Stellungnahme zum VOASG

BAH: Gleichpreisigkeit auf allen Handelsstufen

Berlin - 14.09.2020, 12:10 Uhr

Welche Patienten Anspruch auf neue pharmazeutische Dienstleistungen bekommen sollen, muss aus Sicht des BAH allein der Apotheker anhand der individuellen Bedürfnisse der Versicherten entscheiden. (m / Foto: Schelbert)

Welche Patienten Anspruch auf neue pharmazeutische Dienstleistungen bekommen sollen, muss aus Sicht des BAH allein der Apotheker anhand der individuellen Bedürfnisse der Versicherten entscheiden. (m / Foto: Schelbert)


Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller wünscht sich eine Regelung im VOASG, die es den Apothekern erlaubt, den Bedarf der Versicherten nach neuen pharmazeutischen Dienstleistungen selbst zu ermitteln. Darüber hinaus trommeln die Hersteller in ihrer Stellungnahme zur Apothekenreform für die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit auf allen Handelsstufen und für alle Menschen in Deutschland.

Das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) stand am vergangenen Freitag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums. Lange hatten die Apotheker darauf gewartet, dass es mit der Reform endlich weitergeht. Kernelemente sind die Verankerung des Rx-Boni-Verbots im Sozialrecht sowie ein Honorartopf für neue pharmazeutische Dienstleistungen.

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Welche Dienstleistungen damit gemeint sein könnten, verrät die ABDA bisher nicht. Es bleibt folglich rein spekulativ, welche Vorschläge die Standesvertretung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) anbieten wird, wenn das Gesetz das parlamentarische Verfahren passiert hat. Unklar ist bisher auch, wer berechtigt sein wird, solche Leistungen zulasten der Krankenkassen zu veranlassen: der Arzt, der Patient oder der Apotheker?

Für den Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) steht fest: Auswahlkriterium für die Inanspruchnahme der zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen muss der individuelle Bedarf des jeweiligen Patienten sein. In seiner schriftlichen Stellungnahme zum VOASG-Entwurf heißt es: „So kann beispielsweise ein Patient, der neben verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mehrere rezeptfreie Arzneimittel einnehmen muss, hiervon überfordert sein.“ Zudem könne ein mangelndes Therapieverständnis die Adhärenz des Versicherten beeinträchtigen. „Der BAH befürwortet vor diesem Hintergrund die Stärkung der Lotsen- und Beratungsfunktion des Apothekers, wenn ihm erlaubt wird, genau diese Entscheidung selbst vor Ort zu treffen.“

Bevölkerung vertraut Apothekern

Wegen des demografischen Wandels werde die Anzahl der Menschen, die einer guten Versorgung mit Arzneimitteln – inklusive Beratung und Betreuung – bedürfen, steigen, erwarten die Hersteller. Hier könnten die Pharmazeuten aus Sicht des BAH eine Lücke füllen. „Aus den Ergebnissen des Deutschen Gesundheitsmonitors des BAH ist abzulesen, dass die Bevölkerung ein hohes Vertrauen in die Kompetenz der Apotheker setzt und damit viel dafürspricht, dass entsprechende Angebote angenommen werden würden.“

Auch die geplante Verankerung der Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Medikamente im Sozialrecht nimmt der Verband in den Blick. „Die Arzneimittelpreisbindung ist ein bedeutender und unverzichtbarer Stabilitätsfaktor, um eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln zu garantieren. Dies erachtet der BAH für alle Handelsstufen, in denen Arzneimittel abgegeben werden, für unerlässlich.“

„Lockerung der Arzneimittelpreisbindung hätte erhebliche Konsequenzen“

Die Pharmaunternehmen beziehen sich dabei auch auf ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf aus dem Mai 2019 (Az.: I-20 U 126/18) Dieses mache deutlich, welche Gefahren drohen, wenn die Gleichpreisigkeit nicht vom Gesetzgeber unmissverständlich geregelt wird. „Das OLG Düsseldorf hat ausgeurteilt, dass die nationalen Vorschriften, die den einheitlichen Herstellerabgabepreis regeln, bei Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts keine Anwendung finden“, erläutert der BAH. Konsequenterweise gebe es dann auch für den Großhandel bei grenzüberschreitenden Sachverhalten weder einen einheitlichen Einkaufs- noch Abgabepreis. Hersteller und Großhändler mit Sitz im Ausland könnten somit zu ihren Gunsten von den einheitlichen Preisen abweichen.

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Die Notwendigkeit von einheitlichen Einkaufs- und Abgabepreisen gelte darüber hinaus nicht nur für die Preisfestsetzung und Abrechnung in der Gesetzlichen Krankenversicherung. „So müssen auch Versicherte außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen werden (PKV, Selbstzahler, Beihilfe)“, fordert der Bundesverband. Er führt aus:


Aus der Sicht des BAH ist ein einheitlicher Apothekenabgabepreis essentiell. Er gehört zu den maßgebenden Säulen des deutschen gesetzlichen Krankenversicherungssystems. Eine Vielzahl von sozialrechtlichen Instrumentarien zur Erstattung von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung fußt auf dem einheitlichen Hersteller- und Apothekenabgabepreis. Hierzu gehören u.a. die Festbetragsregelung sowie die Abschläge nach §§ 130, 130a SGB V, die Durchführung der Rabattverträge etc. Darüber hinaus gelten viele Regelungen analog für die private Krankenversicherung. Selbst eine nur teilweise Lockerung der Arzneimittelpreisbindung hätte erhebliche Konsequenzen und somit eine umfassende Überarbeitung des Sozialrechts zur Folge.“

Stellungnahme des BAH zum Apotheken-Stärkungsgesetz


Hinzu kämen die negativen Auswirkungen auf die Struktur des Apothekenmarkts, betont der BAH. „Zu erwarten sind eine geringere Apothekendichte, ein steigender Konzentrationsprozess, eine sinkende Angebotsvielfalt sowie eine sozialrechtlich wie gesellschaftspolitisch mehr als fragwürdig zu betrachtende Benachteiligung der Landbevölkerung, die im Wettbewerb höhere Preise in der Vor-Ort-Apotheke zu zahlen hätte“, schreibt er.

Überdies pochen die Hersteller darauf, finanzielle Anreize zur Produktion von Arzneimitteln in Europa zu setzen. Einen entsprechenden Ergänzungsantrag hatte die FDP-Fraktion im Bundestag vorgelegt. „Der zeitweise Exportstopp unverzichtbarer Arzneimittel und Wirkstoffe aus Ländern wie beispielsweise Indien (Paracetamol / Antibiotika) hat die Abhängigkeit insbesondere von asiatischen Produktionsstandorten unübersehbar vor Augen geführt“, heißt es in der Stellungnahme des BAH. Er schlägt vor, dass die Rabattverträge derart angepasst werden, dass nicht nur der Preis als Vergabekriterium ausschlaggebend ist, sondern auch ein Standortfaktor berücksichtigt wird. „Dieser Faktor sollte umso höher sein, je mehr Produktionsschritte in Europa erfolgen.“ Die Rabattlose sollten verbindlich an drei Partner vergeben werden.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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