foto: marchsirawit / stock.adobe.com)


Der Fakt, dass ultraviolettes Licht Krankheitserreger wirksam abtötet, wird seit rund 100 Jahren erfolgreich eingesetzt. War die Technik zwischenzeitlich etwas weniger im Einsatz, erlebt sie nun einen regelrechten Boom. Neue Lichtquellen und Desinfektionsroboter sind im Einsatz – es gibt aber auch Schattenseiten von Augenschädigungen bis zu betrügerischer Geschäftemacherei. Ein Überblick.

Angst ist ein schlechter Ratgeber, heißt es. Und so treibt auch die Angst vor SARS-CoV-2 in der Corona-Pandemie seltsame Blüten. Sei es, dass plötzlich Arzneimittel gegen Malaria aufgrund dünner Studienlage zu Heilmitteln erhoben und von ranghohen Politikern ohne wissenschaftlichen Hintergrund angepriesen werden oder dass die gleichen Politiker öffentlich darüber nachdenken, ob man nicht Desinfektionsmittel intravenös geben könnte – mit einigen Verletzten und Toten in der Folge.

Zur gleichen Kategorie gehören zahlreiche Fälle, die aus chinesischen Augenkliniken berichtet wurden. Dort stieg mit Beginn des Corona-Ausbruchs die Zahl der Patienten, die über extreme Schmerzen in beiden Augen klagten und sie nicht öffnen konnten. Ein brennendes Gefühl im Gesicht und der Bericht zunächst eines Kribbelns im Auge mit anschließendem Tränenfluss und verschwommenem Sehen führten dann zur Diagnose: Photokeratitis –  die durch UV-Strahlung ausgelöste Schädigung und Entzündung der Horn- und Bindehaut des Auges, wie die EuroEyes-Klinikgruppe warnt.

Die Patienten hatten vorsorglich ihre Umgebung und auch „sich selbst“ mit UV-Licht desinfiziert. Tatsächlich gibt es weltweit Berichte entsprechender Markterhebungen, die besagen, dass mit Beginn der Pandemie der Absatz der unterschiedlichen UV-Lampen ebenso in die Höhe gegangen ist wie der von Desinfektionsmitteln, FFP-Masken, Einmalhandschuhen oder zeitweilig Toilettenpapier. 

Wirkung auf Nukleinsäuren und Proteine

Und vom grundsätzlichen Ansatz her ist der Gedanke auch gar nicht so schlecht. UV-Licht, besonders das UV-C-Spektrum, ist geeignet, Bakterien und Viren wirksam abzutöten. UV steht dabei für ultraviolettes Licht, also der kurzwellige energiereiche Frequenzbereich des Lichts unterhalb der Sehschwelle, „jenseits“ des Violetts im Farbspektrum. UV-C ist dabei das Spektrum zwischen 280 und 100 Nanometern (nm) Wellenlänge. Dieser Bereich des UV-Lichts wird im Gegensatz zum UV-A- (380-315 nm) und UV-B-Bereich (315-280 nm) vollständig vom Sauerstoff in der Atmosphäre absorbiert und erreicht unter natürlichen Bedingungen nie die Erdoberfläche. 

Die Einteilung in die drei Frequenzbereiche orientiert sich am natürlichen Verhalten des energiereichen Lichts in der Atmosphäre. 380 nm ist die Sehschwelle des menschlichen Auges (einige Tiere wie etwa Bienen können noch darunter auch UV-Licht sehen). Der Bereich zwischen 315 und 280 nm wird von der Ozonschicht der Atmosphäre – also der dreiatomigen Molekülvariante des Sauerstoffs – größtenteils absorbiert. Unterhalb von 280 nm absorbiert Sauerstoff unter Bildung von Ozon die energiereiche Strahlung vollständig. Die Grenze von 100 nm ist dabei willkürlich gezogen, da unter Laborbedingungen mit noch kurzwelligerem Licht kaum experimentiert werden kann. Die DIN 5031-7 definiert die Einteilung in diese Bereiche – die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert UV-Licht aber beispielsweise bereits ab 400 nm.

Bereits UV-A- und UV-B-Strahlung haben als ionisierende Strahlung das Potenzial, biologisches Material, Gewebe und Organismen zu schädigen – allerdings gibt es Abwehr- und Reparaturmechanismen für so entstandene Schäden. Der UV-C-Bereich allerdings, der natürlicherweise nicht vorkommt, ist besonders geeignet, zur Desinfektion eingesetzt zu werden. „UV-C-Strahlung ist grundsätzlich in der Lage, Bakterien und Viren abzutöten“, heißt es dazu auch vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).

Innerhalb des UV-C-Spektrums muss man dabei nochmal nach der biologischen Wirkung unterscheiden. So absorbieren bei 280 nm vor allem Proteine – insbesondere als Bestandteil die Aminosäure Tryptophan –, was zur Denaturierung führt. Bei 265 nm werden Nukleinsäuren insbesondere durch Dimerisierung der Base Thymin geschädigt. Im Bereich von 245 nm absorbieren vor allem die Nukleinsäuren, während es für Proteine in dem Bereich ein Absorptionsminimum gibt, was die technische Anwendung eines engen Frequenzspektrums etwa zur Desinfektion von Proteinlösungen erlaubt.

Seit dem Jahr 1902 als der österreichische Arzt Gustav Kaiser die medizinische Wirkung des UV-Lichts entdeckte, wird es auch zur Desinfektion genutzt. Wer im Labor eine Sterilbank besitzt, kennt das blaue Glühen meist über Nacht und den Ozon-Geruch (unterhalb von 242 nm entsteht Ozon aus Sauerstoff im Rahmen der Photolyse).

Neue technische Lösungen über simple Strahler hinaus

Die COVID-19-Pandemie hat allerdings neuen Schwung in die etablierte Technik gebracht. Unter anderem chinesische und US-Studien haben belegt, dass das SARS-CoVirus-2 effektiv durch Bestrahlung mit UV-C-Licht inaktiviert wird. Damit erschlössen sich plötzlich ganz neue Märkte, zitiert etwa das Handelsblatt den Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des Leuchtmittelherstellers Signify, Roger Karner. Seien bislang vor allem Labore oder Krankenhäuser Nutzer von Desinfektion per UV-C-Licht gewesen, weite sich der Kundenkreis nun auch etwa auf Unternehmen, Gastronomien, Lager und Fabriken aus.

Technisch haben die verschiedenen Hersteller von UV-C-Strahlern mittlerweile viele Entwicklungen etabliert. Wurden (und werden noch ) etwa in Sterilbanken oder auch in OP-Sälen schlicht immer dann UV-Röhren angeschaltet, wenn niemand dort arbeitet, also etwa über Nacht, gibt es nun elegantere Desinfektions-Lösungen. So existieren etwa geschlossene Luftdesinfektionssysteme, in denen Raumluft angesaugt wird, in einem Gehäuse mit UV-C-Licht bestrahlt und anschließend wieder in den Raum abgeben wird. Solche Systeme, bei denen keine Strahlung in den Raum gelangt, gibt es etwa für Krankenhäuser oder auch für große Schlachthöfe – der Fall Tönnies im Sommer 2020 zeigt, wie wichtig in Corona-Zeiten solche Anlagen sein können.

Auch in der Abwasserbehandlung gibt es solche geschlossenen Systeme. Verschiedene Arten von UV-C-Luftreinigern werden auch für das Homeoffice oder einfach für Zuhause angeboten – nicht alle Angebote seien aber seriös, warnen die Experten.  

In einem Beitrag des Magazins Praxis des RBB warnt Dr. Nils Bandick vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor den vielen Angeboten aus dem Internet. Deren Intensität und Spektrum – entscheiden für die desinfizierende Wirkung – könnten kaum überprüft werden. Manche Lampen, so vermuten Experten, leuchten dann auch lediglich blau und täuschen nur vor, UV-Licht abzugeben. Vor allem viele „UV-Gadgets“ etwa aus China seien wirkungslos, berichtet etwa das Schweizer Nachrichtenportal nau.ch.

Einsatz Zuhause eher unsinnig, warnen Experten

Bandick und andere Experten halten einen Einsatz von UV-Lampen für zuhause dann auch für unsinnig. So stellt etwa die Verbraucherzentrale Hamburg in einem Internet-Beitrag klar, dass man mit UV-Lampen nur Oberflächen desinfizieren könne, Schmierinfektionen durch Übertragung des Virus von Oberflächen in den Körper aber keine große Rolle beim Corona-Geschehen spielen. Außerdem, so das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in einem Artikel seines Internet-Angebots, „gibt es auch bei UV-Licht Schatten – und im Schatten ist es verständlicherweise wirkungslos. So ist z. B. die Rückseite eines Schubladengriffs für UV-Licht oft nicht erreichbar.“

Auf keinen Fall aber ist UV-Licht geeignet, den menschlichen Körper zu „desinfizieren“, stellt auch das Bundesamt für Strahlenschutz klar. „Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) widerspricht daher derzeit kursierenden Meldungen, wonach UV-Strahlung zur Bekämpfung der Erkrankung beitragen könne, und rät davon ab, sich intensiver UV-Strahlung auszusetzen, um das Coronavirus loszuwerden“, heißt es. Bei der Desinfektion mit UV-Strahlung gehe es nicht um Virus-Abtötung „auf oder in Lebewesen“. 

„Generell sollte beim Einsatz von UV-C-Geräten aus Sicht des BfS sichergestellt sein, dass der Anwender vor einer Bestrahlung geschützt ist“, so das Institut. Für frei bewegliche, häufig zu Desinfektionszwecken angebotene Handlampen gelte, dass sie Aus Sicherheitsgründen nur auf die zu desinfizierende Fläche gerichtet werden sollten. „Zusätzlichen Schutz könnten Lampen bieten, die sich automatisch abschalten, wenn sie aus der Horizontalen gedreht werden.“ UV-C-Bestrahlungsgeräte gehörten ferner nicht in die Hände von Kindern. „Das Bundesamt für Strahlenschutz überprüft und beurteilt nicht die Wirksamkeit von UV-Desinfektionslampen und gibt auch keine Produktempfehlungen ab“, stellen die Experten klar.

Ausdrücklich warnen alle Experten vor der Gefahr von UV-Strahlung für Augen und Haut – vom unmittelbaren Risiko der Verbrennung bis zu Spätfolgen wie Hautkrebs. 

Unterdessen gibt es zahlreiche neue Einsatzgebiete für UV-C-Strahler im öffentlichen Raum und gewerblichen Bereich. Durch Flugzeuge rollen etwa nun bevor neue Passagiere zusteigen Roboter, die die Sitzreihen mit UV-C-Licht bestrahlen und so desinfizieren. Ähnliche Geräte rollen durch Labore, Arztpraxen Krankenhauszimmer oder auch Flughafenterminals, um die Oberflächen zu desinfizieren. Dabei denken die Hersteller nicht nur an das SARS-CoV-2 sondern  etwa auch an typische Erreger nosokomialer Infektionen in Krankenhäusern, die so wirksam eliminiert werden. 

In Hamburg und München testen mittlerweile die Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs die Desinfektion von Rolltreppen-Handläufen mit fest verbauten UV-C-Strahlern im verdeckten Bereich der Rolltreppen. Auch in diesem Fall stand nicht der Corona-Erreger im Vordergrund, die Pandemie hat nun aber dem ohnehin geplanten Testlauf zusätzliches Gewicht gegeben.

Auf der technischen Seite basiert der überwiegende Teil der angebotenen UV-C-Strahler auf Quecksilberdampflampen, einer Gasentladungsröhre ähnlich der Neonröhre, die Quecksilber enthält. UV-C-LED sind dagegen noch eine eher junge Technik, die etwa vom Hersteller Osram oder verschiedenen Fraunhofer-Instituten erforscht werden. Viele vor allem im Internet angebotene UV-LED-Lampen für zuhause sind daher auch wohl hauptsächlich nur blaue Leuchtdioden – ohne UV-Spektrum oder Wirksamkeit.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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